Top III: Ärztliche Arbeit und Zusammenarbeit in Europa

Dr. Huber, Berlin:

Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag III-1 ist hervorragend; man kann ihm nur zustimmen. Aber Europa verändert sich und damit auch uns, unsere Ärzteschaft und unser Land. Sie finden auf Ihren Notizblöcken das Bild des Kölner Doms. Vor 1 000 Jahren befand sich Europa in einer vergleichbaren Situation wie heute: Die Menschen waren unsicher, ob die Welt untergeht. Staatsgewalten zerbrachen, die Kirchen hatten nicht mehr den Wert, den man ihnen zumaß. Siehe da: Als die Welt nicht unterging, kam wie ein Lauffeuer die Zeit der Kathedralen. In der Kathedrale fanden die Gemeinwesen in Europa ein gemeinschaftsstiftendes Symbol. Sie waren ein Ort, an dem die Gemeinschaft zusammengehalten wurde. Der Kölner Dom ist die letzte fertig gestellte Kathedrale in Europa. Sie wissen selbst, welche Bedeutung er für dieses Gemeinwesen hat.

Gottesdienst und Gerichtsverhandlungen - Kirche und Staat trafen sich in der Kathedrale ebenso wie die Bürgerschaft, die einfachen Leute und die Künstler. Man fand in diesem Bau einen Sinn für das gemeinsame Leben jenseits des individuellen Egoismus. Ich lade Sie ein, die europäische Vision mit zu realisieren. Das Gesundheitssystem mit seinen sozialen Werten, mit seiner Grundsatzorientierung hat die Chance, zur säkularen Kathedrale des nächsten Jahrtausends zu werden. Wir müssen dann aber bereit sein, große Teile dieses Systems aus Markt- und Staatsinteressen herauszuhalten; denn eine Gesellschaft hält nur dann zusammen und ist nur dann in sich gesund, wenn der Markt mit seiner Geldsteuerung, wenn der Staat mit seiner Machtsteuerung durch zivilgesellschaftliche Kulturen mit ihren sozialen Normen ergänzt werden.

Wir haben in Deutschland die höchsten Ausgaben aller europäischen Nationen für das Gesundheitswesen. Nur Amerika liegt darüber. Das zeigt, wohin uns ein vom Markt gesteuertes Gesundheitssystem führt. Wir diskutieren in Deutschland mehr als in allen anderen europäischen Ländern über mehr Markt. Es gibt nirgendwo sonst eine Ärzteschaft, die so viel - offen oder verdeckt, direkt oder indirekt - über Geld spricht.

Deshalb sage ich: Wenn das Gesundheitswesen ein Bestandteil der gesellschaftlichen Kultur ist, müssen wir lernen, anders mit Zielen und Ergebnissen Umzugehen. Das wird auch das Ergebnis der Europäisierung der gesundheitlichen Versorgungssysteme sein. Wir werden eine neue Orientierung auf Ergebnisse und Ziele hin bekommen. Das wird die heute vorhandenen kleinkarierten Pfründekonkurrenzen, die die deutsche Ärzteschaft gegenwärtig noch austrägt, hinwegfegen.

Herzlichen Dank.

(Vereinzelt Beifall - Zurufe)

Dr. Auerswald, Vizepräsidentin:

Vielen Dank, Ellis Huber. - Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Stöckle aus Bayern. Bitte sehr.


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