TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 28. Mai 2002 Nur Nachmittagssitzung

Dr. Müller-Dannecker, Berlin:

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Als ich 1983 zum ersten Mal an einem Deutschen Ärztetag teilnahm, hat mich furchtbar in Rage gebracht - vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch daran -, wie damals das in Schwarz und Grau gekleidete männliche Publikum unbedingt wollte, dass die Zahl der Medizinstudenten reduziert wird. Umso erstaunlicher ist es - da muss ich mich meinem Vorredner anschließen -, dass wir jetzt einen Ärztemangel beklagen müssen.

Ich erinnere an die Ausführungen von Herrn Lasch: In der Tat ist es so, dass der Spaß an unserer Arbeit erheblich abgenommen hat. Wir müssen uns fragen: Was hat die Attraktivität des Arztberufs genommen? Da komme ich zu Antworten, die zeigen, dass wir an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig sind. Ich meine, dass die Einführung des AiP ein erheblicher Fehler war, dass die Ausbeutung, welche die jungen Kolleginnen und Kollegen in dieser Phase erleben, unglaublich demotivierend ist.

Die Einführung der befristeten Weiterbildungsverträge war der Preis dafür, dass man AiP-Stellen schafft. Dies wiederum hat erhebliche Auswirkungen in der Richtung gehabt, dass die Chefärzte machen konnten, was sie wollten, weil die jungen Kolleginnen und Kollegen abhängig waren und sind. Wir haben schlechte Weiterbildungsbedingungen auch dadurch, dass die Egoismen zwischen den Abteilungen dazu führen, dass strukturierte Weiterbildungen nicht möglich sind.

Es ist nicht einmal mehr attraktiv, sich niederzulassen, weil die finanzielle Situation der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen alles andere als sicher ist.

Das sind die Punkte, die uns den Spaß an unserem Beruf nehmen. Deshalb fordere ich dazu auf, alle Anträge zu unterstützen, die auf eine Abschaffung des AiP hinauslaufen. Meiner Meinung nach hätte der AiP nie eingeführt werden dürfen.

(Beifall)

Wir müssen unbedingt fordern, dass die Befristung von Weiterbildungsverträgen abgeschafft wird. Es muss wieder unbefristete Verträge mit einer strukturierten Weiterbildung geben.
Darüber hinaus müssen wir die Arbeit im Krankenhaus entbürokratisieren. Ich sehe ein, dass heutzutage mehr dokumentiert werden muss als früher, dass die Ressourcen knapp sind. Wir müssen zumindest Arzthelferinnen an unserer Seite haben, damit wir nicht permanent mit der Pflege kämpfen müssen. Ich habe den Satz "Das ist nicht meine Aufgabe!" satt.

Wir haben Verhandlungen mit den Kassen zu führen, damit wir endlich von der Flut der unsäglichen Anfragen befreit werden, warum die Patienten von uns behandelt werden. Das ist Beschäftigungstherapie; diese Zeit geht für die Arbeit mit den Patienten verloren.

Beim Qualitätsmanagement müssen wir aufpassen, dass wir keine Datenfriedhöfe schaffen, sondern gezielte Fragestellungen gezielt untersuchen in bestimmten Stichprobeneinheiten, damit wir nicht nur um des Dokumentierens willen dokumentieren, ohne dass daraus irgendwelche Konsequenzen resultieren.

Wir müssen im niedergelassenen Bereich endlich wieder gesicherte Einkommen schaffen, damit es wieder Spaß macht, am Patienten zu arbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank, Frau Müller-Dannecker. - Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Bodendieck.

© 2002, Bundesärztekammer.