Dr. Montgomery, Vorstand
der Bundesärztekammer:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir
haben uns eine ganze Zeit mit dem Tagesgeschäft der Gesundheitspolitik
beschäftigt, mit den Dingen, die dringlich zur Lösung
anstehen. Ich möchte Ihr Augenmerk auf den Antrag I-2 des Vorstands
der Bundesärztekammer lenken, der sich mit langfristigen Strukturproblemen
beschäftigt. Ich möchte Ihnen kurz begründen, warum
ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir einmal darüber nachdenken,
wie sich unsere Krankenversicherung in den Jahren 2020, 2030 darstellt
und wie wir uns heute darauf vorbereiten können, dass sie dann
noch funktioniert.
Im Jahr 2040 wird sich das Verhältnis der unter 65-Jährigen
zu den über
65-Jährigen von heute 3 : 1 auf etwa 1 : 1 verändern.
Während heute drei Personen in der Sozialversicherung für
einen anderen aufkommen, wird sich im Jahre 2040 jeder seinen privaten
Bezahler suchen müssen, der ihn in der Renten- oder in der
Krankenversicherung finanziert.
Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass im Jahr 2040 nicht
mehr wie heute 42 Millionen Menschen arbeiten und damit Geld für
die Sozialversicherungssysteme verdienen, sondern nur noch 24 Millionen.
Das heißt, nur noch etwa die Hälfte der Menschen wird
in einem arbeitsfähigen Alter sein. Das heißt in unserem
heutigen System: Nur die Hälfte der Menschen wird Geld für
die Sozialversicherungssysteme generieren.
Gleichzeitig wissen wir, dass die Kosten in der Krankenversicherung
vom Alter der Versicherten abhängen. Je älter die Menschen
werden, desto mehr kosten sie. Die Tatsache, dass wir sie heute
älter werden lassen können, bedeutet, dass der Kostenanstieg
zwar erst später erfolgt, bedeutet aber auch, dass der Kostenanstieg
durchaus noch stärker ausfallen kann. Das heißt, wir
brauchen mehr Geld für diese Menschen, um sie später behandeln
zu können.
Das alles kann man einfach unter der Feststellung subsumieren, dass
sich der Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn
wir ihn weiter so erheben wie heute, bis zum Jahre 2040 von etwa
12, 13 oder 14 Prozent auf - nach konservativen Berechnungen - 24
Prozent bzw. auf über 30 Prozent - nach anderen Berechnungen
- erhöhen wird. Das heißt auf Deutsch, meine sehr verehrten
Damen und Herren: Wir müssen uns die Frage stellen, ob unsere
Kinder noch bereit sind, für unsere Krankenversorgung 30 Prozent
ihres Einkommens aufzubringen, damit wir im Alter gesund leben können.
Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Kinder das nicht
tun werden.
Ein letztes Argument: Alle Prognosen, die sich mit der Arbeitslosigkeit
beschäftigen, zeigen uns, dass die Arbeitslosigkeit substanziell
nicht sinken wird. Wir werden bei einem Arbeitslosigkeitslevel von
etwa 11 bis 15 Prozent bleiben. Daher glaube ich: Wir müssen
uns mit einer grundsätzlich anderen Krankenversicherung beschäftigen.
Wir müssen uns weitblickend fragen: Wie kann die Krankenversicherung
zukunftsstabil, demographieresistent und wirtschaftselastisch werden?
Dazu brauchen wir eine Versicherungspflicht für alle von Geburt
an, eine Abkoppelung vom Arbeitseinkommen, eine Beitrags- statt
einer Umlagefinanzierung, Kapitaldeckung für die Altersabsicherung
und den Solidarausgleich vom Staat steuerfinanziert.
Das ist der Inhalt der Alternative B im Antrag I-2, die wir mit
Ihnen weiterhin intensiv diskutieren wollen. Deshalb bitte ich Sie
herzlich, über den Antrag I-2 positiv zu diskutieren und ihm
anschließend Ihre Zustimmung zu geben.
Vielen Dank.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Schönen Dank, Herr Montgomery. - Als nächste Rednerin
bitte Frau Haus.
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