Top I: Gesundheits- und Sozialpolitik

Dr. Huber, Berlin:

Herr Präsident, wenn Sie mich rechtzeitig warnen, dass die Redezeit abgelaufen ist, bin ich ganz zufrieden.

Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Heiterkeit)

Die starken Reden sind schon vielfach gelobt worden. Ich könnte mich dem anschließen, aber ich weiß auch Folgendes: Starke Reden klingen gut, aber die Probleme, die der Alltag so mit sich bringt, werden damit nicht gelöst. Stellen Sie sich einmal vor, es gäbe einen Gesundheitsminister oder eine Gesundheitsministerin, der bzw. die alles erfüllt, was in dem Entschließungsantrag des Vorstands gefordert wird. Wären damit die Probleme, die diese Gesellschaft mit ihrem Gesundheitswesen und mit dem sozialen Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft hat, besser gelöst?

(Zuruf: Ja!)

Ich glaube, etwas mehr Selbsterkenntnis täte auch der deutschen Ärzteschaft gut.

Es steht außer Frage, dass wir in Deutschland die höchsten Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung für das Gesundheitswesen haben. Die Frage nach mehr Geld kann redlicherweise nur dann gestellt werden, wenn wir uns gleichzeitig fragen: Wie machen wir es künftig anders? Wir alle wissen ja: So wie bisher kann es nicht weitergehen.

Ich habe auch nichts dagegen, wenn man fröhlich über die virtuellen Betriebskrankenkassen mit ihren geringen Beiträgen schimpft, aber nicht zur Kenntnis nehmen will, dass die BKK für Heilberufe die Kasse mit den größten Wachstumsraten ist. Viele Angestellte aus den Praxen und den medizinischen Einrichtungen wechseln dorthin, weil es preiswerter ist.

Wenn Solidarität und Subsidiarität praktiziert werden sollen, brauchen auch wir in der Ärzteschaft neue Konzepte. Ich habe immer erklärt, dass es hierzu nur drei Wege gibt. Der eine Weg besteht darin, dass wir als Ärzte mit unserer Indikationsmacht den Krankenkassen untergeordnet und damit entmachtet werden. Der zweite Weg ist, dass wir die ökonomische Verantwortung für das Gesundheitswesen insgesamt übernehmen; denn das brauchen die Menschen unter den Schlagworten von Globalisierung, Digitalisierung und flexiblen Arbeitnehmern. Die Menschen brauchen eine soziale Institution, die die Gemeinschaften zusammenhält. Wer, wenn nicht das Gesundheitssystem, muss und kann das realisieren? Wenn wir das wollen, müssen wir allerdings bereit sein, etwas mehr an ökonomischer Verantwortung zu übernehmen.

Eines muss in aller Schärfe gesehen werden: Ein Honorarsystem, das ärztliche Entscheidungen mit Geldflüssen zugunsten des Arztes verknüpft, oder ein Honorarsystem, das Indikationsentscheidungen für die Medizin im Krankenhaus mit Geldflüssen verknüpft, wirkt nachhaltig korrumpierend und kann deshalb nicht funktionieren.

Da das "Parlament der deutschen Ärzteschaft" allein nicht in der Lage ist, die vorhandenen Probleme zu lösen, wird es vom 1. bis 3. Juni eine Konkurrenz bekommen. Das "1. Deutsche Gesundheitsparlament" mit Repräsentanten und Delegierten der Nichtregierungsorganisationen, der freien Träger und der Selbsthilfegruppen schickt sich an, eine gesundheitspolitische Programmatik zu formulieren, die den Ärztinnen und Ärzten im Lande helfen wird, ihre soziale Aufgabe und Funktion besser wahrzunehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank, Herr Huber. - Als nächster Redner bitte Herr Zimmer.


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