Top I: Gesundheits- und Sozialpolitik

Dr. Schilling, Berlin:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erinnere mich immer gern an den Ausspruch von Rudolf Virchow, den großen Politiker und Mediziner, der einmal erklärte, als er einem säumigen Zahler vorhielt, dass er die Rechnung nicht beglichen hat: Komme er mir nicht mit Ethik, er will nur nicht bezahlen! Genauso könnten wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Politik und den Krankenkassen gegenüber argumentieren. Die Ärzteschaft braucht ein neues Selbstbewusstsein. Die Ärzteschaft muss ihre Position neu definieren und selbst tätig werden, statt auf Vorgaben von Politik und Kassen zu reagieren.

Die Probleme des Gesundheitswesens liegen nicht in unserem Fehlverhalten begründet. Wer den Patienten die Entscheidungsvollmacht über die Ressourcen des Gesundheitswesens mithilfe der Chipkarte überlässt, muss auch für die damit verbundenen Kosten aufkommen. Wer den offensichtlichen Missbrauch der Versicherten hinsichtlich der Chipkarte aus Unwissenheit oder aus Eigennutz zulasten der Gesamtheit der Versicherten als integralen Bestandteil des Systems begreift, muss ebenfalls für die Kosten aufkommen. Wer zudem die Beiträge der Versicherten als Verschiebemasse im Staatshaushalt einplant, braucht sich über eine finanzielle Unterdeckung nicht zu wundern. 150 Milliarden DM werden jährlich als Fremdleistung bzw. als Verschiebemasse in den Staatshaushalten von den Versichertenbeiträgen ausgegeben.

Darüber hinaus müssen sich die Verantwortlichen von Kassen - Ellis Huber - und von Politik fragen lassen, ob sie denn selbst den hohen moralischen Anforderungen genügen, die sie an uns Ärzte stellen. Wir brauchen eine Ärzteschaft, die selbstbewusst auch für eine anständige Bezahlung eintritt, so wie sie es schon immer getan hat. Gute Medizin und angemessene Bezahlung gehen Hand in Hand. Der gute Samariter ist die Ausnahme und nicht die Regel. In diesem Sinne wollen wir offensiv und ohne falsche Scham für unsere Rechte eintreten - Rechte, die in unserem Staat ganz selbstverständlich jede andere Berufsgruppe für sich in Anspruch nimmt.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank, Herr Schilling. - Als nächster Redner bitte Herr Ikonomidis aus Bayern.


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