Bodendieck, Sachsen:
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme
Nacht. Mir steht heute ungewollt das Recht zu, den ersten Redebeitrag
zu halten. Ich möchte mich zu den Disease-Management-Programmen
äußern, wie sie aus meiner Sicht von den Kassen und der
Politik verstanden werden. Ich glaube, hier gibt es eine große
Dissonanz im Verständnis dieser Programme zwischen den Ärzten
und den Kassen. Herr Professor Hoppe, Sie sprachen gestern von dem
so genannten gesunden Chroniker. Ich glaube, bei allen Einführungen
von Fallpauschalenregelungen oder Leitlinien und Richtlinien unter
dem Diktat des Geldes ist zu erwarten, dass das deutsche Volk, von
dem ich einmal sprechen will, eines der kränkesten Völker
wird, das wir weltweit kennen. Es wird sicherlich so sein, dass
jede anatomische Variabilität irgendwo in ein Krankheitskonzept
hineingepresst wird, um dadurch den letzten Cent aus der Kasse zu
erhalten.
Ich glaube, wir Ärzte verstehen dieses unter dem Begriff des
Disease-Management-Programms nicht. Ich denke, wir sollten das immer
wieder betonen und der Politik stets klar machen, dass man Krankheit
nicht ökonomisieren darf. Zumindest bruchstückhaft ist
das Konzept für Disease-Management-Programme im Bereich Diabetes
bekannt. Dieses Konzept ist allerdings, soweit es mir bekannt ist,
insoweit ungenügend, als es sich völlig von derzeit üblichen
und geforderten Qualitätsrichtlinien entfernt. Ich glaube,
das kann nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Nur ein kleines Beispiel:
Soweit mir bekannt ist, wird als Richtwert im Bereich des Diabetes
und der guten Therapie ein HbA1C von 8 Prozent angestrebt. Wir wissen
aber aus der letzten großen Studie im Rahmen von "evidence
based medicine", dass der Richtwert nach Möglichkeit 6,5
Prozent nicht überschreiten sollte. So können wir unsere
Bevölkerung nicht behandeln, so lässt sich die Altersstruktur
der Bevölkerung nicht in der Richtung verbessern, dass die
Patienten bei Wohlbefinden älter werden.
Des Weiteren glaube ich, dass die Durchführung dieser Disease-Management-Programme
in der angestrebten Form sicher dazu führt, dass sich auf absehbare
Zeit die demographische Entwicklung gerade hier in Deutschland umkehren
wird. Wir werden also diesen Überhang der älteren und
alten Bevölkerung auf absehbare Zeit nicht mehr haben. Das
mag vielleicht ein Anliegen der Politik sein. Herr Professor Vilmar
sprach vor Jahren vom "sozialverträglichen Frühableben".
Ich weiß nicht, ob man diesen Begriff verwenden sollte, aber
ich habe sehr stark den Verdacht, dass es in diese Richtung gehen
könnte.
Wir müssen uns fragen: Wer bleibt am Ende übrig? Es gibt
ja in Deutschland nur eine geringe Geburtenrate, sodass das seit
Jahren immer wieder kolportierte Zitat aus einem chinesischen Lexikon
des Jahres 2030 über die Deutschen Wirklichkeit werden könnte:
"Deutsche: kleines zänkisches Volk an der Westgrenze Chinas".
Danke schön.
(Vereinzelt Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Schönen Dank, Herr Bodendieck.
Ich begrüße unter unseren Gästen aus dem Ausland
Herrn Dr. István Szilvási, den Vizepräsidenten
der Ungarischen Ärztekammer, also unserer Schwesterorganisation
in Ungarn. Herzlich willkommen, Herr Kollege!
(Beifall)
Jetzt bitte Herr Kollege Zimmer aus Nordrhein.
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