TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 28. Mai 2002 Nur Nachmittagssitzung

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer:

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich gern zum Antrag I-2 des Vorstands der Bundesärztekammer und zur Frage der Vorüberlegungen zu einer gesundheitspolitischen Analyse der Ärzteschaft Stellung nehmen möchte und weil ich es für notwendig halte, dass wir uns dabei noch einmal einige Zusammenhänge vergegenwärtigen, die wir für diese Debatte kennen müssen, außer den Fakten, die Herr Montgomery bereits vorgetragen hat. Der fünfte Punkt seines Katalogs beinhaltet den Wunsch, dass der Solidarausgleich in Zukunft vom Staat steuerfinanziert erfolgt. Das ist ordnungspolitisch wunderbar und stellt eine ganz klare ordnungspolitische Denkrichtung dar. Man erklärt damit den Solidarausgleich für eine Aufgabe der Allgemeinheit und keine Aufgabe im System einer solidarischen Krankenversicherung.

Das Problem liegt in der Umsetzung. Die führt im praktischen Leben zumindest für mich zu der Frage: Wie wahrscheinlich ist es eigentlich, dass der Staat aus Steuermitteln einen solchen Solidarausgleich leistet? Wir wissen, dass der Solidarausgleich keine kleinen Summen ausmacht, sondern nach den wenigen Berechnungen, die vorliegen, sind 50, 60 Milliarden Euro anzusetzen. Das macht einen erheblichen Teil der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Würde man dieses Instrument des Solidarausgleichs aus der Krankenversicherung entfernen, hätte man natürlich auch die Verbriefung dieser Mittel aus dem Solidarausgleich und aus der gesetzlichen Krankenversicherung entfernt. Sie wissen ja, dass alle Steuermittel einem allgemeinen Haushaltsausgleich dienen.

Das Gute am System der gesetzlichen Krankenversicherung ist ja gerade, dass der Solidarausgleich zwischen Jung und Alt, zwischen den stärker und den weniger Begüterten, zwischen den Kinderarmen und den Kinderreicheren mit einer definierten Vorgabe, wohin die Mittel fließen, nämlich in die gesundheitliche Versorgung, stattfindet. Diese Mittel geraten nicht in Konkurrenz zu anderen öffentlichen Aufgaben, wie beispielsweise der Bildung, der Verkehrsinfrastruktur, des Schulbaus, der Bildungsfinanzierung.

Wohin es führt, wenn die Solidarität vom Finanzminister gewährleistet wird statt von den Beitragszahlern und damit einen Anspruch auf diese Solidarität begründet, sieht man an dem Verschiebebahnhof, der unter dem Einfluss der Finanzminister und der Akteure anderer Sozialversicherungszweige immer wieder zustande kommt.

Deswegen, meine Damen und Herren, bitte ich uns alle, dass wir in dieser Diskussion mit sehr viel Rationalität und mit sehr viel nüchternem Sachverstand und mit wenig jener Emotionalität, die uns manchmal zur Raserei treiben kann, wenn wir die Quälerei sehen, die uns die gesetzliche Krankenversicherung manchmal zumutet, in die Debatte gehen, wenn wir über die Systeme reden und Konzeptionen für die nächsten 20 oder 30 Jahre entwickeln wollen. Die gesetzliche Krankenversicherung hat viele Mängel, aber sie ist kein so schlechtes System, dass man es unbesehen über Bord werfen und glauben darf, man könne einem Finanzminister, egal von welcher Partei, mehr Solidarbeitrag zutrauen als der großen Zahl der Beitragszahler, die das in der gesetzlichen Krankenversicherung mit einem reservierten Zweck tun.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank, Herr Henke. - Der nächste Redner ist Herr Lutz aus Bayern.

© 2002, Bundesärztekammer.