Henke, Vorstand der Bundesärztekammer:
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich gern zum
Antrag I-2 des Vorstands der Bundesärztekammer und zur Frage
der Vorüberlegungen zu einer gesundheitspolitischen Analyse
der Ärzteschaft Stellung nehmen möchte und weil ich es
für notwendig halte, dass wir uns dabei noch einmal einige
Zusammenhänge vergegenwärtigen, die wir für diese
Debatte kennen müssen, außer den Fakten, die Herr Montgomery
bereits vorgetragen hat. Der fünfte Punkt seines Katalogs beinhaltet
den Wunsch, dass der Solidarausgleich in Zukunft vom Staat steuerfinanziert
erfolgt. Das ist ordnungspolitisch wunderbar und stellt eine ganz
klare ordnungspolitische Denkrichtung dar. Man erklärt damit
den Solidarausgleich für eine Aufgabe der Allgemeinheit und
keine Aufgabe im System einer solidarischen Krankenversicherung.
Das Problem liegt in der Umsetzung. Die führt im praktischen
Leben zumindest für mich zu der Frage: Wie wahrscheinlich ist
es eigentlich, dass der Staat aus Steuermitteln einen solchen Solidarausgleich
leistet? Wir wissen, dass der Solidarausgleich keine kleinen Summen
ausmacht, sondern nach den wenigen Berechnungen, die vorliegen,
sind 50, 60 Milliarden Euro anzusetzen. Das macht einen erheblichen
Teil der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung aus.
Würde man dieses Instrument des Solidarausgleichs aus der Krankenversicherung
entfernen, hätte man natürlich auch die Verbriefung dieser
Mittel aus dem Solidarausgleich und aus der gesetzlichen Krankenversicherung
entfernt. Sie wissen ja, dass alle Steuermittel einem allgemeinen
Haushaltsausgleich dienen.
Das Gute am System der gesetzlichen Krankenversicherung ist ja gerade,
dass der Solidarausgleich zwischen Jung und Alt, zwischen den stärker
und den weniger Begüterten, zwischen den Kinderarmen und den
Kinderreicheren mit einer definierten Vorgabe, wohin die Mittel
fließen, nämlich in die gesundheitliche Versorgung, stattfindet.
Diese Mittel geraten nicht in Konkurrenz zu anderen öffentlichen
Aufgaben, wie beispielsweise der Bildung, der Verkehrsinfrastruktur,
des Schulbaus, der Bildungsfinanzierung.
Wohin es führt, wenn die Solidarität vom Finanzminister
gewährleistet wird statt von den Beitragszahlern und damit
einen Anspruch auf diese Solidarität begründet, sieht
man an dem Verschiebebahnhof, der unter dem Einfluss der Finanzminister
und der Akteure anderer Sozialversicherungszweige immer wieder zustande
kommt.
Deswegen, meine Damen und Herren, bitte ich uns alle, dass wir in
dieser Diskussion mit sehr viel Rationalität und mit sehr viel
nüchternem Sachverstand und mit wenig jener Emotionalität,
die uns manchmal zur Raserei treiben kann, wenn wir die Quälerei
sehen, die uns die gesetzliche Krankenversicherung manchmal zumutet,
in die Debatte gehen, wenn wir über die Systeme reden und Konzeptionen
für die nächsten 20 oder 30 Jahre entwickeln wollen. Die
gesetzliche Krankenversicherung hat viele Mängel, aber sie
ist kein so schlechtes System, dass man es unbesehen über Bord
werfen und glauben darf, man könne einem Finanzminister, egal
von welcher Partei, mehr Solidarbeitrag zutrauen als der großen
Zahl der Beitragszahler, die das in der gesetzlichen Krankenversicherung
mit einem reservierten Zweck tun.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Schönen Dank, Herr Henke. - Der nächste Redner ist Herr
Lutz aus Bayern.
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