TOP III: Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung

3. Tag: Donnerstag, 24. Mai 2001 Nachmittagssitzung

Dr. Hess, Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei Herrn Koch für den guten Dialog bedanken, den wir insbesondere in den letzten Wochen zu diesem Thema hatten. Ich bedanke mich besonders auch für die sehr gute Diskussion in der Ständigen Konferenz "Weiterbildungsordnung", wo wir, wie ich glaube, ohne Emotionen die Dinge offen angesprochen und wechselseitig sehr viel Verständnis für die Positionen des Berufsrechts auf der einen Seite und des Sozialrechts auf der anderen Seite gefunden haben. Ich hoffe, dass aus diesem Dialog klar hervorgegangen ist, dass die KBV in gar keiner Weise hier irgendetwas blockieren will, dass wir Sie auch nicht instrumentalisieren wollen, sondern dass es - das ist in dem Beschlussantrag sehr deutlich nachzulesen - uns darum geht, den Vorrang des Weiterbildungsrechts gegenüber dem Sozialrecht nach wie vor gemeinsam mit Ihnen zur Geltung zu bringen. Darum geht es.

(Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, von einem müssen wir ausgehen: Die Weiterbildungsordnung definiert die Zulassungsgebiete. Das hat mit Honorar zunächst einmal gar nichts zu tun. Wer Kassenarzt werden will, muss die Kassenzulassung für ein Gebiet und einen Schwerpunkt der Weiterbildungsordnung beantragen. Sie legen in Ihrer Weiterbildungsordnung fest, für welches Gebiet man in der vertragsärztlichen Versorgung eine Kassenzulassung bekommen kann. Das ist für viele Ihrer Kollegen nach wie vor die einzige Grundlage, um ihren Beruf ausüben zu können.

Deswegen sagen wir: Die Weiterbildungsordnung ist für den vertragsärztlichen Bereich nicht nur eine Bildungsordnung, sondern auch eine Arbeitsteilungsordnung, eine Zulassungsordnung. Wäre sie nur eine Bildungsordnung, könnte nach wie vor jeder sagen: Ich bilde mich zum Arzt für Nuklearmedizin, HNO, Fußmedizin aus und beantrage dafür eine Kassenzulassung.

Das geht eben nicht, sondern die Weiterbildungsordnung definiert das Zulassungsrecht. Wenn Sie das auch in Zukunft so haben wollen, dann müssen Sie - das ist keine Instrumentalisierung - ein bisschen auf die vertragsärztliche Versorgung und deren Strukturen Rücksicht nehmen. Da kann man nicht sagen: Ich regle das völlig außerhalb des Sozialgesetzbuchs, sondern dann muss man auch die Belange des Sozialgesetzbuchs zur Kenntnis nehmen und bei der Abfassung der Weiterbildungsordnung berücksichtigen.

Nichts anderes haben wir in unserem Antrag positiv zu formulieren versucht: Welche Gesichtspunkte sind es denn, die vor dem Hintergrund der Vorrangigkeit des Berufsrechts bei der Weiterbildungsordnung beachtet werden sollten? Berücksichtigen Sie bitte, dass wir nicht wie eine Fachgesellschaft Vorschläge unterbreiten; wir haben auch keine Angst vor einer Weiterbildungsordnung. Wir möchten nur, dass Sie bei Ihrer Entscheidung klar berücksichtigen, dass Ihre Entscheidung Rückwirkungen auf das Sozialrecht hat. Sie müssen wissen, dass das, was Sie entscheiden, unter Umständen mit dem Sozialrecht kollidiert. Das kann man ja wollen; man muss allerdings wissen, dass diese Tatsache der Kollision besteht. Dann muss man vielleicht auch akzeptieren, dass man im Sozialrecht möglicherweise am Weiterbildungsrecht vorbei Entscheidungen treffen muss. Das wollen wir gemeinsam nicht. Wir haben uns fest versprochen, dass wir genau das nicht wollen. Wir wollen gemeinsam mit Ihnen das Weiterbildungsrecht so gestalten, dass es nach wie vor das Sozialrecht präjudiziert. Wir wollen nicht umgekehrt im Sozialrecht Dinge tun müssen, die wir als KBV gar nicht tun wollen.

(Beifall)

So ist die Anlage bestimmt. Wir brauchen klare Gebietsdefinitionen, weil das die Zulassungsvoraussetzung ist. Wir wehren uns überhaupt nicht dagegen, dass man sagt: Wir machen einen Facharzt im Gebiet. Nur muss dieser dann klar definiert sein. Das müssen wir gemeinsam erreichen, sodass die Zulassung zum Facharzt im Gebiet klar definiert, was der Facharzt in der vertragsärztlichen Praxis machen darf.

Wir wehren uns auch nicht gegen den Befähigungsnachweis. Wir müssen uns nur klar darüber werden: Welche Bedeutung hat ein solcher Befähigungsnachweis im Sozialversicherungsrecht? Da geraten wir eventuell in Konflikt mit § 135 Abs. 2 SGB V. Wir können wahrscheinlich nicht für jede neue Leistung einen Befähigungsnachweis auf dem Praxisschild ankündigungsfähig machen. Wir werden uns gemeinsam darüber unterhalten müssen, wo wir Befähigungsnachweise einführen, die ankündigungsfähig sind: Wo gibt es eine schlichte Fachkundeanforderung, gemeinsam abgestimmt, die nicht auf dem Arztschild erscheint, die aber Voraussetzung für die Abrechnung einer bestimmten Leistung sein muss?

Wir müssen uns natürlich auch überlegen: Was machen wir mit Befähigungsnachweisen, wenn sie nicht einheitlich sind, aber auf dem Arztschild stehen, jedoch nicht die Voraussetzung für eine Abrechnung in der vertragsärztlichen Versorgung sind? Auch das wird es ja in Zukunft geben.

Lassen Sie uns also diese Diskussion bitte offen führen, unverkrampft. Vielleicht ändern wir auch noch einen Paragraphen, wenn wir merken, dass es dort bestimmter Korrekturen bedarf.

Wir müssen auch zusehen, dass die Gebiete, die Sie hier definieren, in der vertragsärztlichen Versorgung existenzfähig sind. Der Arzt für Phoniatrie, der Arzt für Rehabilitative Medizin hat sich in seiner jetzigen Struktur als ein so hoch spezialisiertes Gebiet erwiesen, dass wir jedenfalls damit die Versorgung mit solchen Gebietsärzten nicht sicherstellen können. Das heißt, der Hals-Nasen-Ohren-Arzt macht es nach wie vor mit Übergangsregelungen. Im Hinblick auf die Zukunft der Weiterbildungsordnung müssen wir auch fragen: Wie viel Filigranisierung können wir uns im Weiterbildungsrecht leisten? Wo müssen wir Gebiete vom Umfang her so definieren, dass sie auch in der vertragsärztlichen Versorgung existenzfähig sind? Dann muss man auch prüfen, inwieweit man bei einem spezialisierten Gebiet zulassen kann, dass das Muttergebiet, aus dem man dieses bestimmet Gebiet herausnimmt, dieselbe Leistung auch noch erbringen kann. Hier müssen diesen Gebieten Leistungen klar zugeordnet werden, damit wir mit diesen Gebietsärzten die Versorgung sicherstellen können.

Ein Punkt, bei dem wir wohl nicht an einer strittigen Diskussion vorbeikommen, ist das Thema der hausärztlichen/fachärztlichen Versorgung. KBV und Bundesärztekammer haben gemeinsam - daran erinnere ich Sie - das Initiativprogramm Allgemeinmedizin getragen. Das war die Basis für die Verlängerung der Weiterbildungszeit in der Allgemeinmedizin von drei Jahren auf fünf Jahre. Wir haben damals gesagt: Wir werden mit diesem Initiativprogramm sicherstellen, dass wir eine ausreichende Zahl weitergebildeter Allgemeinärzte haben. In diesem Initiativprogramm ist die Weiterbildungsordnung als Regelungsinstrument ausdrücklich enthalten. Das heißt, wir tragen hier gemeinsam die Verantwortung dafür, dass wir dem Allgemeinarzt in der hausärztlichen Versorgung eine Zukunft geben und dass es nicht dazu kommt, dass wir im Jahre 2006 zwar eine gesetzliche Vorschrift haben, dass die hausärztliche Versorgung primär durch Allgemeinärzte sicherzustellen ist, wir aber kaum noch Allgemeinärzte haben, mit denen wir diesen Anspruch erfüllen können.

Sie sind auch als Verordnungsgeber der Weiterbildungsordnung gefragt, durch klare Zuordnungen von Leistungen und Versorgungsaufgaben in den Bereich der Allgemeinmedizin und in den Bereich der Fachgebiete hinein dem Allgemeinarzt diese Voraussetzungen einer gesicherten Tätigkeit in der

vertragsärztlichen Versorgung zu geben, weil sich nur dann die entsprechenden Zahlen überhaupt entwickeln können.

(Beifall)

In der jetzigen Struktur, in der Konkurrenz wird der Allgemeinarzt zerrieben. Wir müssen uns dann hinterher gemeinsam vor der Politik verantworten, dass wir diesen Auftrag nicht erfüllen konnten, aus welchen Gründen auch immer.

(Beifall)

Deshalb haben wir nicht formuliert, wie das zu lösen ist, sondern wir haben als KBV nur die Meinung vertreten, dass wir dieses Problem schleunigst angehen müssen.

Auch das schwierige Problem der Chirurgie kann man nicht auf lange Jahre hinaus verschieben, sondern dieses Problem muss ad hoc und bald gelöst werden.

Wir wollen dadurch, dass wir Ihnen unsere Probleme darlegen, dass wir bereit sind, mit Ihnen gemeinsam nach Lösungen zu suchen, dass wir in jedem Fall das Weiterbildungsrecht als Vorrang erhalten wollen, dazu beitragen, dass wir auf dem nächsten Deutschen Ärztetag vielleicht auch dieses Problem lösen und dann zu einer Beschlussfassung über die Gesamtweiterbildungsordnung kommen, auf die wir genauso viel Wert legen wie Sie, weil auch wir die Reform des Weiterbildungsrechts für dringend notwendig erachten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank, Herr Dr. Hess. - Bevor ich in der Rednerliste fortfahre, möchte ich dem Präsidenten der Bezirksärztekammer der Pfalz, Herrn Dr. Hessenauer, dazu gratulieren, dass er an der Fachhochschule Ludwigshafen soeben zum Professor für Medizinmanagement ernannt worden ist. Herzlichen Glückwunsch, Herr Hessenauer!

(Beifall)

Es ist gut, wenn erfahrene Ärzte an solche Plätze kommen. Das ist sehr wichtig.

Es liegen noch zwei Wortmeldungen vor, die sich von vornherein auf den Antrag 36 beziehen, nämlich von Herrn Emminger und Herrn Holfelder. Die anderen müsste man jeweils noch fragen. - Herr Weigeldt sagt schon Nein.

Das Wort hat jetzt Herr Emminger zum Antrag 36.

© 2001, Bundesärztekammer.