TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik
2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Vormittagssitzung

Prof. Dr. Fuchs, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte auch ich zum Ausdruck bringen, dass ich von der Ernsthaftigkeit beeindruckt bin, mit der Sie sich diesem Problem nähern. Ich denke, man müsste allgemein feststellen, dass ethische Konflikte ihrer Natur nach nicht lösbar sind. Ethische Konflikte sind dadurch gekennzeichnet - dies gilt auch für die PID -, dass sich unterschiedliche Rechtsgüter und unterschiedliche Werthaltungen unvereinbar gegenüberstehen. Das gilt in diesem Fall, weil sich Ärzte gegenüber nachsuchenden Paaren in Verantwortung befinden und ihrem Heilauftrag nachkommen wollen, sollen und müssen, während sich die Wissenschaft als verlängerter Arm dieser therapierenden Ärzte versteht. Das ist das genuine Verständnis des Heilauftrags des Arztes.

Das ist die eine Werthaltung. Was wir auf der anderen Seite alle befürchten, ist die Tatsache, dass wir mit der PID die schiefe Ebene betreten, dass die Gefahr des Missbrauchs, der unkontrollierten Ausweitung der Menschenzüchtung besteht. Auch darüber muss man in großer Ernsthaftigkeit diskutieren.

Man muss zunächst einmal feststellen, dass beide Haltungen je für sich ethisch begründet sind, aber im Widerspruch zueinander stehen. An dieser Stelle stellt sich die Frage, welchen Beitrag die Ärzteschaft in diesem gesellschaftlichen Diskurs leisten kann.

Ich denke, der Beitrag der Ärzteschaft kann darin bestehen, zunächst einmal zu helfen, diesen Konflikt zu identifizieren. Ein zweiter Schritt, den die Ärzteschaft leisten kann, bestünde darin, Lösungswege aufzuzeigen, Optionen zu entwickeln und die Folgen der jeweiligen Optionen abzuschätzen.

Was die Ärzteschaft aber nicht leisten kann, ist, durch Abstimmung diesen Konflikt zu lösen. Auch der Gesetzgeber kann den Konflikt nicht lösen. Dennoch steht unsere Gesellschaft vor der Frage, wie sie mit diesem Problem umgehen soll und umgehen kann. Diese Frage muss beantwortet werden. Dieser Konflikt kann aber nicht durch Abstimmung gelöst werden. Das muss uns zunächst einmal klar sein.

Insofern ist das Papier des Vorstands ausgewogen. Es zeigt dieses Gedankengut auf, ohne dass es im Vorstand zu einer Kampfabstimmung kam. Ich meine, der Ärztetag wäre gut beraten, wenn er nicht abstimmte, um den Konflikt zu lösen, denn dann gäbe es Sieger und Besiegte. Die Ärzteschaft sollte aber zu gegebener Zeit Rat geben, in welcher Richtung man mit diesem Konflikt umgehen könnte. Insofern sollte vielleicht Punkt 5 im Antrag 2 dahin gehend spezifiziert werden, dass man formuliert, der Gesetzgeber allein ist legitimiert, darüber zu entscheiden, zu welchem Umgang mit dem Konflikt unsere Gesellschaft finden kann.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Danke schön, Herr Fuchs. - Jetzt bitte Herr Henke.

© 2001, Bundesärztekammer.