Top III: Ärztliche Arbeit und Zusammenarbeit in Europa

Dr. Kossow, Niedersachsen:

Ich verspreche Ihnen: Nochmals melde ich mich nicht zu Wort. Ich starte nur einen letzten Versuch.

(Beifall)

Herr Huber, es geht ja nicht darum, hier Begriffe in die Gesundheitspflege einzuführen, unter denen jeder etwas anderes versteht.

(Beifall)

Ich nenne hier nur das Stichwort "Würde des Menschen". Es geht vielmehr darum, Begriffe zu finden, mit denen wir uns in mehreren Sprachen in Europa verständigen können und gemeinsam unseren finanziellen Beitrag leisten. Sie wissen, wie schwer es ist, wenn man im allzu Schwammigen bleibt.

Deshalb habe ich für eine konkrete Formulierung von Gesundheitszielen, die messbar sind, gesprochen. Die Frage, in welcher Wirtschaftsform diese Ziele dann abgearbeitet werden, ist völlig sekundär. Man muss auch nicht das gesamte Gesundheitswesen durch die Hausarztbrille sehen. Ich halte zwar die hausärztliche Versorgung für wichtig, aber gerade dieser Sektor wird beim Zusammenwachsen Europas die wenigsten Probleme machen. Die meisten Probleme werden wir bei der Abgrenzung zwischen kollektiven und individuellen Gesundheitspflegeinteressen sowie vor allen Dingen bei den so genannten Zukunftsgütern, wie Herder-Dorneich sie genannt hat, bekommen.

Das Hauptproblem in den Industriestaaten besteht darin, dass Leute zwischen 20 und 60 Jahren mit Milliardenaufwand das Gesundheitswesen finanzieren müssen. Sie sind die Finanziers. Leute über 70 Jahre nehmen die meisten Leistungen in Anspruch. Sie sind, wenn man so will, die Konsumenten. Selbstverständlich kann eine rein marktwirtschaftliche Ökonomie nicht funktionieren, wenn mehrere Jahrzehnte zwischen dem Status des Finanziers und dem Status des Konsumenten liegen. Eine Marktwirtschaft funktioniert nur dann, wenn derjenige, der eine Sache bestellt, auch derjenige ist, der sie bezahlt, wenn insofern identische Interessen existieren.

Ich meine schon, dass Sie Recht haben, Herr Huber, dass man nicht alles dem freien Markt opfern kann. Aber umgekehrt gilt auch: Alles, was nicht unbedingt gemeinsam geregelt werden muss, weil es ein Individualgut ist, kann auch Wettbewerbs- und Marktaustauschprozessen zugeführt werden.

(Beifall)

Wir stehen doch vor dem großen Problem, dass es im Gesundheitswesen zwei Ideologien gibt: die Shareholder-value-Ideologie und die Ideologie der staatlich indoktrinierten Planung. Beides ist falsch. Wir müssen unterscheiden, welche Probleme kollektiv und welche Probleme auf individueller Grundlage gelöst werden müssen.

Diese Diskussion können wir vielleicht an anderer Stelle fortsetzen. Man sollte erst einmal darüber schlafen. Ich kann alles, was ich gesagt habe, auch belegen. Wenn Sie wünschen, nenne ich Ihnen auch die Quellen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank. Wenn wir jetzt fortfahren, bekommt die ganze Diskussion vielleicht noch vatikanische Dimensionen.


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