Thomas (als geladener Gast):
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte
mich zunächst für die Einladung zu diesem Deutschen Ärztetag
und für die Einladung, hier zu Ihnen zu sprechen, bedanken.
Bevor ich zu meinem eigentlichen Thema, der Approbationsordnung,
komme, möchte ich kurz etwas Ergänzendes zu den Ausführungen
des Vorredners sagen, der die Abschaffung des Numerus clausus gefordert
hat. Natürlich sind die Abschaffung des Numerus clausus und
eine individuelle Auswahl der Medizinstudenten wünschenswert
und wird sicher denen, die dieses Fach studieren wollen, viel eher
gerecht als eine Auswahl nach Abiturnoten. Aber das damit zu begründen,
dass viele junge Mediziner aufgrund der Bedingungen abspringen und
nicht in den Beruf einsteigen, sodass man dann sozusagen erklärt:
Wir müssen uns Studenten suchen, die später zu den Bedingungen
arbeiten, die vorherrschen, ist meiner Meinung nach der falsche
Weg.
(Beifall)
In der Eröffnungsveranstaltung wurde es teilweise so dargestellt,
als sei die jetzt verabschiedete Approbationsordnung ein großer
Durchbruch, der bedauerlicherweise allerdings einige Jahre zu spät
kommt. Dazu einige Punkte. Eine lange Beratungszeit an sich ist
überhaupt kein Problem, wenn diese Beratungszeit benutzt worden
wäre, um wirklich eine inhaltliche Überarbeitung des vorliegenden
Entwurfs vorzunehmen. Das Problem besteht ja darin, dass diese Beratungszeit
eigentlich nur dazu genutzt wurde, über formale Dinge zu streiten
und über Geld zu streiten - was wieder einmal zeigt, wo hier
die Prioritäten liegen. Eine wirklich gute Reform der Medizinerausbildung
hätte noch etwas mehr Zeit benötigt, wie man auch an dem
jetzt vorliegenden Entwurf sieht.
Das einzige Erfreuliche an diesem ganzen Prozess ist meiner Meinung
nach, dass man am 16. Januar gesehen hat, dass sich zumindest die
Medizinstudenten in einem viel stärkeren Maße für
ihre Ausbildung interessieren, als das zuvor häufig in der
Öffentlichkeit gesehen wurde. Sie sind durchaus bereit, für
ihre Interessen einzutreten.
Lassen Sie mich kurz einige ganz wesentliche Schwächen der
neuen Approbationsordnung erwähnen. Es kommt meiner Meinung
nach nicht zu einer stärkeren Verzahnung von Vorklinik und
Klinik, sondern es kommt dazu, dass das Physikum jetzt erstes Staatsexamen
heißt und zu einem Drittel in die Note eingeht. Das heißt,
vorklinische Inhalte, die eigentlich nur der Vorbereitung auf ein
klinisches Studium dienen sollten, werden plötzlich in ihrer
Wichtigkeit viel stärker betont und sind plötzlich für
die Abschlussnote relevant. Inwieweit die Beherrschung der Chemie,
in der man sicher gewisse Grundkenntnisse haben muss, etwas damit
zu tun hat, ob man einen Patienten behandeln kann, was sich dann
in einer Abschlussnote ausdrückt, bleibt meiner Meinung nach
offen.
(Beifall)
Der zweite wichtige Punkt ist, dass man zwar einen fächerübergreifenden
Unterricht fordert, aber die Anzahl der Fächer nicht etwa reduziert
hat, sondern jedes Thema, das man in der medizinischen Ausbildung
für wichtig hält, dadurch bedient hat, dass man einen
weiteren Schein und ein weiteres Fach eingeführt hat. Wie soll
denn ein junger Arzt später ein fächerübergreifendes
Behandlungskonzept durchführen, wenn er in der Universität
gelernt hat, dass jedes Fach separat unterrichtet werden muss und
das Wichtigste an der Universität offensichtlich ist, dass
jeder Fachvertreter seine eigenen Interessen bedienen kann und seine
Fachinhalte vermittelt, während es kaum integrierte Lehrveranstaltungen
gibt?
(Beifall)
Was die Frage der Abschlussprüfung angeht, so sind unsere
Bedenken keineswegs ausgeräumt. Es wird hier wahrscheinlich
zu einer Verlängerung der Studienzeiten kommen. Ich finde es
sehr bezeichnend, dass der Bundesrat mit seiner Zustimmung zur Approbationsordnung
gleichzeitig einen Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen verabschiedet
hat, in dem festgestellt wird, dass eine solche Verlängerung
zu befürchten ist und hier, bevor das neue Examen das erste
Mal in Kraft tritt, noch eine Änderung durchzuführen ist.
Das heißt, man hat sozusagen etwas beschlossen und gleichzeitig
gesagt, dass es nicht gut ist und dringend geändert werden
muss. Das sagt meiner Meinung nach alles und ist relativ bezeichnend.
Wir hoffen, dass es in den nächsten Jahren zu einer echten
Reform des Medizinstudiums kommen kann, zu einem fächerübergreifenden,
problemorientierten Unterricht, der den zukünftigen Anforderungen
an unser Gesundheitswesen besser gerecht wird. Qualität fängt
unserer Meinung nach im Studium an.
Vielen Dank.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank, Herr Thomas. Ihre Wortmeldung zeigt mir, dass dieses
Thema nie zu Ende diskutiert sein wird; das kann auch gar nicht
sein, weil Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung immer Folgen
einer vollzogenen Entwicklung sind, die fortschreiten muss. Deshalb
ist man immer unzufrieden. Das, was im Ist-Zustand modern ist, kann
in der Bildung immer nur nachgeholt werden. Das ist ein ganz normaler
Vorgang.
Sie haben völlig Recht, dass die Änderung der Bundesärzteordnung
uns auch zu einer weiteren Novelle der Approbationsordnung führen
wird, in der manche der Dinge, die jetzt nachgebessert worden sind,
aus einer Zeit stammen, als diese Nachbesserung noch viel relevanter
war als heute.
Der nächste Redner ist Herr Michaelis, Thüringen.
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