TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 28. Mai 2002 Nur Nachmittagssitzung

Dr. Thomas, Westfalen-Lippe:

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte einen Traum: Ich glaubte, wir brauchten nicht gleich am Anfang eines Deutschen Ärztetages eine Redezeitbegrenzung einzuführen, sondern hätten die Möglichkeit, die Themen in aller Ruhe sachlich anzugehen. Das ist leider nicht der Fall, bedingt durch den Beitrag von Herrn Dietrich, der offensichtlich auf einer völlig anderen Veranstaltung war oder eine völlig andere Sichtweise von den Dingen hat.

(Beifall)

Es besteht die Möglichkeit, auf das, was Herr Dietrich vorgetragen hat, nicht einzugehen. Das will ich tun. Ich fand Ihre Rede, Herr Hoppe, ausgezeichnet.

(Beifall)

Sie haben ohne Polemik, in aller Sachlichkeit, die Knackpunkte, die uns zurzeit im Gesundheitswesen beschäftigen, angesprochen. Sie haben sehr subtil auf die geäußerten Meinungen der Ministerin geantwortet und ihr klar gemacht, dass es im medizinischen Bereich auch eine andere Sichtweise gibt.

Ich danke Herrn Hoppe für seine Äußerungen auch vor diesem Ärztetag. Er hat auf eine Medizin aufmerksam gemacht, die eine andere ist als jene, die wir gelernt haben und die wir ausüben wollen, die auch für unsere jungen Kollegen Platz, Raum und Freude schafft. Herr Professor Lasch hat heute Morgen gesagt: Man muss das Ärztliche wieder in den Mittelpunkt stellen. Genau das droht bei einer Medizin, die nur noch verbürokratisiert ist, verloren zu gehen. Die Kritik an den Leitlinien, die Herr Hoppe immer wieder übt, wird von vielen, so neulich auch vom Vorsitzenden der AOK, Herrn Kirch, zurückgewiesen. Herr Hoppe wehre die Leitlinienmedizin als auf dem Niveau homöopathischer Experimente befindlich ab. Ich weiß gar nicht, ob die Erwähnung homöopathischer Experimente eine Abwertung darstellt. Von Herrn Kirch ist etwas völlig anderes gemeint.

Herr Lauterbach hat die Berufsbezeichnung von Herrn Hoppe mit der Bemerkung abgewertet: "Ach, ein Pathologe hat das gesagt!" Meine Damen und Herren, dieser Pathologe ist unser Präsident. Wir haben ihn gewählt. Er vertritt unsere Meinung in der Öffentlichkeit. Ihm gebühren Beifall und Unterstützung. Wir müssen uns vor ihn stellen und ihm den Rücken stärken!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, auf der einen Seite verspricht die Ministerin, Bürokratie abzubauen, aber zehn Sätze weiter gibt sie zu, dass durch die Disease-Management-Programme natürlich eine zusätzliche Verwaltung erforderlich ist. Wenn sie vom Ende des Zutrauens zu den Expertokraten spricht, dann sagt sie kurz danach, dass sie neue Institute ins Leben rufen will, damit sich dort die Expertokraten betätigen können.

Hier wird Überschriftenpolitik betrieben. Wenn man diese Überschriften liest, meint man, es handele sich um etwas Vernünftiges. Das war schon in den letzten Jahren so. Wenn man sich den Inhalt anschaut, erkennt man, dass er völlig anders ist, als die Überschrift glauben macht. Wir müssen uns wieder auf das Ärztliche besinnen. Ärztliches hat mit Freiberuflichkeit zu tun. Ohne Freiberuflichkeit ist die ärztliche Aufgabe nicht zu erfüllen. Die Freiberuflichkeit nützt nicht den Ärzten, sondern den Patienten, den Versicherten, die sich nämlich darauf verlassen können, dass der Arzt in ihrem Auftrag und in ihrem Sinne alles Erforderliche für sie tut.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank, Herr Thomas. - Als nächster Redner Herr Dr. Calles aus Bayern. Herr Calles, bitte schön.

© 2002, Bundesärztekammer.