TOP III : Ärztinnen: Zukunftsperspektive für die Medizin

3. Tag: Donnerstag, 30. Mai 2002 Vormittagssitzung

Dr. Thielemann (als geladener Gast):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Oberärztin haben Sie gerade erlebt. Ich möchte jetzt aus der Sicht des Assistenzarztes sprechen.

Ich habe in meiner bisherigen Weiterbildung ausgesprochen positive Erfahrungen mit weiblichen Ausbildern gemacht. Ich möchte das jedoch nicht verallgemeinern, da die Eigenschaften, die ich an meinen Ausbildern besonders zu schätzen gelernt habe, in erster Linie auf deren individuelle Persönlichkeit und erst in zweiter Linie sicherlich auch auf geschlechtsspezifische Momente zurückzuführen waren. Trotzdem möchte ich erwähnen, dass Eigenschaften wie Toleranz, Kontinuität und auch ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein gerade sicher auch mit Frauen verbunden waren. Als besonders wertvoll an meinen weiblichen Ausbildern empfand ich deren soziale Kompetenz. So hatte ich als Assistenzarzt nie das Gefühl, ausschließlich Befehlsempfänger zu sein. Vielmehr bestand von meinen Ausbildern her, insbesondere auch von meiner Oberärztin her, die kontinuierliche Bereitschaft, sich auch mit meinen Fragen, Problemen und Ansichten auseinander zu setzen.

Durch eine derartige Harmonisierung eines eigentlich asymmetrischen Dienstverhältnisses lässt sich in meinen Augen für alle Beteiligten - Assistenzärzte, Oberärzte und Chefärzte - eine ausgesprochen produktive Arbeitsatmosphäre herstellen.

Das eben Gesagte setzt jedoch voraus, dass der Auszubildende die Chance zur kontinuierlichen Kommunikation mit den leitenden Personen der Station, der Abteilung und vielleicht auch der Klinik erhält. Das wird in unserem Krankenhaus gewährleistet durch regelmäßig stattfindende und strukturierte Mitarbeitergespräche mit den Abteilungsleitern, also mit den Oberärzten und den Oberärztinnen der Station. Die Oberärztin sorgt in diesen Gesprächen immer für eine ausgesprochen freundschaftliche Atmosphäre, in der man auch über eigene Fehler lachen kann. Es gibt nützliche Hinweise für das berufliche und in seltenen Fällen auch für das private Leben. Ich denke, dass ich der Oberärztin im Namen aller Assistenten unserer Station für die Zeit, die sie in uns zusätzlich investiert, und die Mühe, die sie damit mit uns zweifellos auch hat, danken möchte.

Bei der Ausbildung im Operationssaal und vor allem der Station konnte ich lernen, dass die Chirurgie nicht ausschließlich medizinische Probleme beinhaltet. Durch das reine Beobachten der Kollegen auf der Station lernte ich, wie wichtig es ist, sich Zeit zu nehmen für die medizinischen und auch die persönlichen Probleme der Patienten. Bei der Vielzahl unterschiedlicher Persönlichkeiten, die das Patientenklientel einer chirurgischen Klinik ausmacht, bedarf das eben Gesagte eines hohen Maßes an Verantwortungsbewusstsein, an Lebenserfahrung und vor allem auch an Einfühlungsvermögen. Meinen Ausbildern ist es gelungen, mir in den letzten fünf Jahren das Gefühl zu vermitteln, kontinuierlich in der Weiterbildung voranzukommen.

In diesem Zusammenhang lernte ich auch, Schritt für Schritt selbst Verantwortung zu übernehmen. Diese Verantwortung erstreckt sich natürlich nicht nur auf die zu betreuenden Patienten, sondern schließt auch die Kollegen mit ein, mit denen man Tag für Tag und Nacht für Nacht zusammenarbeitet.

Ich denke, dass ich nun auch wieder im Namen aller Assistenten unserer Station spreche, wenn ich sage, dass wir uns auch in der Chirurgie mehr Frauen als Ausbilder wünschen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank, Herr Kollege Thielemann. - Als nächster Redner bitte Herr Calles aus Bayern.

© 2002, Bundesärztekammer.