TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 28. Mai 2002 Nur Nachmittagssitzung

Dr. Jungmann, Saarland:

Sehr geehrter Herr Professor Hoppe, dass Ihre Rede sehr gut war, haben Sie heute schon einige Male gehört. Das stimmt auch.

Aber das, was Sie zu den Disease-Management-Programmen gesagt haben, hat mir nicht gefallen. Überhaupt fehlte mir in Ihrer Rede der Aspekt der Qualitätskontrolle. Es muss so etwas wie die "good clinical practice" geben. Das muss von der Ärztekammer garantiert werden. Es muss Möglichkeiten geben, gegen mangelhafte Qualität vorzugehen, bevor ein Kunstfehlerprozess geführt wird. Es muss auch Möglichkeiten geben, Behandlungen exemplarisch, modellhaft darzustellen und daraus eine Kostenkalkulation abzuleiten, beispielsweise für den Diabetes. Erst dann kann man sagen: Ein Diabetes kostet so viel, ein Mammakarzinom kostet so viel, das Krankenkassensystem braucht für eine solche Krankheit durchschnittlich soundso viel Euro. Es gibt Kollegen, die nichts von einem HbA1C bei der Diabetesbehandlung wissen. Die Tatsache, dass man in Frankreich weniger Diabetikerfüße amputiert, haben wir uns von Herrn Lauterbach sagen lassen müssen. Das muss einen Zusammenhang mit der Qualitätskontrolle haben.

Zusätzliche Auslandsversicherungen gelten wohl auch nicht für reiche Länder wie Frankreich oder Schweden, sondern für die armen Länder. Wenn jemand nach Kenia oder Uganda fährt, möchte er natürlich nicht dort behandelt werden und mit Aids zurückkommen. Das sollten wir auseinander halten.

Außerdem sollten wir anerkennen, dass Patienten beispielsweise aus England nicht nur in Deutschland behandelt werden, sondern auch in Frankreich und vergleichbaren Ländern.
Wir brauchen also eine bessere Qualität. Das wird uns auch im Ausland vorgehalten, indem man erklärt, in Deutschland gibt es eine hervorragende Medizin, aber auch nur punktuell. Sie ist oft unzureichend, weil es keine Qualitätskontrolle gibt und auch keine Qualitätsanreize, auch nicht für die Kliniken, die ausbilden. Etwa die Hälfte der europäischen Ausbildungsinstitute haben "visitations", aber in Deutschland sträubt man sich dagegen und ist unfähig, so etwas durchzuführen und festzustellen, wie gut die Ausbildung in Deutschland ist. Sie ist sehr unterschiedlich, sowohl sehr gut als auch sehr schlecht.

In diesem Sinne brauchen wir die zertifizierte "continuous medical education". Nicht jeder will sich spontan und bestens ausbilden. Wir brauchen einen vorgeschriebenen Standard.

Zu viel Selbstgefälligkeit führt zu PISA und zu Lauterbach-Äußerungen, die uns am Ende doch nicht gefallen. Ich möchte die Bundesärztekammer ermutigen, im Sinne der Qualitätsverbesserung hinsichtlich der Kontrolle sowohl der Behandlung als auch der Diagnostik und der Ausbildung der Assistenten etwas zu tun.

(Vereinzelt Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank, Herr Kollege Jungmann. Der Tagesordnungspunkt II wird sich auch noch mit diesem Thema befassen, wie Sie sicher wissen. Da werden die Disease-Management-Programme ganz speziell angesprochen. Wir haben also Gelegenheit, darüber noch sehr ausführlich zu diskutieren. Es geht auch um ein ganz zentrales Thema.

(Zuruf: Geschäftsordnungsantrag!)

- An sich müssen auch Geschäftsordnungsanträge schriftlich vorgelegt werden. Aber wir sind ja großzügig. Um was geht es bitte?

(Zuruf: Ich möchte den Geschäftsordnungsantrag auf Schluss
der Rednerliste stellen!)

- Das gibt es bei uns nicht. Bei uns gibt es nur Ende der Debatte. Darüber muss dann abgestimmt werden. Ende der Rednerliste steht deshalb nicht in der Geschäftsordnung - wenn ich etwas Falsches sage, möge man mich korrigieren -, weil es möglich sein muss, dass ein Redner, der einem anderen im Plenum etwas sagt, die Replik ertragen muss, damit die Gegenmeinung hergestellt werden kann. Deshalb haben wir dieses Instrument nicht. Es ist nur der Antrag auf Schluss der Debatte möglich. Bei Annahme eines solchen Antrages werden alle Redner, die auf der Rednerliste stehen, gestrichen. Sie dürfen dann nicht mehr sprechen.

(Erneuter Zuruf)

- Hat sich erledigt.

Dann als nächster Redner bitte Herr Oberschelp aus Westfalen-Lippe.

© 2002, Bundesärztekammer.