TOP V: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer
3. Tag: Donnerstag, 24. Mai 2001 Nachmittagssitzung

Dr. Schilling, Berlin:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Prinzip kann man den Ausführungen des Vorredners voll und ganz zustimmen. Bei der Durchsicht der Unterlagen ist mir allerdings aufgefallen, dass dort ein Passus enthalten ist, den ich so nicht akzeptieren kann. Es handelt sich um den Punkt 2.2.2, der die Maßnahmen bei spezifischen Risikogruppen betrifft. Ich meine den ersten Satz - das steht auf Seite 21 der Anlage -, der lautet:

Zur Vermeidung von Sturzunfällen bei Säuglingen und Kleinkindern sollen Eltern von niedergelassenen Ärzten (in erster Linie Allgemeinmediziner, Kinder- und Frauenärzte) gezielt beraten werden.

Das ist auch grammatikalisch ein bisschen missverständlich. Aber davon abgesehen sähe ich es gern, wenn es hieße:

Zur Vermeidung von Sturzunfällen bei Säuglingen und Kleinkindern sollen Eltern gezielt beraten werden.

Die Einfügung in Klammern, dass dies in erster Linie Allgemeinmediziner, Kinder- und Frauenärzte betrifft, sollte ersatzlos gestrichen werden.

Ich möchte das kurz begründen. Zwei Sätze weiter steht das ärztliche Gespräch, in dessen Rahmen das Vorhandensein unfallträchtiger Bedingungen eruiert werden soll. Damit ist unserer ärztlichen Sorgfaltspflicht ausreichend Genüge getan. Es ist nicht notwendig, dass wir in diesem entscheidenden Punkt bestimmte Arztgruppen herausgreifen, ihnen diese Aufgabe auferlegen und damit auch vor der Gesellschaft dokumentieren: Das sind diejenigen, die dafür zuständig sind, dass die Kinder nicht von ihren Hochstühlen fallen.

Ich frage Sie, Herr Präsident, warum eigentlich die niedergelassenen Allgemeinmediziner und nicht die Radiologen - diese diagnostizieren ja im Zweifelsfall als Erste die Fraktur und nicht wir - oder die Chirurgen in den Krankenhäusern, die die Verbrennungen und die Wunden versorgen, aufgeführt sind. Ich halte es nicht für sinnvoll, den niedergelassenen Ärzten, die wahrlich keine leichte Aufgabe haben, zusätzliche Aufgaben zuzumuten. Das möchte ich nicht unterstützen. Ich empfinde es als außerordentliche Zumutung, dass uns das aufgebürdet werden soll.

Wir haben in einer ziemlich aufgeregten Diskussion über die PID beraten, heute sprechen wir über die Trivialitäten des Alltags. Ich weiß nicht, ob wir da die richtigen Ansprechpartner sind und das von unserer Ausbildung her leisten sollen. Wir können nicht auf der einen Seite über hochspezialisierte medizinische Themen diskutieren, wir können nicht darüber diskutieren, dass wir uns während des gesamten Berufslebens fort- und weiterbilden, um dann auf der anderen Seite vorgeschrieben zu bekommen, dass wir unfähige Eltern darüber informieren müssen, dass ihre Kinder vom Wickeltisch fallen können, wenn die Eltern zwischendurch Kaffee kochen. Das kann es nicht sein. Diese Forderung an uns Allgemeinmediziner und die Kinder- und Frauenärzte muss ich entschieden zurückweisen. Wenn Sie glauben, dass die Eltern nicht in der Lage sind, ohne ärztlichen Beistand Sorge dafür zu tragen, dass ihre Kinder nicht von den Hochstühlen fallen, dann frage ich Sie, ob Sie auch glauben, dass diese Eltern möglicherweise nicht in der Lage sind, mit der Chipkarte verantwortlich umzugehen. Das wäre die natürliche Folge. Man müsste den Antrag entsprechend umformulieren und dem Gesetzgeber empfehlen, bei diesem Personenkreis auch in anderer Weise das Selbstbestimmungsrecht einzuschränken.

Ich bitte Sie daher, meinem Antrag zuzustimmen, den ersten Satz unter Punkt 2.2.2 wie folgt zu ändern:

Zur Vermeidung von Sturzunfällen bei Säuglingen und Kleinkindern sollen Eltern gezielt beraten werden.

Damit ist der Sache Genüge getan.

Vielen Dank.

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Danke schön, Herr Schilling. - Jetzt kommt Herr Lob, ein Unfallchirurg.

© 2001, Bundesärztekammer.