TOP II: Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte

2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Nachmittagssitzung

Dr. Möhrle, Vorstand der Bundesärztekammer:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass ich jetzt an der Reihe bin, war nicht der Grund, warum ich Sie gebeten habe, gegen den Geschäftsordnungsantrag von Herrn Koch zu stimmen.

(Heiterkeit)

Ich fühle mich zunächst einmal verpflichtet, mich bei Herrn Pickerodt und bei Herrn Kuhnigk zu entschuldigen, dass ich hier das Wort ergreife, denn ich bin schon etwas über 30 Jahre alt und gehöre damit dem fossilen Teil dieses Ärztetages an.

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Aber in guter Gesellschaft!

Dr. Möhrle, Vorstand der Bundesärztekammer:

Lieber Herr Pickerodt, lieber Herr Kuhnigk, Sie werden es nicht glauben: Auch die älteren Kolleginnen und Kollegen können vielleicht noch ein paar konstruktive Beiträge leisten. Viele Dinge wiederholen sich nämlich. Es gab schon vor 30 Jahren befristete Arbeitsverträge. Es ist uns 1972 gelungen, sie für etwa zehn Jahre abzuschaffen. - Karsten Vilmar nickt. Wir erinnern uns beide gut daran. Nach zehn Jahren tauchten diese Verträge allerdings wieder auf.

Es gab schon damals Nachtdienst- und Bereitschaftsdienstvergütungen von etwas mehr als 13 DM - aber nicht pro Stunde, sondern pro Nacht! Es ist uns gelungen, für die damalige Zeit akzeptable Vergütungen zu erreichen. Sie sehen also: Alles kommt irgendwann wieder.

Erlauben Sie mir jetzt einen kurzen sachlichen Hinweis zum Antrag II-8 von Herrn Professor Adam. Die Juristen werden es Ihnen bestätigen: Wucher nach § 291 des Strafgesetzbuchs ist kein Antragsdelikt, sondern ein Offizialdelikt. Das heißt, sobald die Staatsanwaltschaft Kenntnis von einem solchen Vorgang erhält, ist sie verpflichtet, dem nachzugehen. Informieren Sie also bitte Ihre zuständige Staatsanwaltschaft über geeignete Fälle dieser Art.

Wir haben zu Beginn dieses Ärztetages unser "Hessisches Ärzteblatt" verteilt, und zwar nicht deshalb, weil wir so besonders stolz darauf sind, sondern weil Sie dort einen Artikel darüber finden, wie sich unsere Kammer seit über 20 Jahren mit dem Problem der Ausbeutung von Ärztinnen und Ärzten auseinander setzt. Seit 1988 steht in unserer Berufsordnung und in der Weiterbildungsordnung, dass nur angemessen bezahlte Tätigkeiten für die Weiterbildung anerkannt werden. Das steht auch seit Anfang dieses Jahres im Heilberufsgesetz unseres Landes.

Ich bitte Sie alle herzlich: Drängen Sie bei Ihren Landesregierungen darauf, dass die Heilberufsgesetze um diesen Passus ergänzt werden, falls es nicht schon dort steht.

Zum Thema untertarifliche Bezahlung: Es ist ganz wichtig, dass wir auch hier Informationen erhalten. Deshalb ist es unerlässlich, dass sich die Kammer die Arbeitsverträge der Kolleginnen und Kollegen vorlegen lässt, die eine Facharztanerkennung beantragen. Das macht zwar erhebliche Arbeit, aber nur so können die unterbezahlten Tätigkeiten eliminiert werden. Nur so kann auf die Dauer durchgesetzt werden, dass die Kolleginnen und Kollegen nicht ausgebeutet werden.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Danke schön, Herr Möhrle. - Der nächste Redner ist Herr Dr. Weisner vom Vorstand.

© 2001, Bundesärztekammer.