Eröffnungsveranstaltung, Gürzenich der Stadt Köln

Manfred Wolf, Bürgermeister der Stadt Köln:

Frau Ministerin Fischer! Herr Professor Hoppe! Sehr verehrte Damen und Herren! Stellvertretend für den verstorbenen Oberbürgermeister möchte ich Sie sehr herzlich anlässlich des 103. Deutschen Ärztetages im Namen der Stadt Köln begrüßen, der Stadt, die noch Sitz der Bundesärztekammer ist, der Stadt, in der noch in zweijährlichem Rhythmus ihr oberstes Beschlussorgan, der Deutsche Ärztetag, tagt.

Ein Grußwort sollte frei sein von irgendwelchem Missklang, so auch hier. Doch ich möchte in den festlichen Akt Ihrer Beratungen einige sorgenvolle Gedanken einfließen lassen.

Als Bürgermeister der Stadt Köln kann ich nicht umhin, Ihnen neben den uneingeschränkt herzlichen Grüßen der Stadt zugleich auch deren Enttäuschung über den geplanten Umzug der Bundesärztekammer nach Berlin zu überbringen. Durch die Beschlüsse zur Umsiedlung werden Fakten geschaffen, die der guten Absicht des Berlin/Bonn-Gesetzes zuwiderlaufen. Dies ist umso bedauerlicher, als die Bundesregierung im Geschäftsbereich des Gesundheitsministeriums ihren Part dieser Regelung umsetzt, wie die 1999 erfolgte Verlagerung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nach Bonn zeigt, dem kürzlich die Bundesopiumstelle folgte.

Aber der nun durch die Umzugsbeschlüsse der Bundesärztekammer ausgelöste Dominoeffekt bringt unseres Erachtens die Gefahr mit sich, dass auch andere sich nicht mehr an die Vereinbarungen halten und dass früher oder später eine so nicht gewollte Schwächung der Region Bonn/Köln erfolgen wird. Insofern beobachtet nicht nur die Stadt Köln, sondern die gesamte Region die Entwicklung mit wachsender Sorge.

Nun aber genug der sorgenvollen Gedanken. Das ist ja ohnehin eine sehr schwierige Zeit, in der Sie zum Wohle aller Beschlüsse fassen müssen. Die Schwierigkeiten, in denen sich unser hoch entwickeltes und leistungsfähiges Gesundheitswesen befindet, werden auch von den Kommunen zunehmend verspürt. Die Kreise und Städte, die ja die bürgernächste politische Ebene darstellen, werden sich mehr und mehr ihrer eigenen verschiedenen Rollen im Gesundheitswesen bewusst. Zum einen sind Kommunen selbst Träger von Krankenhäusern und erleben in dieser Rolle schmerzlich die mit einer angemessenen Versorgung kranker Menschen oft kaum mehr vereinbaren finanziellen Engpässe. Zugleich tragen sie in dieser Rolle ihre Verantwortung, zum Beispiel bei der Umsetzung gesetzlicher Arbeitszeitregelungen. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass da einiges im Argen liegt.

Zum anderen sind die Kommunen zumeist Träger des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Es wird zunehmend deutlich, dass Umfang und Qualität der Leistungserbringung in der GKV-finanzierten ambulanten und stationären PatientenVersorgung unmittelbare Auswirkungen auch auf die Anforderungen an die dritte Säule des Gesundheitswesens haben. Je mehr Lücken sich im Regelsystem auftun, umso mehr subsidiäre oder komplementäre Leistungen müssen öffentlich erbracht und unmittelbar aus Steuern finanziert werden. Ich denke hier zum Beispiel an die medizinische Versorgung von Wohnungslosen und anderen Bevölkerungsgruppen, die vom Regelsystem nicht ausreichend versorgt werden, oder auch an die Substitutionsbehandlungen abhängig kranker Patienten.

Letztlich muss sich die Kommune im Rahmen ihrer Pflicht zur Daseinsvorsorge für ihre Bürgerinnen und Bürger auch im Bereich der medizinischen GrundVersorgung mehr und mehr engagieren. Schließlich sind die Kommunen über die Beihilfe und mehr noch über die Sozialhilfe vielfach Kostenträger medizinischer Leistungen. In dieser Funktion verspüren auch sie, dass eine immer leistungsfähigere Medizin ihren immer schwerer zu zahlenden Preis hat.

Insofern wird auch die kommunale Ebene von manchen Ihrer Beschlüsse teils unmittelbar, teil mittelbar berührt. In Nordrhein-Westfalen wird der Bedeutung einer konsensgetragenen ortsnahen Regelung auch von Fragen der medizinischen Versorgung seit 1998 dadurch Rechnung getragen, dass die am Gesundheitswesen vor Ort maßgeblich Beteiligten sich aufgrund gesetzlicher Regelungen in kommunalen Gesundheitskonferenzen zusammenfinden. Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass dies dort recht erfolgreich gelingen kann, wo Ärzteschaft und andere Leistungserbringer mit Kostenträgern, freier Wohlfahrtspflege, Selbsthilfeeinrichtungen und, last, but not least, kommunalen Vertretern vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Auf der Tagesordnung Ihres 103. Deutschen Ärztetages stehen, so habe ich gelesen, neben der aktuellen gesundheits- und sozialpolitischen Lage schwerpunktmäßig Fragen der ärztlichen Berufsordnung, der Weiterbildung und der ärztlichen Zusammenarbeit in Europa. Vor allem bei dem letzten Punkt dürfte Ihnen das Interesse einer breiten Öffentlichkeit sicher sein. In einem weiter zusammenwachsenden Europa muss natürlich auch die Frage der ärztlichen Versorgung übernational und Europaweit geregelt werden. Dabei habe ich den Eindruck, dass die Grenzen einer europäischen GesundheitsVersorgung weniger im ärztlichen Handeln liegen, so notwendig auch hier Harmonisierungsmaßnahmen unter anderem bei der Aus-, Weiter- und Fortbildung sein mögen, als vielmehr in den ganz unterschiedlichen Versicherungs- und Finanzierungssystemen.

Fragen der Berufsordnung und Weiterbildung stoßen beim interessierten Laien sicher in geringerem Maße auf Aufmerksamkeit, obwohl sie durchaus viel mit der Qualität ärztlichen Handelns zu tun haben. Für die Kommunen ist die ärztliche Weiterbildung natürlich von Interesse. Sie müssen nämlich den von ihnen getragenen Krankenhäusern Weiterbildungsstellen in genügender Zahl vorhalten, was bei knapper werdenden Budgets zunehmend wieder auf Schwierigkeiten stößt.

Auch in einem zahlenmäßig sicher wenig spektakulären, inhaltlich aber umso wichtigeren Gebiet werden die Kommunen die Entwicklung mit zunehmender Aufmerksamkeit verfolgen: im Gebiet öffentliches Gesundheitswesen. Hier gibt es für die ÖGW-spezifische Weiterbildungszeit allenfalls Ergänzungen, aber keine Alternativen zu kommunal zu schaffenden Weiterbildungsstellen. Auch dies wird nur mit erheblichen Anstrengungen zu bewältigen sein.

Ich hoffe, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Sie neben Ihren Beratungen und berufspolitischen Entscheidungen auch Zeit und Muße finden, die Stadt, in der Sie tagen, etwas zu genießen. Eben wurde schon von den romanischen Kirchen gesprochen. Ich glaube, diese Stadt hat für jeden Geschmack etwas.

Ich wünsche dem 103. Deutschen Ärztetag einen guten Verlauf und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)


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