TOP II: Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte

2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Nachmittagssitzung

PD Dr. Knichwitz, Westfalen-Lippe:

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich Frau Röhl und Herrn Priesack für ihren Mut danken, hier offen aufzutreten. Ich denke, das würde nicht jeder von uns tun.

(Beifall)

Das Problem hinsichtlich der Arbeitszeit ist nicht neu. Bereits 1963 - für diejenigen, die es interessiert: in diesem Jahr wurde ich geboren - war die ärztliche Arbeitszeit ebenfalls Gegenstand intensivster Verhandlungen. Damals hat man es nach langen acht Jahren geschafft, die Tarifordnung für Ärzte in den BAT zu überführen und die Wochenarbeitszeit von 120 Stunden auf 60 Stunden zu begrenzen. Zu dieser Zeit galt für den Rest der arbeitenden Bevölkerung die 48-Stunden-Woche.

Wissen Sie, welches die Hauptargumente waren, keine Änderung vorzunehmen? Die Krankenhäuser haben erklärt: Das wird zu teuer, wir müssen dann zu viele Ärzte einstellen. Dies geschah dann auch. Nach erfolgreicher Umsetzung nahm die Zahl der Ärzte von 100 000 in den 60er-Jahren auf 200 000 in den 70er-Jahren zu. Heute gibt es fast 300 000 Ärzte. Trotzdem ist das Gesundheitssystem nicht Pleite gegangen.

Wer heute aufmerksam die Presse verfolgt, erkennt, dass es bei VW die 28,8-Stunden-Woche gibt. Er hat auch registriert, dass es das Programm 5 000 Arbeitsplätze für 5 000 DM gibt und dass die Arbeitgeber die Arbeitszeit auf 48 Stunden pro Woche erhöhen wollen. Seien Sie sicher: Die Gewerkschaften werden es schaffen, dass man nicht über 40 Stunden pro Woche kommt.

Verdammt noch mal, da muss es uns doch nicht peinlich sein, dass wir die ärztliche Arbeitszeit auf 48 Stunden begrenzen wollen, auch wenn 15 000 Kolleginnen und Kollegen neu eingestellt werden müssen!

(Beifall)

Lassen Sie mich kurz noch folgenden Punkt ansprechen. Es war bereits die Rede von der Leistungsdichte, von dem Leistungsdruck vor allem für die jungen Kolleginnen und Kollegen. Frau Ministerin Schmidt hat mit unverbindlichen Worten erklärt, sie wolle uns helfen. Aber ich muss ihre ehrliche Absicht doch ein bisschen hinterfragen. Auch der Bund und die Länder sind Arbeitgeber. Wir kennen doch die Realität. Sie sieht folgendermaßen aus - ich spreche für Nordrhein-Westfalen und die Universitätskliniken -: Seit 1995 werden in Nordrhein-Westfalen keine Überstunden mehr vergütet. Da macht sich auch das Land schuldig. Das ist aber noch nicht alles. Ich weiß nicht, ob Sie die dreimonatige Stellensperre kennen. Wir in den nordrhein-westfälischen Universitätskliniken tragen dadurch eine sehr große Last. Jedes Mal, wenn ein Mitarbeiter seine Stelle verlässt oder wenn eine schwangere Frau in den Mutterschutz geht, wird die Stelle für drei Monate gesperrt. Für ein großes Universitätsklinikum bedeutet dies, dass in einem Jahr mehr als 20 Stellen nicht besetzt werden können. Trotzdem muss die anfallende Arbeit bewältigt werden. Das bedeutet, dass alles, was getan werden muss, konsekutiv in den Bereitschaftsdienst verlagert werden muss. Dadurch, dass die Ministerin dies duldet, trägt sie zur Verletzung der Arbeitsschutzgesetze bei.

Wir sollten uns nicht gegeneinander ausspielen lassen. Wir wissen, dass es in unseren Reihen Probleme mit der Solidarität gibt. Es geht hier nicht nur um die Politik und auch nicht nur um die Verwaltungen. Wir sollten die Politiker an ihren Taten messen, nicht an ihren Worten. Lassen Sie uns ernsthaft Schulter an Schulter den Kampf gegen die Ausbeutung der jungen Ärztinnen

und Ärzte führen. Nur dann werden wir gewinnen.

Danke schön.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Danke sehr. - Jetzt bitte Herr Benninger, Baden-Württemberg.

© 2001, Bundesärztekammer.