Top III: Ärztliche Arbeit und Zusammenarbeit in Europa

Prof. Dr. Kossow, Niedersachsen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Huber, ich habe zwar nicht buh gerufen, aber ich bin trotzdem provoziert worden durch die Analogie zwischen dem europäischen Gesundheitswesen und den europäischen Kathedralen. Ich meine, es ist zu wenig, wenn man Gesundheit in Europa in den Dienst transzendentaler Mächte stellt und zu einer Ersatzreligion hochstilisiert, wenn man moderne Krankenhäuser als die Kathedralen des 21. Jahrhunderts zu bauen beginnt, ewig weiterbaut, ohne sie jemals zu nutzen. Es hat bei vielen Kommunen etliche hundert Jahre gedauert, bis die Kathedrale fertig gestellt war und bis der Gottesdienst nicht mehr unter freiem Himmel stattfinden musste. Ein solches Gesundheitswesen wünsche ich mir nicht.

Es ist andererseits so - deswegen, Herr Huber, habe ich auch nicht buh gerufen -, dass ganz ohne kollektive Bemühungen und ohne Ideale ein Gesundheitswesen auch nicht in Ordnung zu bringen ist. Wir werden in Europa eine kollektive Gesundheitspflege etablieren müssen. Aber wir sollten dabei sehr sorgfältig objektivierbare und quantifizierbare Gesundheitsziele definieren und nicht religiöse. Gesundheit darf kein Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens sein, wie er allenfalls in der Hochzeitsnacht und auch da nicht in jeder vorkommt.

(Heiterkeit)

Gesundheit muss vielmehr an klar messbaren Zielen, beispielsweise an der Senkung des HbA1c bei Diabetikern, orientiert sein. In solche klar messbaren Ziele kann man dann auch grenzübergreifend mit mehreren Nationen gemeinsam investieren, etwa auch um Infektionskrankheiten und andere gemeinsame Probleme zu bekämpfen.

Ich meine, auf diesem Wege, sachlich und mühsam, aber auch unter Wahrung von Humanität und Empathie, sollten wir vorwärts schreiten. Das wäre ein Vorhaben, das noch mehr historische Würdigung verdient als der Bau der Kathedralen vor mehr als 1 000 Jahren.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank. - Der Vergleich von modernen Krankenhäusern mit dem Kölner Dom und ähnlichen Kathedralen geht jetzt weiter, denn das Wort hat nun Herr Huber. Bitte schön.


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