Top I: Gesundheits- und Sozialpolitik

Wir treten ein in die Aussprache zu Tagesordnungspunkt I: Gesundheits- und Sozialpolitik

Es liegen zu diesem Tagesordnungspunkt drei Entschließungsanträge des Vorstands der Bundesärztekammer vor. Die Ärztetags-Drucksache I-1 trägt die Überschrift "Ein freies und soziales Gesundheitswesen ist der beste Patientenschutz". Die Ärztetags-Drucksache I-2 beschäftigt sich mit dem Thema "Fortentwicklung der Patientenrechte - Selbstverwaltungsgremien". Die Ärztetags-Drucksache I-3 trägt die Überschrift "Fortentwicklung der Patientenrechte - Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen".

Sie haben sicher bemerkt, dass zwischen den Auffassungen von Frau Ministerin Fischer und ihrem Hause und unseren Meinungen nach wie vor erhebliche Differenzen bestehen, sodass nach wie vor mit einer gesundheitspolitischen Debatte in kontroverser Form zu rechnen ist. Das muss nicht im Streit geschehen, sondern kann in einer kontroversen Diskussion, die auf Konsens orientiert ist, ausgetragen werden. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir diese Anträge hier beraten und verabschieden, damit wir in dieser Beziehung die Weichen gestellt haben.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Dr. Flenker, dem Präsidenten der Ärztekammer Westfalen-Lippe, das Wort.

Dr. Flenker, Vorstand der Bundesärztekammer:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu meiner großen Überraschung habe ich den Wettlauf gegen Ellis Huber gewonnen und stehe heute als erster Redner am Rednerpult.

(Beifall)

Wir haben heute Morgen im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung zwei Reden von Vertreterinnen der Politik gehört. Frau Staatssekretärin Prüfer-Storcks aus Nordrhein-Westfalen hängt tatsächlich dem Traum nach, es gebe noch wesentliche Wirtschaftlichkeitsreserven in unserem Gesundheitssystem. Dabei hat bereits Herr Seehofer festgestellt: Die Zitrone ist endgültig ausgepresst; aus der Schale kommt kein Zitronensaft mehr. Wenn man einen Ginfizz ohne Zitronensaft trinken will, bleibt purer Gin übrig. So ähnlich sieht es mit dem Gesundheitswesen aus.

Wir haben heute Vormittag eine Bundesgesundheitsministerin erlebt, die viel ruhiger, viel gelassener, viel freundlicher war als in Cottbus. Sie hat uns meiner Auffassung nach wenig Neues, wenig Zukunftsweisendes vorgetragen. Es ist doch erstaunlich, dass vier Monate nach Inkrafttreten eines Gesetzes, das von Frau Fischer als "Jahrhundertwerk" bezeichnet worden ist, das aber in Wirklichkeit, wie unser Präsident ausführte, einen Reformtorso darstellt, erheblicher Reparaturbedarf besteht. Dies rührt daher, dass dieses Gesetz nicht zukunftsweisend, nicht fortschrittlich ist, sondern mit den verbrauchten Elementen einer 20-jährigen Kostendämpfungspolitik arbeitet.

Ein Gesetz, das sich der Orientierung am Patienten verschrieben hat, muss unter dem Diktat der Beitragsstabilität geradewegs Kurs nehmen auf eine Rationierungs- und Zuteilungsmedizin. Ich glaube, dass die Rationierung bei uns heute kein Drohinstrument mehr ist, sondern in der medizinischen Versorgung bereits Realität.

(Beifall)

Ich glaube, ein wirklich zukunftsweisendes Gesetz - es besteht ja die Hoffnung, dass wir nach der Sommerpause über ein neues "Jahrhundertgesetz" nachdenken - muss die ganz zentrale Frage der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung in Angriff nehmen. Nur dann, wenn diese Frage zufrieden stellend beantwortet wird, wird das System der sozialen Krankenversicherung in Deutschland zukunftsfähig sein. Ich bin überzeugt, im Hinblick auf die Finanzierung müssen wir uns von der herkömmlichen Form der Lohnbezogenheit lösen. Die strukturelle Arbeitslosigkeit, fast 4 Millionen Arbeitslose und Veränderungen in der Arbeitswelt und den Berufskarrieren führen zwangsläufig dazu, dass die Lohnbezogenheit kein geeignetes Mittel mehr darstellt, um die Finanzierung dieses Systems sicherzustellen.

Leider ist meine Redezeit abgelaufen. Ich werde mich nachher noch einmal zu Wort melden.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank. - Bevor Herr Thomas zu Wort kommt, begrüße ich das Ehrenmitglied des Vorstands der Bundesärztekammer, Herrn Professor Sewering, ferner Herrn Professor Bourmer und Herrn Dr. Hess, den Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

(Beifall)

Außerdem begrüße ich Herrn Dr. Alan Rowe, der aus Großbritannien zu uns gekommen ist und seit gestern Träger des Ehrenzeichens der deutschen Ärzteschaft ist. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächster Redner bitte Herr Thomas.


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