Top I: Gesundheits- und Sozialpolitik

Zimmer, Nordrhein:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Ihrer gourmet-rhetorischen Leistung jetzt aufgrund meines eigenen Antrags Fast Food: Für mich ist nach wie vor die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland bei sicherlich höheren Kosten als im Durchschnitt Europas ein gern gesehener Versicherungszustand für die Menschen in Europa. Dies möchte ich hier zunächst einmal festhalten. Es ist auch für Personen aus Griechenland, Italien oder Portugal ein erstrebenswerter Zustand, in Deutschland versichert zu sein. So schlimm kann es hier also nicht sein.

Für mich ist die gesetzliche Krankenversicherung ein wunderschönes hohes Gebäude mit einer Top-Aussichtsplattform. Man sieht die gesamte Landschaft unter sich. Das Problem der oben Sitzenden - das sind alle Beitragszahler, die jung und gesund sind - besteht darin, dass sie dann, wenn sie für sich oder ihre Angehörigen plötzlich in die Niederungen hinabsteigen müssen, weil sie Rollstühle oder Inkontinenzartikel brauchen, feststellen, dass es in diesem Unterbau eiskalt zugeht und alles fürchterlich lange dauert oder es lichterloh brennt: Es brennt lichterloh, es wird eine operative Hektik entwickelt, ohne dass etwas geschieht.

Für mich ist im Moment dieser Staat mit seiner gesetzlichen Krankenversicherung dadurch gekennzeichnet, dass er eine Spaltung in beitragszahlende Gesunde einerseits und Kranke andererseits zunehmend verschärft hat. Es entwickelt sich ein Zustand, in dem sich auf der einen Seite ein auf Beitragssenkung ausgerichteter Zug bewegt, während auf der anderen Seite wir uns mit den kranken und leistungsbedürftigen Menschen auf einer Draisine bewegen. Das Ergebnis wird ein Totalzusammenstoß sein, wenn wir nicht begreifen, dass Solidarität bei der Versorgung Kranker auch bedeutet, dass wir mit den Kranken in den Praxen darüber reden, warum sie überhaupt noch Beiträge zahlen.

Ich habe aus meiner hausärztlichen Tätigkeit den Eindruck, dass es durchaus eine Gruppe von Menschen gibt, die schon lange nicht mehr verstehen, warum sie Beiträge zahlen. Diese Haltung wird dadurch verstärkt, dass gerade diejenigen, die 30 oder 40 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, jetzt an einem Punkt angelangt sind, an dem sie selber mehr Leistungen benötigen, als sie zunächst durch ihre Beiträge abdecken. Sie befinden sich in einer katastrophal entwürdigenden Situation.

Genau dies sollten wir uns vor Augen führen, wenn wir in den Praxen zukünftig Diskussionen darüber führen. Wir sollten den Patienten nicht genau dies vortragen, denn sie können nichts dazu. Wir sollten als Ärzte miteinander reden, wie wir besser durch eine gezielte Kommunikation, durch ein gezieltes Miteinander am Patienten arbeiten können, um Kosten sparend die Patienten gut anzuleiten. Damit dienen wir auch unserem eigenen Überleben als Berufsstand. Wir sollten als freier Beruf nicht so enden, wie es zum Teil in den Krankenhäusern schon der Fall ist: weisungsgebunden und möglichst an der Eingangspforte darauf achtend, dass nicht zu viele Kosten treibende Fälle ins Krankenhaus gelangen. Diese Patienten sollten keine Odyssee durch eine Großstadt machen müssen, um irgendwo Unterschlupf zu finden, wo noch eine Lücke im Budget besteht.

Ich denke, das ist eine Situation, die wir uns als Ärzte nicht leisten können. Ich hoffe, wir finden heute in dieser Hinsicht Lösungen.

Ich danke.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank, Herr Zimmer. - Als nächster Redner bitte Herr Seeger.

Dr. Seeger, Hessen:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht mir um den Komplex der genetischen Diagnostik.

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Das möchten wir später behandeln. Ich darf Sie dann noch einmal aufrufen. Danke schön.

Als nächster Redner bitte Herr Pickerodt.


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