TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik
1. Tag: Dienstag, 22. Mai 2001 Nur Nachmittagssitzung

Dr. Pickerodt, Berlin:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich dachte, heute könnte ich das erste Mal seit vier Jahren ohne Redezeitbegrenzung sprechen. Ich hätte mich sowieso an die Grenze von drei Minuten gehalten.

Mir scheint, die Stimmung ist sehr gut. Woran liegt das? Ich glaube, alle Standesfunktionäre sind sich einig: Sie sind froh, dass die Bundesgesundheitsministerin Fischer nicht mehr im Amt ist. Quasi das erste Wort der neuen Bundesgesundheitsministerin hier auf dem Ärztetag lautete "schmusen". Wir kennen diese Schmusekurse von früheren Politikern. Es ist sicher nicht zufällig, dass sie den Kollegen Montgomery gleich an seiner empfindlichsten Stelle gepackt hat, nämlich an seinem Äußeren.

(Heiterkeit - Beifall)

Ich glaube, er hat die Ministerin an dieser Stelle ganz richtig verstanden.

Zur Gesundheitspolitik ist festzustellen, dass es zurzeit erstaunlicherweise keine Forderung nach mehr Geld im System gibt. Die Gesundheitsministerin hat entsprechende Forderungen vorsorglich schon einmal zurückgewiesen.

In fast allen Zeitungen finden Sie heute die Forderungen der KBV, nämlich eine Grundversorgung zu finanzieren, aber die Zusatzversicherung den Patientinnen und Patienten zu überlassen. Die Ministerin hat darauf geantwortet. Es war in der Tat fast das einzige Konkrete, was sie gesagt hat. Sie hat das Beispiel der Mutter-Kind-Kuren gebracht und eigentlich sehr überzeugend dargelegt, warum eine Zusatzversorgung in solchen Bereichen nicht greifen würde. Es träfe die Falschen.

Wenn gesagt wird, die Finanzierung müsse solidarisch aus anderen Töpfen erfolgen, bedeutet dies doch, dass nur noch der Steuertopf infrage kommt. Man könnte sicher darüber diskutieren, solche Dinge aus dem Gesamtetat zu finanzieren. Inzwischen gibt es diesen Dissens zwischen der Meinung der KBV und der Politik.

Gibt es konkrete Pläne der Politik? - Ich kann sie im Moment nicht erkennen. Ich entnehme dem Antrag des Vorstands der Bundesärztekammer die konkrete Forderung, andere Einkommen in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen. Ich denke, dies ist ein sehr vernünftiger Vorschlag. Er ist auch nicht ganz neu. Wir sollten ihn aufgreifen, damit die gesetzliche Krankenversicherung auf diese Weise finanziert wird.

Die Frage einer Pflichtversicherung für alle bleibt davon unberührt. Sie bleibt als Forderung auf dem Tisch.

Mich erinnert die derzeitige Situation an die Endzeit von Herrn Seehofer. Die Kostendämpfungspolitik ist am Ende. Jetzt gibt es einen Schmusekurs. Wenn von intelligenten Frühwarnsystemen oder Leitsystemen die Rede ist, erinnert mich das an den Berliner Stadtring, auf dem ich im Stau stehe und nach 2 Kilometern Fahrt von einem so genannten intelligenten Leitsystem darauf hingewiesen werde, ich sollte nicht mehr als 60 Stundenkilometer fahren.

Hier zeigt sich die Hilflosigkeit der Politik und auch der Ärzteschaft bei der Lösung der anstehenden Probleme.

Ich danke.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank, Herr Pickerodt. - Der nächste Redner ist Herr Kollege Allmeling aus Hamburg. Bitte schön, Herr Kollege.

© 2001, Bundesärztekammer.