Ruebsam-Simon, Baden-Württemberg:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Zu den Disease-Management-Programmen ist schon eine
Menge gesagt worden, und zwar Zutreffendes. Unsere Perspektive,
nämlich Qualitätsverbesserung, ist eine andere als jene
der Krankenkassen, die politische Macht wollen, nämlich Eingriff
in den therapeutischen Prozess. Unsere Perspektive ist auch eine
andere als jene der Politik, die sich damit nämlich Kostenersparnisse
erhofft.
Worüber wir noch nicht gesprochen haben, was etwas untergegangen
ist, ist die Einführung von weiteren zwei inakzeptablen Vorhaben
der Regierung. Es geht zum einen um das Zentrum für Qualität
in der Medizin mit Evaluations- und Entscheidungskompetenzen auch
in Fortbildungsfragen. Das ist der Versuch der Entmachtung, besser:
der Erosion der Kammern. Es geht zum anderen um die Etablierung
des Instituts für die Prüfung neuer Medikamente. Das ist
analog der Versuch, die KVen zu erodieren. Das macht sich vor der
Wahl gut.
Jetzt gibt es bereits den AOK-Cura-Plan, also den Willen, Disease-Management-Programme
flächendeckend zu etablieren.
Ich denke, wir müssen zwei Szenarien durchdenken: Erstens.
Die Selbstverwaltung schafft es in kürzester Zeit, einige weitere,
und zwar eigene Disease-Management-Programme vorzulegen, und die
Politik hält sich zurück. Zweitens. Das Bundesgesundheitsministerium
generiert im Zuge der Ersatzvornahme eigene Disease-Management-Programme.
Das sind dann wahrscheinlich AOK-Modelle.
Zu Fall 1: Es ist sinnvoll, sozusagen als politischen Joker eigene
Disease-Management-Programme bereitzustellen. Hier wäre für
mich das Konzept MEDI in Nordwürttemberg akzeptabel, da zumindest
in der Absicht extrabudgetäres Geld verwendet wird. De facto
aber handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Geld, das
die Kassen vorsorglich geparkt und damit dem allgemeinen Versichertenkreislauf
entzogen haben. Solange die Krankenkassen keine Bilanzen erstellen
müssen, wird sich das Problem nicht lösen lassen.
Fall 2: Man sieht zu, wie die Ministerialbürokratie das Problem
selber managt. Ich neige zur zweiten Variante, da die Disease-Management-Programme
nicht wie die DRGs Zwangscharakter haben und wir deshalb Freiheitsgrade
besitzen. Einmal eingeführt, sind sie kaum wieder zu beseitigen.
Ich meine, dass Disease-Management-Programme nur in Pilotprojekten
evaluiert werden sollten. Der umfassende Anspruch der Kassen ist
abzulehnen. Die Verknüpfung der Disease-Management-Programme
mit dem Risikostrukturausgleich ist ebenso abzulehnen. McKinsey
hat errechnet, dass es 1 bis 1,5 Milliarden Euro kosten wird.
Zusammengefasst: Der Deutsche Ärztetag sollte die flächendeckende
Einführung von Disease-Management-Programmen klar als Eingriff
in die ärztliche Therapiefreiheit ablehnen und die Vertragsärzte
auffordern, nur in Pilotprojekten mitzumachen, beispielsweise wie
in Nordbaden, oder bei Diabetesvereinbarungen. Das Argument, dass
die Politik oder die Kassen ansonsten solche Programme selber definieren,
zieht meines Erachtens nicht, weil sie dazu nicht in der Lage sind.
Die Disease-Management-Programme der Kassen sind der Punkt, an dem
Widerstand Pflicht ist. Wer sie in der jetzt geplanten Form akzeptiert,
muss sich fragen lassen, ob er nicht selbst davon profitiert; denn
der Missbrauch der Disease-Management-Programme für eigene
Interessen auch auf ärztlicher Seite ist eine reale Gefahr.
Es wurde auch über die praktische Umsetzung in den ärztlichen
Alltag vom Zeitbudget her und vom Budget her diskutiert. Das bleibt
ungeklärt. Eine ordentliche Gegenrechnung fehlt. Beispielsweise
wollen die Ersatzkassen die Strukturverträge Diabetes kündigen,
um es kostenneutral zu machen.
Ich denke, es wäre sträflicher Leichtsinn, den Disease-Management-Programmen
in der jetzigen flächendeckenden Form zuzustimmen.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Schönen Dank, Herr Ruebsam-Simon. - Der nächste Redner
ist Herr Dr. Stöckle aus Bayern.
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