TOP II: Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte

2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Nachmittagssitzung

Dr. Henke, Vorstand der Bundesärztekammer:

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Wahrscheinlich ist das einer der attraktivsten Ansatzpunkte, wenn es wirklich zur Einführung eines DRG-Systems kommt und die Software so kompliziert sein wird, wie es den Anschein hat. Dann sind in der Tat in Zukunft Krankenhausabrechnungen nur noch möglich, wenn die entsprechende Software von den Ärztinnen und Ärzten, die in die Behandlung der Patienten einbezogen waren, bedient wird. Wahrscheinlich wird dies in der Tat ein positiver Aspekt des ansonsten sehr überhasteten und datensalathaften DRG-Systems werden können, weil das Thema "Bleistiftstreik" oder "Tastaturstreik" eine gewisse Kampfkraft beinhalten kann. Wenn die Software nicht mehr entsprechend gefüttert wird, wird es keine Abrechnungen geben.

Wir werden nie in der Lage sein und auch nicht sein wollen, Leistungen zu verweigern, auf welche die Patienten in einer Notsituation angewiesen sind. Das ist auch der entscheidende Unterschied unseres Berufs gegenüber der Berufsgruppe beispielsweise der Piloten. Wir können Notfalleingriffe, Notfallbehandlungen, eine dringende Diagnostik nicht unterlassen, weil wir Interessen durchsetzen wollen. Daher sind wir an dieser Stelle erpressbar und schwach. Die Ethik unseres Berufs, die Aufgabenstellung, die in der Politik bekannten Herausforderungen, vor denen wir stehen, werden nüchtern einkalkuliert: von Krankenhausverwaltungen, von Krankenkassen und von denen, welche die finanziellen Rahmenbedingungen politisch gestalten.

Daher gehört in die Debatte über die Frage, was man tun kann, um diese Ausbeutung, Ausnutzung und Überlastung zu beseitigen, um diese Entwertung ärztlicher Arbeitskraft zu beseitigen, die infektiös wirkt und sich vom Krankenhaus auch in die Praxis ausbreitet - deshalb geht es hier um ein Problem, das die niedergelassenen Ärzte genauso betrifft wie die angestellten Ärzte -, die Erkenntnis: Wir müssen an dem Punkt ansetzen, den die Politiker fürchten wie sonst kaum etwas, nämlich bei der Einschätzung durch die Wählerinnen und Wähler. Bei einer Umfrage von n-tv haben 42 Prozent der Befragten erklärt, sie finden die Arbeitszeiten der Krankenhausärzte zu lang. 8 Prozent haben erklärt, sie finden das nicht. Aber 50 Prozent haben erklärt, es sei ihnen egal, Hauptsache, dem Patienten wird geholfen.

Ich meine, an dieser Stelle müssen wir nacharbeiten und auf Befunde aufmerksam machen, wonach nach einer Nacht ohne Schlaf Chirurgen am Laparoskopiesimulator 20 Prozent mehr Fehler machen, 14 Prozent mehr Zeit brauchen als nach einem ungestörten Nachtschlaf, dass anhaltendes Wachsein über 24 Stunden die kognitiven psychomotorischen Fähigkeiten auf das Niveau einer Blutalkoholkonzentration von 1 Promille senkt.

Solche Befunde, in der Öffentlichkeit deutlich diskutiert, sind in der Lage, die Politik auf Trab zu bringen. Die Politiker haben nicht so viel Angst davor, dass unsere Familien zerbrechen, aber sie kümmern sich darum, ob sie in der Wählerschaft als Personen anerkannt sind, die Probleme lösen, die große Gruppen betreffen. Das ist für die Politik ein wichtiger Schlüssel.

Wir dürfen von dieser Stelle aus der British Medical Association für die im vergangenen Jahr vorgenommene Datenverarbeitung, die sehr viele solcher Befunde zusammenstellt, ausdrücklich Dank sagen. Das ist eine Arbeit, die

wir in der politischen Kommunikation in Deutschland verwerten können.

Ich bedanke mich.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Schönen Dank, Herr Henke. - Jetzt noch einmal Frau Bühren.

© 2001, Bundesärztekammer.