Eröffnungsveranstaltung, Gürzenich der Stadt Köln

Cornelia Prüfer-Storcks, Staatssekretärin im Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen:

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Professor Hoppe! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr, Ihnen in Vertretung des Ministerpräsidenten dieses Landes und der Landesgesundheitsministerin, Birgit Fischer, die herzlichen Grüße der Landesregierung ausrichten und ein Grußwort zur Eröffnung des Ärztetages hier in Köln sprechen zu dürfen.

Beide haben mich ausdrücklich gebeten, Ihnen auszurichten, dass die Landesregierung Nordrhein-Westfalen sich sehr freut, dass Köln der Sitz der Bundesärztekammer ist, und dass die Landesregierung sich freuen würde, sich noch lange freuen zu können.

(Beifall - Heiterkeit)

Auch wenn sicherlich das Thema Gesundheitsstrukturreform in den nachfolgenden Reden keine unbedeutende Rolle spielen wird, kann ich es natürlich nicht lassen, zunächst einige Ausführungen dazu zu machen. Sie werden gesehen haben, dass das Schild Deutscher Ärztetag eine Tendenz nach unten hat. Ich habe mir fest vorgenommen, es nicht als Zeichen Ihrer besonderen Missbilligung meinen Ausführungen gegenüber zu nehmen, falls es während meines Vortrags ganz abrutschen sollte.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur GKV-Reform und später mit Abstrichen auch das Gesetz standen ja sehr stark unter massiver Kritik der Leistungsanbieter, allen voran der deutschen Ärzteschaft und der Interessenvertreter der Krankenhäuser. Weiteres dazu zu sagen hieße, Eulen nach Athen zu tragen.

Ich will aber für die Landesregierung sagen, dass auch das, was dann noch verabschiedet werden konnte - warum nicht mehr ging, ist Ihnen allen bekannt -, meiner Meinung nach durchaus kein Torso ohne Wert ist, sondern wichtige Reformschritte enthält, die jetzt allerdings mit Leben zu erfüllen sind. Neben notwendigen Leistungsverbesserungen ist das in meinen Augen auch die verpflichtende Einführung interner und externer Qualitätssicherungsmaßnahmen. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung und Sicherung der Qualität der Medizinischen und ebenso der pflegerischen Leistungen. Ich glaube, dass es vor diesem Hintergrund auch gilt, die aktuelle Debatte um Erfolgshonorare vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen.

Worum es dabei ernsthaft nur gehen kann, ist doch, an anerkannten Leitlinien und an ErgebnisQualität orientiertes ärztliches Handeln entsprechend mit Vergütungsgrundlagen in Einklang zu bringen. Das hat nichts mit Skandal zu tun, wie vom Hartmannbund zu vernehmen war, oder gar mit einem Schlag ins Gesicht der Patienten, so der frühere Bundesgesundheitsminister Seehofer, sondern das beschreibt einen Prozess, dem sich in Wahrheit auch die verfasste Ärzteschaft längst geöffnet hat. Ich verweise auf die Vorstellungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur neuen Vergütungsordnung. Es geht hier also nicht um einen populistischen Schlagabtausch in der Öffentlichkeit, sondern ich glaube, es geht um ein Mehr an methodischen und sachlichen Standards für ärztliches Handeln.

Dass die Reaktionen auf den Vorstoß so heftig ausfielen, lag sicher auch daran, dass der Vorschlag nicht unbedingt geschickt platziert war. Er teilt da allerdings das Schicksal anderer Vorstöße in der Gesundheitspolitik in der letzten Zeit.

(Beifall)

Ich will noch einmal die aus meiner Sicht wichtigsten Eckpfeiler der Gesundheitsreform, die den größten Fortschritt unseres Gesundheitswesens darstellen, nennen: Das ist der Übergang zu einer leistungsorientierten Vergütung in der Krankenhauslandschaft, das ist die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung und das ist die Stärkung der hausärztlichen Versorgung. Der Ausbau der integrierten Versorgung unter der Maxime ambulant vor stationär ist nicht nur im Sinne der betroffenen Patienten, sondern eröffnet auch den Leistungsanbietern neue Zukunftschancen.

Ich denke aber, dass ungeachtet dieser Fortschritte auch weitere Reformschritte notwendig sind, um unser Gesundheitswesen mittel- und langfristig zu stabilisieren. Die Finanzrisiken der gesetzlichen Krankenversicherung sind nicht zu leugnen. Ich glaube aber nicht, dass diese Risiken dadurch in den Griff zu bekommen sind, dass ständig mehr Geld ins GKV-System gepumpt wird. Beitragsgerechtigkeit ist da durchaus ein anderes Thema. Wir geben in Deutschland bereits heute von allen europäischen Ländern den größten Anteil am volkswirtschaftlichen Gesamtprodukt für das Gesundheitswesen aus. Wir geben aber offensichtlich zu viel in einzelnen Versorgungsbereichen und zu wenig in anderen Bereichen aus. Deshalb bleiben für mich vor allem Regelungen zur umfassenden Krankenhausreform und zur Herstellung von mehr Leistungs- und Datentransparenz für alle Beteiligten in der gesetzlichen Krankenversicherung notwendig. Ich setze darauf, dass nach der Sommerpause der Weg für eine umfassende, partei- und seitenübergreifende Diskussion über die weiter notwendigen Reformschritte frei ist.

Ich will dabei eines für die Landesregierung Nordrhein-Westfalen deutlich machen. Der früher einmal eingeschlagene Weg einer Finanzierung des Wachstums im Gesundheitswesen einseitig über pauschale Leistungsausgrenzungen und über Zuzahlungserhöhungen ist in meinen Augen einfallslos und sozialpolitisch inakzeptabel.

Wir geben auch deshalb so viel Geld für Gesundheit aus, weil wir so viele Ärzte haben.

(Widerspruch)

- Es war offenbar doch mutig, das zu sagen, obwohl mir sowohl Herr Professor Hoppe als auch der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in dieser Äußerung vorangegangen sind. Beide haben kürzlich darauf hingewiesen, dass wir zu viele Mediziner haben, dass wir an unseren Universitäten mehr Mediziner ausbilden als die USA für ihre dreimal so große Bevölkerung.

(Vereinzelt Beifall - Widerspruch - Zurufe)

Die zwingend erforderliche Reform des Medizinstudiums ist ein Thema, das uns seit Jahren gemeinsam beschäftigt. Es war schon einmal gelungen, einen Konsens herzustellen: zwischen dem Medizinischen Fakultätentag, der Hochschulrektorenkonferenz, den medizinischen Fachgesellschaften, der Bundesärztekammer und den Gesundheitsministern und -ministerinnen der Länder. Dabei waren sich alle Beteiligten einig, dass eine nachhaltige Qualitätsverbesserung der Ausbildung nur mit einer maßvollen Senkung der Studentenzahlen erreicht werden kann.

Die Konferenz der Kultusminister der Länder hat die Novellierung der Approbationsordnung im Grundsatz begrüßt, den weiteren Fortgang des Verfahrens aber blockiert. Streitpunkte sind die Verringerung der Gruppengröße bei Untersuchungen am Krankenbett und bei Patientendemonstrationen sowie die damit einhergehende Senkung der Studentenzahlen um circa 20 Prozent. Würde den Vorstellungen der Kultusseite gefolgt, dann müssten die seit Jahren von der Ärzteschaft und der Gesundheitsministerkonferenz formulierten Ziele aufgegeben werden, nämlich ein verstärkter Unterricht am Krankenbett als zentrales praxisbezogenes Ausbildungsinstrument und die Einbindung klinischer Inhalte bereits in der ersten Ausbildungsphase. Die Gesundheitsministerkonferenz hält nach wie vor an diesen Zielen fest und hat die Kultusseite dringend gebeten, hier Lösungswege aufzuzeigen und das derzeitige Kapazitätsrecht zu ändern. Ich begrüße es deshalb, dass demnächst ein Gespräch zwischen der Bundesgesundheitsministerin, der Gesundheitsministerkonferenz und der Kultusseite zustande kommen wird, bei dem Kompromisswege ausgelotet werden sollen.

Das Überangebot an jungen Medizinerinnen und Medizinern wird - darauf ist schon hingewiesen worden, auch Professor Hoppe hat dies verschiedentlich angesprochen - von vielen Kliniken dazu benutzt, Ärztinnen und Ärzte unter Umgehung der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften zu beschäftigen. Seit 1996 gilt das Arbeitszeitgesetz auch für die Krankenhäuser. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat in Modellvorhaben erproben lassen, wie die Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes unter den besonderen Bedingungen des Gesundheitswesens umgesetzt werden können. Klar ist: Es geht. Aber es hat sich auch gezeigt: Zu viele Ärztinnen und Ärzte konkurrieren um Weiterbildungsstellen und schlucken deshalb - um in diesem Metier zu bleiben - fast jede bittere Pille. Sie nehmen weitgehend klaglos unbezahlte Überstunden und 36-Stunden-Schichten in Kauf, um ihre Facharztausbildung erfolgreich abschließen zu können. Die Arbeitsschutzämter sind naturgemäß nicht in der Lage, alle Krankenhäuser ständig zu überwachen. Sie sind auf Hinweise angewiesen, die verständlicherweise am wenigsten von denen kommen können, die von diesen Missständen betroffen sind, aber auch die schwächste Position im Krankenhaus haben. Ich appelliere deshalb auch an Sie, Verstöße gegen die Arbeitszeitvorschriften der Arbeitsschutzverwaltung zu melden. Sie wird ihnen umgehend nachgehen.

(Vereinzelt Beifall - Widerspruch)

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf das Thema eingehen, das ich schon am Anfang gestreift habe und das für die Landesregierung Nordrhein-Westfalen naturgemäß von besonderer Bedeutung ist. Wir haben hier schon gehört: Der diesjährige Ärztetag wird sich mit einer möglichen Verlagerung des Sitzes der Bundesärztekammer nach Berlin befassen. Es wird Sie nicht überraschen, wenn ich sage, Sie sollten das nicht beschließen. Aber für mich gibt es keinesfalls nur regionale Interessen, sondern durchaus auch handfeste funktionale und ökonomische Gründe für ein Festhalten am bisherigen Sitz.

Mit dem Berlin/Bonn-Gesetz hat der Bund sich ausdrücklich selbst verpflichtet, politische Staatsfunktionen, gerade im Politikbereich Gesundheit, in der Region Köln/Bonn zu erhalten und zu fördern. Um das in Bonn verbleibende Bundesgesundheitsministerium herum hat der Bund mit mehreren Behörden - auch die Bundesopiumstelle gehört dazu, wie ich heute gelernt habe - ein Netzwerk gesundheitspolitischer Institutionen gebildet, in das die Bundeskammern der Heilberufe und die Spitzenverbände der Krankenkassen hervorragend passen. Im Zuge einer zunehmenden Bedeutung europäischer Gesundheitspolitik ist vielleicht die Nähe zu Brüssel ein weiteres Argument.

Mit dem erklärten Wegzug erster Spitzenorganisationen aus dem Gesundheitsbereich besteht die große Gefahr eines Rutschbahneffektes, durch den die gesetzlich festgeschriebene Absicht von Bundestag und Bundesrat, den Politikschwerpunkt Gesundheit im Großraum Bonn zu erhalten, sukzessive leer läuft. Außerdem würde der Wegzug aus dem Köln/Bonner Raum die bisher einfache, weil ortsnahe Zusammenarbeit der Bundesärztekammer mit anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens erschweren oder zumindest verteuern, was sich möglicherweise auch durch steigende Kammerbeiträge der Landesärztekammern ausdrücken könnte.

(Vereinzelt Lachen)

Zu den rechtlichen Fragen gibt es mittlerweile eine Reihe von Gutachten, auf die ich nicht näher eingehen will. Auch die Haltung einzelner Ärztekammern und des Bundesgesundheitsministeriums ist bekannt.

Ich appelliere an Sie, sich der Vorteile des bisherigen Sitzes in Köln bewusst zu bleiben und nicht vorschnell für eine Satzungsänderung zu stimmen.

In diesem Sinne wünsche ich dem diesjährigen Ärztetag einen guten Verlauf. Dem übernächsten wünsche ich, dass er wieder in Köln stattfindet. Ich würde mich allerdings übernehmen, wenn ich Ihnen dafür schon jetzt so gutes Wetter wie heute garantieren würde.

Vielen Dank.

(Beifall)

(Musikalisches Zwischenspiel: "Forellenquintett", Andante)


© 2000Bundesärztekammer; entwickelt von EL-ZORRO TEAM98 als MediDesk