TOP III : Ärztinnen: Zukunftsperspektive für die Medizin

3. Tag: Donnerstag, 30. Mai 2002 Vormittagssitzung

Dr. Buchmann-Barthel (als geladener Gast):

Sehr geehrte Damen und Herren des Präsidiums! Sehr geehrte Ministerin Bulmahn! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin gebeten worden, einmal aus der Sicht einer Assistenzärztin die Probleme zu schildern, die beim alltäglichen Spagat zwischen Beruf und Familie auftreten können. Gestatten Sie mir, dabei zunächst einmal meine Lage zu skizzieren. Ich bin 31 Jahre alt und Assistenzärztin am Ende des dritten Ausbildungsjahres für Anästhesie an der Universitätsklinik für Anästhesie hier in Rostock. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder im Alter von sieben und anderthalb Jahren. Die Betreuung meiner Kinder habe ich zum Teil durch einen Schulhort und zum Teil durch eine Tagesmutter, die etwas flexiblere Betreuungszeiten anbietet, sogar bis 18 Uhr realisiert.

Nach der Geburt meines zweiten Kindes habe ich ein Erziehungsjahr in Anspruch genommen und wollte dann nach Beendigung dieser Erziehungszeit gern eine Teilzeittätigkeit von sechs Stunden täglich beginnen, um mir und meinen Kindern den Wiedereinstieg in die volle Berufstätigkeit zu erleichtern. Leider konnte diese Möglichkeit an meiner Klinik nicht verwirklicht werden. Meine Chefin, selbst erste Ordinaria für Anästhesie, konnte diesen Wunsch nicht berücksichtigen.

Inzwischen arbeite ich wieder voll. Nur mithilfe der Familie, also meines Mannes und meiner Mutter, die als niedergelassene Zahnärztin selbst voll berufstätig ist, ist dies überhaupt möglich.
Das nächste Problem, das auf mich zukommen wird, ist die im Rahmen meiner Facharztausbildung notwendige Beschäftigungszeit auf der Intensivstation. Diese wird in unserem Hause im Dreischichtsystem betrieben. Auch hier muss ich sagen: Nur mithilfe der Familie ist es mir möglich, am Schichtsystem teilzunehmen. Ich könnte mir nicht vorstellen, als alleinerziehende Mutter so etwas durchzuziehen.

Wenn eines meiner Kinder erkrankt und die Schwere der Erkrankung eine Betreuung durch mich oder meinen Mann zwingend erforderlich macht, muss ich eine zusätzliche Betreuung für meine Kinder organisieren, dies gegen Entgelt. So wird also ein guter Teil der ohnehin spärlichen BAT-Ost-Einnahmen für die Betreuungskosten abgezweigt. Warum ist eine volle steuerliche Absetzbarkeit solcher Kosten nicht möglich?

Ich denke, andere Frauen sind in einer ähnlichen Situation. Mein Appell lautet: Wir sind gut ausgebildete Arbeitskräfte mit einer hohen Motivation zu arbeiten. Wenn eine Ärztin mit kleinen Kindern eine Teilzeittätigkeit wünscht, sollte man ihr diese Möglichkeit nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis gewähren;

(Beifall)

denn eine Frau, die eine Teilzeittätigkeit ausübt und ab und zu wegen einer Erkrankung der Kinder fehlen muss, ist doch sicherlich besser als eine, die wegen mangelnder Flexibilität ihrer Arbeitgeber jahrelang zu Hause bleiben muss, um ihre Kinder zu betreuen.

Die momentan viel diskutierte Situation eines drohenden Ärztemangels und eines Versorgungsengpasses in der Medizin sollten die Verantwortlichen zum Anlass nehmen, die Stellung der Frau in unserem Beruf zu überdenken und eventuell sozial verträglichere Bedingungen zur Ausübung unseres Berufs zu schaffen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank. - Eingeladen haben wir auch Frau Kollegin Oberfeld aus Münster. Sie hat jetzt das Wort.

© 2002, Bundesärztekammer.