Eröffnungsveranstaltung

Dienstag, 19. Mai 1998, 15.00 Uhr

Gürzenich der Stadt Köln
(Musikalische Umrahmung: Ursula Schoch)

Renate Canisius, Bürgermeisterin der Stadt Köln:

Herr Minister! Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Ich freue mich, daß wieder ich es bin, die Sie heute hier begrüßen darf. Ich überbringe Ihnen die Grüße der Stadt Köln und die unseres Oberbürgermeisters, der eigentlich selbst hier hätte anwesend sein wollen.

Sie sind richtig bei uns, denn daß Köln als Medizinstadt gilt, hat gleich mehrere Gründe. In unserer Stadt haben Spitzenorganisationen der deutschen Ärzteschaft und weiterer Einrichtungen in deren Umfeld ihren Sitz. Hier findet jeder zweite Deutsche Ärztetag statt. Darüber hinaus befinden sich in Köln sowohl vielfältige Einrichtungen der medizinischen Spitzenforschung und Patientenversorgung auf höchstem Niveau als auch bedeutende Unternehmen der Pharmaindustrie.

Vor allem steht Köln auch deshalb in dem Ruf, eine Medizinstadt zu sein, weil sich unsere Stadt und einige ihrer Bürger und Bürgerinnen schon sehr früh in besonderem Maße um das Gesundheitswesen und die Gesundheit der Menschen bemüht haben. So war es ein Kölner Arzt, der im vergangenen Jahrhundert, allerdings in einer anderen großen Stadt, 30 Kilometer rheinabwärts, den Niederrheinischen Verein für öffentliche Gesundheitspflege ins Leben rief und damit dem öffentlichen Gesundheitsdienst richtungsweisende Impulse gab.

Köln war auch die erste Stadt, die - übrigens auf Betreiben der Sozialverwaltung - mit Dr. Peter Krautwig bereits 1905 ärztlichen Sachverstand in die städtische Führungsspitze wählte und so den Grundstein für das erste kommunale Gesundheitsamt in Deutschland legte. Damals stürzte die um sich greifende Tuberkulose zunehmend auch Angehörige des Mittelstandes in Not und Elend. Der Kölner Sozialverwaltung war klar, daß sie dieses Problem nur in den Griff bekommen würde, wenn ärztlicher Sachverstand der Tuberkulose und ihren gesundheitlichen wie sozialen Folgen entgegenwirkte. Dr. Krautwig schuf damals in Köln ein System der gesundheitlichen Versorgung, das vom Völkerbund als die beste kommunale Einrichtung in Europa gewürdigt wurde.

Heute, mehr als 90 Jahre später, ist die überdurchschnittlich ausgeprägte Infrastruktur des Kölner Gesundheitswesens Ausdruck dafür, daß die Kommunalpolitik ihre gesundheitspolitischen Aufgaben erkennt und die Entwicklung der Stadt zum gesunden Lebensraum weiter voranzutreiben versucht. Ein wichtiges Beispiel für das städtische Engagement ist die Mitgliedschaft Kölns im Gesunde-Städte-Netzwerk, das 1986 durch eine Initiative der Weltgesundheitsorganisation ins Leben gerufen wurde. Ein vorrangiges Ziel dieses Verbundes besteht in der Förderung gesunder Lebensbedingungen und Lebensweisen.

Genau in diese Richtung zielen auch die Kölner Gesundheitstage, eine mehrtägige Informations- und Beratungsveranstaltung, die gemeinsam getragen wird vom städtischen Gesundheitsamt und von mehr als 100 Organisationen und Gruppen aus dem Kölner Gesundheitswesen. Die Bürgerinnen und Bürger werden dabei aufgeklärt, was sie selbst für ihr eigenes Wohlergehen tun können.

Denn eins ist klar: Die Menschen müssen die Sorge um die eigene Gesundheit immer stärker als wichtige Aufgabe erkennen und wahrnehmen, denn das Leben ist das höchste Gut, über das wir verfügen. Dem beeindruckenden Fortschritt innerhalb der Wissenschaften darf nicht der Rückschritt in der allgemeinen vorbeugenden Gesundheitssicherung folgen. Es wird kluger und verantwortungsvoller Weitsicht bedürfen, um die gegenwärtige Diskussion über Grenzen notwendiger medizinischer Behandlung und einer Selbstbeteiligung der Patienten und Patientinnen in eine ethisch und sozial verantwortbare Lösung einmünden zu lassen. Ich vertraue dabei darauf, daß alle Beteiligten irreparable Schäden sowohl von den Patienten und Patientinnen wie von der Ärzteschaft und den Kassen werden abwenden können.

Ich habe eben ganz bewußt an den städtischen Beigeordneten Dr. Krautwig und die Umstände zu Beginn seiner Amtszeit erinnert. Auch gegenwärtig befinden wir uns in einer wirtschaftlich schwierigen Phase und müssen feststellen, wie eng der Zusammenhang zwischen sozialer Not und gesundheitlichen Problemen ist. Das erfüllt mich insofern mit großer Sorge, als uns die Vergangenheit gelehrt hat: Gerade in schwierigen Zeiten ist ein leistungsfähiges Gesundheitswesen von besonderer Bedeutung. Es wäre fatal, würde weiter über Gebühr an einem der wichtigsten Güter gespart werden, nämlich der Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung von Gesundheit.

Immer wieder hört man das Schlagwort von der Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Dabei wird aber vergessen, daß der Anstieg der Kosten für unser hochentwickeltes Gesundheitssystem durch moderne und bessere Möglichkeiten bedingt ist, Kranken und von Krankheit Bedrohten wirksam zu helfen. Auf die Nutzung dieser Möglichkeiten zu verzichten kann nicht ernsthaft erwogen werden. Schließlich - da wiederhole ich mich ganz bewußt - ist die Gesundheit unser höchstes Gut.

Wie ich mir habe sagen lassen, sind die Kosten für die klassischen Diagnose- und Behandlungsverfahren heute niedriger als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Ihre Erfahrungen und Ihr Detailwissen versetzen Sie zweifelsfrei in die Lage, kreativ und verantwortlich Lösungswege aus der gegenwärtigen Krise aufzuzeigen und zu beschreiten. Der eigentliche Grund für die wirtschaftliche Schieflage unseres Gesundheitswesens erscheint mir übrigens weniger die Ausweitung medizinischer Leistungen zu sein. Vielmehr handelt es sich hier auch wieder um die Folge sozialer Verwerfung. Als Stichwort nenne ich die Massenarbeitslosigkeit und den damit verbundenen Einnahmerückgang der gesetzlichen Krankenkassen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Wir brauchen eine wirkungsvolle Arbeitsmarktpolitik, die dafür sorgt, daß aus Leistungsempfängern wieder Beitragszahler und -zahlerinnen werden, nicht nur, weil Arbeit und Beschäftigung zentrale Bedürfnisse der Menschen sind und auch zu deren Selbstwertgefühl beitragen, sondern auch, weil diejenigen, die Arbeit haben, Beiträge und Steuern zahlen. Die Massenarbeitslosigkeit wird immer mehr zum Sprengsatz für unser Sozial- und Gesundheitswesen. Das muß endlich ein Ende haben.

Gerade angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen finde ich es bemerkenswert, wie sehr die deutsche Ärzteschaft um Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur stetigen Verbesserung ärztlichen Handelns bemüht ist. Hierzu gehören auch die vielfältigen Maßnahmen zum Patientenschutz, die Gegenstand dieses Ärztetages sein werden.

Mit Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, daß Sie sich in den kommenden Tagen auch mit der Situation der Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus sowie mit der Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung befassen werden. Dies sind Themen, die nicht nur von großer Bedeutung für die Ärzteschaft selbst sind, sondern natürlich auch für die Patienten und Patientinnen und damit für uns alle.

Ein weiterer Punkt, der sowohl die Ärzte als auch die Patienten trifft, ist das hohe Maß an Überstunden, die von den Ärzten in den Krankenhäusern geleistet werden müssen, und das trotz Arbeitslosigkeit in der Ärzteschaft. Das führt zum einen zu einer unzumutbaren Belastung für die Ärzte und Ärztinnen; zum anderen sorgt es letztlich für eine Benachteiligung, wenn nicht gar Gefährdung der Patienten und Patientinnen.

Auch die Weiterbildung der Ärzte, also ihre fachliche Qualifikation, wird von der interessierten Öffentlichkeit mit Aufmerksamkeit verfolgt. Ich gewinne immer mehr den Eindruck, daß Regelungen, die ursprünglich im Interesse einer fachgerechten und angemessenen Patientenversorgung getroffen worden sind, sich zunehmend in ein immer unübersichtlicher werdendes Marktordnungsinstrument verwandeln. Hier sei mir - bei allem Respekt vor der Selbstverwaltung - der Hinweis erlaubt, daß, wie so oft, weniger durchaus mehr bedeuten könnte.

Von besonderem Interesse für die ärztliche Versorgung der Bevölkerung sind die Ärztetagsbeschlüsse zur hausärztlichen Versorgung. Die bereits vom 99. und 100. Deutschen Ärztetag gefaßten Beschlüsse über die fünfjährige Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin werden Sie sicherlich auch auf diesem Ärztetag beschäftigen. Es wird aber auch eine Aufgabe der entsprechenden politischen Ebenen sein müssen, zu den Voraussetzungen für eine fachlich qualifizierte Weiterbildung beizutragen und sich für die Errichtung der entsprechenden Weiterbildungsstellen einzusetzen.

Meine Herren und Damen, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt in unserer Stadt. Aber das kann ich Ihnen ja heute abend noch sagen, denn dann darf ich Sie noch einmal begrüßen. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich gleich entschwinde, aber wir haben Ratssitzung. Das soll kein Affront gegen die Redner sein, die nach mir kommen. Ich wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen Nachmittag.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)