TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik
1. Tag: Dienstag, 22. Mai 2001 Nur Nachmittagssitzung

PD Dr. Dr. habil. Dietrich, Bayern:

Meine Damen und Herren! Als langjähriger Teilnehmer an Deutschen Ärztetagen fühle ich mich an die zurückliegenden Jahre erinnert. Auf dem Ärztetag in Dresden wurden wir aufgefordert, nicht zu laut zu pfeifen, wenn Herr Minister Seehofer redet, oder gar mit faulen Eiern zu werfen. Zwei Jahre später begann Herr Seehofer den Schmusekurs und sagte, die ärztliche Selbstverwaltung solle alles selber regeln, der Staat nehme dabei seine Finger aus dem Geschehen. Wir waren alle sehr froh und glücklich mit Herrn Seehofer.

Eine ähnliche Situation haben wir heute. Heute Morgen haben wir einen ähnlichen Vortrag gehört, nur eben von einer "Seehoferin" aus SPD-Kreisen, nicht mehr aus der CDU/CSU: Macht ihr doch eure Sachen allein.

Der einzige konkrete Punkt, den wir gehört haben, bestand in der Aussage: keine Zusatzversicherung, keine Ausgrenzung von Leistungen der Sozialversicherung. Da stimme ich voll und ganz zu.

Ein bisschen erschreckt hat mich die Tatsache, dass dies der einzige Punkt war, den sowohl Herr Hoppe als auch die ersten Redner in dieser Diskussion aufgenommen haben: Das Konzept, das hier vorgestellt wurde, ist eine Fantasielosigkeit, die sich darin erschöpft, dass Leistungen ausgegrenzt werden, während sich ansonsten bei der Sozialversicherung nichts ändern wird.

Wenn mit der Erschließung zusätzlicher Finanzreserven eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze oder eine Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze gemeint ist, sollte man darüber diskutieren. Man sollte dies aber auch deutlich zum Ausdruck bringen. Ich finde, man sollte etwas mehr Fantasie walten lassen bei der Antwort auf die Frage: Wo können wir eine bessere Medizin betreiben? Statt von Wirtschaftlichkeitsreserven zu sprechen, müssten wir von Qualitätsreserven reden.

Im Gegensatz zu dem Redner aus der hessischen Landesärztekammer bin ich mit Ihrem Beitrag, Herr Hoppe, nicht so sehr zufrieden, besonders im Hinblick auf Ihre Aussagen zu den Feststellungen des Sachverständigenrats. Der Sachverständigenrat ist es wert, dass man etwas ernsthafter auf seine Kritik eingeht. Man sollte darüber nicht mit einer netten und sehr lustigen Bemerkung hinweggehen. Man sollte sich fragen, was sich der Sachverständigenrat gedacht hat, wenn er der deutschen Ärzteschaft, der deutschen Medizin mangelnde Qualität und zu hohe Preise vorwirft.

Der Sachverständigenrat ist nicht das einzige Gremium, das uns dies vorwirft. Auf europäischer Ebene gelten dieselben Vorwürfe. Dort liegen wir bei der Einschätzung der Qualität unseres Gesundheitswesens an 25. Stelle, noch hinter Griechenland und Portugal. Darüber sollten wir uns Gedanken machen, nicht nur darüber, wie wir noch mehr Geld ins System saugen können. Unsere Aufgabe sollte es sein, uns jetzt, da wir vielleicht ein wenig mehr Luft haben, Gedanken darüber zu machen, wie wir die Qualität des Produkts "medizinische Versorgung" verbessern können, wo dort Qualitätsreversen vorhanden sind. Das wäre ein wesentlicher Punkt, statt immer nur über das Geld zu reden.

Danke sehr.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank, Herr Dietrich. Es werden sicher noch andere Redner dazu Stellung nehmen, auch zu der 25. Position im Ranking. Das möchte ich von diesem Platz aus nicht tun. Ich kann aber anbieten, dass wir die detaillierte Stellungnahme, die gestern vom Vorstand der Bundesärztekammer verabschiedet wurde, an die Damen und Herren Delegierten des Deutschen Ärztetages verteilen. Dann können Sie sich für die Auseinandersetzungen intensiver mit den Dingen beschäftigen.

(Beifall)

- Wir werden diese Stellungnahme an Sie verteilen.

Als nächster Redner bitte Herr Schagen aus Berlin.

© 2001, Bundesärztekammer.