Prof. Dr. Eckel, Referent:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ärztliche Fortbildung hat für Ärztinnen und Ärzte einen zentralen Stellenwert. Daher haben wir uns bereits im letzten Jahr auf dem Deutschen Ärztetag mit diesem Thema befaßt. Der Deutsche Senat für ärztliche Fortbildung wurde beauftragt, bis zu diesem Ärztetag Rahmenbedingungen für eine validierte und zertifizierte Fortbildung zu entwickeln, die auf den bisher gemachten Erfahrungen der Modellversuche basiert.

Um diese Aktivitäten zu bündeln und abzustimmen, trafen sich im Oktober des letzten Jahres auf Initiative des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung und auf Einladung des Senats und der Deutschen Akademie der Gebietsärzte Repräsentanten zahlreicher Organisationen. In dieser Form war bislang zu diesem Thema noch nicht konferiert worden. Mit am Tisch saßen die Leiter der Fortbildungsakademien der Landesärztekammern, Vertreter der Deutschen Akademie für Allgemeinmedizin sowie zahlreiche medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaften und Berufsverbände.

Dieses Treffen zeigte, daß großes Interesse an der Fortbildung an sich und an der Bereitschaft zur Zertifizierung von Fortbildung besteht, ja sogar die Aktivitäten einzelner Institutionen bereits sehr weit fortgeschritten sind. Hierzu werden die Herren Ekkernkamp und Koch im Anschluß an dieses Referat berichten. Es bestand Konsens, daß sich - bei der vielfach proklamierten Einheit des Arztberufs in der Bundesrepublik Deutschland - auch die Fortbildung durch einheitliche Standards auf hohem Niveau auszeichnen muß.

Neben einer Harmonisierung auf nationaler Ebene darf man jedoch auch die internationalen Entwicklungen nicht außer acht lassen. Dies zeigen die internationalen Empfehlungen - CME (continual medical education) zur Fortbildung. Angesichts der auch im Gesundheitswesen bevorstehenden Europäisierung nationaler Systeme sollte man sich mit dieser Entwicklung unbedingt vertraut machen.

Ziel des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung war es, zunächst Rahmenbedingungen für eine zertifizierte ärztliche Fortbildung zu entwickeln, welche die oben genannten Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene berücksichtigt, ausreichend Spielraum für die Erprobung von Modellversuchen beläßt, ohne das Ziel - die Formulierung von einheitlichen Standards in der ärztlichen Fortbildung - aus dem Blick zu verlieren.

Das nun vorliegende Konzept entstand in enger Abstimmung mit allen oben genannten Institutionen und Verbänden. Bewußt wurde zum jetzigen Zeitpunkt auf eine ausführliche Bewertung bestimmter Fortbildungsmaßnahmen verzichtet, da es hier für sinnvoll erachtet wird, zunächst Erfahrungen zu sammeln, die dann ja in einen einheitlichen Bewertungsmaßstab münden sollen.

Als Beispiel sei das Selbststudium genannt: Hier denkt man in erster Linie an Fachbücher und Fachzeitschriften. Wenn man jedoch bedenkt, in welch raschem Tempo sich in den letzten Jahren der Wissenstransfer im medizinischen Bereich mit Hilfe von elektronischen Medien entwickelt hat, muß man dieser Entwicklung im Rahmen der Fortbildung natürlich auch Rechnung tragen. Es geht nicht nur um die Wertung der elektronischen Medien im allgemeinen, sondern auch um eine Einschätzung der unterschiedlichen elektronischen Publikationen.

Dies bedeutet, daß die neuen Medien selbstverständlich im Rahmen der Fortbildungsaktivitäten ihren Platz einnehmen, jedoch unbedingt auch Qualitätskriterien für diese Medien formuliert werden müssen - ein Thema, mit dem sich der Deutsche Senat für ärztliche Fortbildung intensiv befaßt. Die Ergebnisse werden in die Leitsätze und Empfehlungen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Fortbildung Eingang finden.

Hiermit, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zur Evaluation von Fortbildungsmaßnahmen: Jeder Arzt kann aus einer außerordentlichen Fülle von Fortbildungsangeboten wählen. Damit er sich gezielt des breiten Angebots bedienen kann, ist eine Evaluation der ärztlichen Fortbildung notwendig, das heißt, sie soll dem Lernenden helfen, seinen Lernbedarf sachgerecht und problemorientiert einzuschätzen.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einen Blick über die Grenzen zu unseren deutschsprachigen Nachbarn nach Österreich und der Schweiz: Im Jahr 1995 wurde vom Vorstand der Österreichischen Ärztekammer das Diplomfortbildungsprogramm als neue Fortbildungsrichtlinie beschlossen. Es handelt sich um ein strukturiertes Fortbildungsangebot auf freiwilliger Basis. Innerhalb von drei Jahren werden 100 Stunden qualitätsgeprüfter und - wie man in Österreich so charmant sagt - "approbierter" Fortbildung absolviert. Von den 100 Stunden sind beim Facharzt 60 Stunden fachspezifisch und 20 Stunden fach-übergreifend abzuleisten, beim Arzt für Allgemeinmedizin 40 Stunden nach eigener Wahl und 60 Stunden aus dem Modulangebot, das heißt eine bestimmte Stundenzahl aus bestimmten Fachgebieten. Das Fortbildungsdiplom ist schildfähig und darf auf dem Ordinationsschild, auf Visitenkarten sowie Briefköpfen geführt werden. Es behält seine Gültigkeit für die Dauer von drei Jahren; in diesem Zeitraum sollen wieder 100 Fortbildungsstunden besucht werden. Kürzlich wurden an 878 Ärzte und Ärztinnen die ersten Diplome verliehen.

Lenken wir nun unseren Blick in die Schweiz: Hier hat die Delegiertenversammlung der Schweizerischen Ärzteschaft am 24. Juni 1998 eine nationale Fortbildungsordnung verabschiedet, die für alle nicht in Weiterbildung stehenden Ärztinnen und Ärzte eine Fortbildungspflicht im Umfang von 80 Stunden jährlich vorsieht, wovon 30 Stunden generell als Selbststudium angerechnet werden. Die Fachgesellschaften sind aufgefordert, für die restlichen 50 Stunden - die sogenannte Basisfortbildung - entsprechende Programme zu erarbeiten, welche die Struktur und die Inhalte der empfohlenen Fortbildungsmaßnahmen festlegen. Auch hier beruht die Fortbildung auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Erste Ergebnisse werden im Jahr 2000 vorliegen.

Natürlich ist auch uns bewußt, daß Sie bei Fortbildungsveranstaltungen von medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften, Berufsverbänden, Ärztevereinen sowie Akademien der Kammern und Kassenärztlichen Vereinigungen bereits sehr viele Erfahrungen auf nationaler und internationaler Ebene gesammelt haben. Diese Erfahrungen sollen in einen gemeinsamen konstruktiven Diskurs mit Ihnen münden, damit wir dann nach einem Zeitraum der Erprobung uns gemeinsam für ein Konzept zur zertifizierten Fortbildung aussprechen können.

Die ärztliche Fortbildung dient der Verbesserung des ärztlichen Handelns und ist damit ein ganz wesentliches Instrument der Qualitätssicherung. Qualitätssicherung und Fortbildung ist eines gemeinsam: Beides kann letztlich nur erfolgreich sein, wenn die Ärzte selber diese Maßnahmen mittragen.

(Beifall)

Dies kann nicht durch Zwang geschehen. Aktive motivierende Mitarbeit ist nur auf Grund überzeugter, freiwilliger Teilnahme langfristig und erfolgreich sicherzustellen. Fortbildung ist kein Selbstzweck. Sie trägt vielmehr dazu bei, die ärztliche Kompetenz zu stärken und zu verfestigen.

Meine Damen und Herren, offensichtlich sind die Überlegungen zur ärztlichen Fortbildung nicht so neu oder originell, wie es manchmal scheint. Ich darf hier auf Johann Wolfgang von Goethe verweisen: Goethe war den Naturwissenschaften zeit seines Lebens zugeneigt. Er hat die Entwicklungen in der Medizin intensiv beobachtet und kommentierend begleitet. Als Staatsminister in Sachsen-Weimar war er darüber hinaus für die Universitäten und damit ganz allgemein für das Bildungssystem zuständig. In einem Brief an den großen zeitgenössischen Arzt Hufeland schreibt er:

Und so muß denn der Arzt sein Leben lang Herz und Hand, Verstand und Charakter fortbilden, damit er ein Ganzes werde und als solcher dem Kranken gegenübertreten kann, der selbst als Ganzer genommen werden will.
Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Karsten Vilmar, Präsident:

Vielen Dank, Herr Eckel, für die Darstellung dieser außerordentlich wichtigen Problematik. Als nächster Referent hat Herr Professor Ekkernkamp das Wort. Bitte, Herr Ekkernkamp.


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