TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik
2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Vormittagssitzung

Dr. Metke, Baden-Württemberg:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man muss Herrn Hoppe noch einmal zu seinen gestrigen Ausführungen zur PID beglückwünschen. Ich habe noch nie eine derartig differenzierte Darlegung der Gesamtproblematik gehört wie diese. Sie geht in meinen Augen über das, was der Bundespräsident am 18. Mai ausgeführt hat, hinaus. Vielen Dank noch einmal für die Klarheit.

Wenn wir so weit sind, extrakorporal eigentlich auf natürlichem Wege nicht mögliches Leben zu ermöglichen, dann haben wir als Ärzte die Pflicht, gesundes und nicht krankes Leben zu produzieren. Also ist die PID für uns Ärzte eine ausgesprochene Pflicht. Das ist für mich nicht zu diskutieren.

Es wird immer wieder gesagt, dass wir so unerlaubterweise in die Natur eingreifen. Das ist doch Quatsch! Das ärztliche Tun ist ein Eingreifen in die Natur. Wenn wir wollen, dass die Natur so bleibt, wie sie ist, dann brauchen wir keine Ärzte; denn jede Behandlung einer banalen Erkrankung ist so gesehen ein Eingriff in die Natur. Mit diesem philosophischen Problem müssen wir einfach leben. Wir greifen in die Natur ein, seit es uns gibt. Das ist auch der tiefere Sinn unseres Tuns. Deshalb haben wir diesen Beruf ergriffen.

Wenn wir schon auf künstlichem Wege Leben schaffen, dann haben wir die Pflicht, gesunde und nicht kranke Menschen zu schaffen. Das ist unstrittig. Als Vater von fünf Kindern und als Inhaber einer orthopädischen Praxis, die schwerpunktmäßig Spastiker und Mongoloide behandelt - das ist der Schwerpunkt meiner alltäglichen Arbeit -, sehe ich überhaupt keinen Eigenwert in einem behinderten Leben. Dass wir das behinderte Leben behandeln, ist doch ganz klar. Aber gucken Sie sich doch die Behinderten an, gucken Sie sich doch den Mongoloiden mit seinem Angstpotenzial an! Der schreit schon vor Angst und leidet, wenn er den Arzt sieht! Der schreit und hat Angst vor jedem Eingriff!

(Widerspruch)

- Meine Damen und Herren, natürlich versorgen wir die und das ist auch gut so. Das ist mein Alltag. Aber wir dürfen doch dieses Angstpotenzial und diesen Leidensdruck nicht noch wollen, wenn wir ihn durch die PID verhindern können. Gucken Sie sich doch die Spastiker an, wie sie leiden, wie sie in den Pflegeheimen leben! Sie können doch nicht ermöglichen, dass das als Leben entsteht, wenn Sie es präimplantatorisch merken. Warum bestimmen wir denn das Alphafetoprotein in den ersten drei Lebensmonaten? - Das geschieht doch zum Ausschluss der Meningomyelozele. Wir führen dann eine Interruptio mit katastrophalen psychischen Folgen für die Mutter und die ganze Familie durch. Und wenn wir es in einem viel früheren Stadium verhindern können, verhindern wir es absichtlich nicht! Das können wir nicht machen!

(Erneuter Widerspruch)

Es kann nicht sein, dass es richtig ist, die Interruptio aus sozialen und aus medizinischen Gründen zuzulassen, die PID aber zu verbieten. Das ist ein Widerspruch in sich. Deswegen bin ich für die PID in engen gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Vielen Dank.

(Widerspruch - Pfiffe - Vereinzelt Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank, Herr Metke. Ich glaube, wir sollten tolerant in alle Richtungen sein. Wenn jeder eine Pfeife mitbringt, kommt keiner mehr zu Wort. Das ist auch nicht so gut.

(Beifall)

Herr Peters, bitte.

© 2001, Bundesärztekammer.