Top I: Gesundheits- und Sozialpolitik

Dr. Pickerodt, Berlin:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann vielem, was der Herr Präsident während der Eröffnungsveranstaltung gesagt hat, zustimmen. Das war in der Vergangenheit keineswegs so; insofern ist diese Aussage für mich ein Novum.

Ich sehe eine Anhebung des Diskussionsniveaus beispielsweise hinsichtlich dessen, was die Finanzierung der Gesundheitskosten angeht. In Eisenach kam vor drei Jahren nur der Vorschlag, eine höhere Zuzahlung der Patienten vorzusehen. Sonst kam eigentlich nichts.

Jetzt sind wir so weit, dass die Gesundheitsministerin sehr interessante Vorschläge in der Öffentlichkeit unterbreitet, beispielsweise auch Kapitaleinkünfte zur Finanzierung des Gesundheitswesens heranzuziehen. Der Herr Präsident hat erkannt, dass die finanziellen Probleme des Gesundheitswesens auch etwas mit der sinkenden Lohnquote in unserem Lande zu tun haben. Diese Erkenntnisse sind sehr erfreulich.

Wenn uns auf der anderen Seite die Gesundheitsministerin sagt - damit beschreibt sie die Realität -, dass es in Deutschland nicht nur eine UnterVersorgung, sondern auch eine ÜberVersorgung und eine FehlVersorgung gibt, dann ist dies eigentlich ein Allgemeinplatz. Jeder weiß beispielsweise durch die Verlautbarungen der radiologischen Fachgesellschaften, dass etwa die Hälfte der Röntgenuntersuchungen unsinnig oder überflüssig sind. Es sind aber doch wir Ärzte, die diese Über- und FehlVersorgung veranlassen. Es sind ja nicht die Kassen oder die Politiker, die solche unnötigen Untersuchungen veranlassen.

Es geht mir um Folgendes: Wir Ärzte sind zum großen Teil am Vorhandensein der Problematik beteiligt. Wenn unser Präsident erklärt, die Budgetierung führe zur Rationierung, dann sieht er dies ganz offensichtlich zu kurz. Es gibt auch andere Probleme, die wir selbst lösen könnten und bei denen wir uns anstrengen müssten.

Der Präsident hat auch zum Arbeitszeitgesetz Stellung genommen. Natürlich hat er in vielem, was er sagt, Recht. Aber es sind doch Ärzte, die verhindern, dass diese Millionen von Überstunden, von denen Herr Hoppe gesprochen hat, vergütet werden können oder überhaupt registriert werden. Das liegt an den Chefärzten.

Ähnliches gilt für die hausärztliche Versorgung. Dort sind es ebenfalls Ärzte - zumindest im Klinikbereich -, die verhindern, dass das sehr gute Programm zur Förderung der Allgemeinmedizin realisiert werden kann.

Ich appelliere an uns alle, nicht nur zu blockieren, sondern konstruktiv die Defizite aufzuarbeiten, die wir selber verursachen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank, Herr Pickerodt. - Als nächster Redner bitte Herr Kollege Kaplan.


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