TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik
1. Tag: Dienstag, 22. Mai 2001 Nur Nachmittagssitzung

Prof. Dr. Kahlke, Hamburg:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion zu dieser Thematik kam etwas überraschend. Der Antrag, den ich dazu eingebracht habe, ist noch nicht umgedruckt. Ich bin mir bewusst, dass es ein schwieriges Unterfangen ist, zum jetzigen Zeitpunkt dafür zu plädieren, die Präimplantationsdiagnostik nicht zuzulassen. Man kann wohl kaum innerhalb von drei Minuten Redezeit argumentieren, dass beispielsweise der "Embryo auf Probe" etwas völlig anderes ist als eine "Schwangerschaft auf Probe", um einmal diese Schlagworte zu benutzen. Ich kann nur einiges schlaglichtartig erwähnen.

Der Kollege in Lübeck, der die Diskussion so wesentlich in Gang gebracht hat, hat den Begriff gebraucht, wenn es zur Geburt eines entsprechenden Kindes komme - es ging dabei um die Mukoviszidose, um die zystische Fibrose -, dann sei das eine Katastrophe. Frau von Renesse, die Vorsitzende der entsprechenden Enquetekommission des Deutschen Bundestages, hat diesen Begriff zurückgewiesen.

Wenn man mit Mitgliedern der Mukoviszidose-Selbsthilfegruppen spricht, hört sich das ganz anders an. Dort wehrt man sich sehr dagegen, dass diese Krankheit immer wieder als Paradebeispiel angeführt wird, um die Notwendigkeit der Präimplantationsdiagnostik zu untermauern. Dort teilt man die schweren Bedenken gegen die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik.

Es geht nicht nur um die 120 oder 160 Familien, von denen vielleicht auch nur ein Teil diese Möglichkeit in Anspruch nehmen würde. Ich habe auf einer Veranstaltung mit einem entsprechenden Ehepaar gesprochen, das auch im "Spiegel" vorgestellt wurde und das seine Interessen vertreten hat.

Das Problem besteht darin, dass sich juristisch und medizinisch eine Begrenzung nicht durchhalten lässt. Wenn die Präimplantationsdiagnostik unter bestimmten Bedingungen zugelassen wird, ist es ausgeschlossen, irgendwo eine klare Grenze zu ziehen. Wenn eine Familie erklärt, bei ihr sei diese oder jene genetische Schädigung ein unzumutbares großes Risiko, müssten wir Ärzte entscheiden, ob sie mit in den Indikationskatalog aufgenommen wird.

Meine Befürchtung ist: Eine Begrenzung wird sich juristisch und medizinisch nicht durchhalten lassen; es wird einen Boom geben. Bereits jetzt wird großes ökonomisches Interesse bekundet. Es wird dann eine Embryonenproduktion geben, wodurch ein wichtiger Damm als gebrochen angesehen werden muss.

Ich bitte Sie, diesen Beitrag als Diskussionsergänzung zu betrachten, aber auch die Anträge differenziert zu lesen. Ich wäre froh, wenn Sie sich meinem Antrag, die Präimplantationsdiagnostik nicht zuzulassen, anschließen könnten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank, Herr Kahlke. Wir werden über diesen Komplex erst morgen abstimmen, damit Sie sich das alles noch einmal in Ruhe durchlesen und sich eine Meinung dazu bilden können. Bei diesem schwierigen Thema wollen wir keinesfalls holterdiepolter vorgehen. - Das Wort hat jetzt der Vorsitzende unseres Wissenschaftlichen Beirats, Herr Professor Sewing.

© 2001, Bundesärztekammer.