TOP II: Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte

2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Vormittagssitzung

Dr. Orth, Rheinland-Pfalz:

Die Präsentationen liegen auf dieser CD-ROM als Microsoft PowerPoint Präsentaionen vor. Wenn Sie den Microsoft Internet Explorer Version 5.xx benutzen und Microsoft PowerPoint installiert ist, können sie die Präsentaion durch einen Klick auf das Miniaturbild direkt starten.


Falls auf Ihrem Computer kein PowerPoint vorhanden ist, so finden Sie hier den Microsoft PowerPoint Viewers.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Vater einer Ärztin im Praktikum. Ich kann nur bestätigen, dass zutrifft, was hier geschildert wurde, und zwar nicht nur im Krankenhaus, sondern auch auf vergleichbaren Ebenen. Insofern kann als pars pro toto der Einzelfall etwas aussagen.

Ich habe meiner Tochter ihren Lohnzettel abgeschwatzt. Sie hat die ungünstige Steuerklasse V, weil ihr Mann, der in demselben Krankenhaus arbeitet wie sie, und zwar in einem nicht akademischen Beruf, natürlich deutlich mehr verdient als ein AiP. Sie kommt einschließlich Notfall- und Bereitschaftsdiensten auf einen Betrag, für den die meisten nicht arbeiten würden. Für Nacht- und Bereitschaftsdienste werden offiziell 14,89 DM brutto pro Stunde bezahlt. Eine Putzfrau würde für diesen Bruttobetrag wahrscheinlich nicht arbeiten.

(Beifall)

Die Bereitschaftsdienste schließen sich nahtlos an den Tagesdienst an, der um 7.15 Uhr beginnt. Sie reichen bis zum nächsten Morgen, und zwar offiziell bis um 7.15 Uhr. Aber um 7.10 Uhr beginnt die Röntgenbesprechung, danach erfolgt die Visite. Es ist klar, dass man dann dabei zu sein hat. Bezahlt wird es allerdings nicht.

Meine Tochter ist in einem akademischen Lehrkrankenhaus auf der Chirurgie tätig. Sie hat kürzlich eine Patientin versorgt und dann für den nächsten Tag zur Kontrolle bestellt. Als die Patientin zur Kontrolle kam, sagte sie: Es ist schön, Frau Doktor, dass Sie heute wieder da sind! - Meine Tochter antwortete: Nicht wieder, noch immer! - Daraufhin die Patientin: Können Sie mich dann überhaupt noch richtig versorgen? - Nein, das kann ich nicht, aber ich muss es!

So ist die Situation. Ein Kollege in diesem Krankenhaus hat es auf 1 200 Überstunden gebracht. Sie wurden mit einem Federstrich gestrichen, nicht eine einzige wurde bezahlt.

Man hat ein Zeiterfassungssystem eingeführt, dann aber auch sehr schnell wieder abgeschafft, weil schwarz auf weiß die Stundenzahl abzulesen war. Man hat kürzlich unter den Ärzten im Praktikum eine Umfrage gestartet. Auf einer Fachtagung zum Hospizwesen wurde Klage darüber geführt, die Ärzte hätten zu wenig Zeit oder nähmen sich zu wenig Zeit für die seelischen Probleme ihrer Patienten, beispielsweise für die Sterbebegleitung. 15,4 Prozent der AiPs waren der Meinung, sie hätten dafür genug Zeit. 84,6 Prozent hatten den Eindruck, dafür nicht genug Zeit zu haben.

Der Herr Präsident hat in seinem Eröffnungsreferat vom Spaß an der ärztlichen Arbeit gesprochen. Welchen Spaß können diese jungen Kolleginnen und Kollegen noch an ihrer Arbeit haben? Es muss unter solchen Umständen zu einer massiven Frustration kommen; das kann gar nicht anders sein.

Wir müssen auch daran denken, wie sich die familiäre Situation darstellt. Es handelt sich um junge Kolleginnen und Kollegen, die in einem Alter sind, in dem sie eine Familie haben oder gründen sollten. In meiner Familie, einer Arztfamilie, hatte der Großvater neun Kinder, wir waren sechs Geschwister, meine Frau und ich haben vier Kinder, die Tochter hat zwei Kinder. Sie hätte gern mehr Kinder, meint aber: Unter diesen Bedingungen kann ich einer größeren Zahl von Kindern nicht gerecht werden. - Ich glaube, wir brauchen uns unter diesen Bedingungen über die demographische Entwicklung in unserem Land nicht zu wundern.

Es geht um junge Kolleginnen und Kollegen, es geht um junge Familien, es geht ganz besonders um den Schutz der Patientinnen und Patienten vor übermüdeten Ärzten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank, Herr Kollege Orth. - Jetzt bitte Herr Mayer aus Bayern zur Frage Redezeit.

© 2001, Bundesärztekammer.