TOP IV : Zukunft der hausärztlichen Versorgung

2. Tag: Mittwoch, 29. Mai 2002 Nachmittagssitzung

Dr. Koch, Referent:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt ein kleines technisches Problem. Ich wollte Ihnen mit Bildern demonstrieren, wie unsere Diskussionen und unser Ergebnis ausgesehen haben. Ich vermisse aber hier am Rednerpult und auch auf der Leinwand die PowerPoint-Demonstration.

Wir haben es natürlich auch auf diesem Feld Allgemeinmedizin/Innere Medizin letztendlich mit der Novellierung der Weiterbildungsordnung zu tun, heute mit dem ganz speziellen Thema "Zukunft der hausärztlichen Versorgung". Es gab auf dem 104. Deutschen Ärztetag 2001 den Antrag III-10 von Herrn Kollegen Dietz, der beinhaltete, dass die Felder der Allgemeinmedizin und die Felder der Inneren Medizin für eine hausärztliche Versorgung zusammengeführt werden sollen. Im Antrag war sogar von einer Fusionierung die Rede. Es erfolgte auch eine Begründung mit einigen einzelnen Punkten.

Dieser Antrag wurde lange diskutiert und dann vom 104. Deutschen Ärztetag an den Vorstand der Bundesärztekammer überwiesen. Der Vorstand der Bundesärztekammer hat sich intensiv mit dieser Problematik befasst und daraufhin beschlossen, eine Arbeitsgruppe des Vorstands einzurichten, die sich bis zum 105. Deutschen Ärztetag mit dieser Problematik befassen soll.
Ich wollte Ihnen jetzt eigentlich ein Bild vorführen, denn ich weiß aus verschiedenen Gesprächen in den letzten Tagen, dass viele von Ihnen gespannt sind, ob ich Ihnen vielleicht auch in diesem Jahr wieder ein Bild aus fernen Landen zeigen werde. Es wäre ein Bild der Shwezigon-Pagode in Burma gewesen. Ganz besonders fasziniert hat mich in diesem Land die tiefe Gläubigkeit in der Bevölkerung an die Lehre von Buddha. Ich konnte mich in der Arbeitsgruppe des Eindrucks nicht erwehren, dass dort von allen Seiten der Glaube bestand, die Problematik einer gemeinsamen Lösung zuführen zu können.

Mitglieder der Arbeitsgruppe waren Vorstandsmitglieder der Bundesärztekammer, der Berufsverband deutscher Allgemeinärzte und die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin, der Berufsverband Deutscher Internisten und die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, ferner der Verband der Hausärztlichen Internisten, der Marburger Bund und letztendlich auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die wir wegen der Bedeutung auch für das Vertragsarztrecht gebeten hatten, in der Arbeitsgruppe mitzuarbeiten.

Die Arbeitsgruppe hat im letzten Jahr einige Male getagt und hat sich zum Ziel gesetzt, darüber zu diskutieren, welche Anforderungen an eine Hausärztin/einen Hausarzt der Zukunft überhaupt gestellt werden müssen. Sehr schnell konnten sich alle Beteiligten auf die Inhalte dessen einigen, was für einen Hausarzt der Zukunft benötigt wird.

Ich möchte an dieser Stelle allen Beteiligten - den Internisten und den Allgemeinärzten - meine Hochachtung aussprechen, die viele Kompromisse geschlossen und viele Hürden überwunden haben, um zu einem gemeinsamen Inhalt zu kommen, der die Anforderungen an die Hausärztin/den Hausarzt definiert.

(Beifall)

Nachdem die Anforderungen definiert waren und man sich klar war, was im Prinzip geschehen muss, wurde es etwas schwierig, weil die Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer beauftragt wurden, das, was in dieser Arbeitsgruppe diskutiert wurde, in Vorschläge zum Weiterbildungsrecht zu gießen. Ich denke, uns allen ist klar, dass ein Weiterbildungsgremium wie der Ausschuss und die Ständige Konferenz "Weiterbildung" auch noch andere Gesichtspunkte mit berücksichtigen muss als Berufsverbände und Fachgesellschaften, die ja isoliert nur ihr Fachgebiet und die Wissenschaft in ihrem Fachgebiet sehen. Die Weiterbildungsgremien müssen natürlich auch das Weiterbildungsrecht als solches berücksichtigen, müssen EU-Regelungen berücksichtigen und müssen im Sinne der beschlossenen Deregulierung vor allem auch die Frage beantworten: Ist diese Umsetzung auch machbar? Ist sie in der täglichen Praxis realisierbar, ohne dass Engpässe für die Kolleginnen und Kollegen entstehen, die diese Weiterbildung betreiben wollen?

Wir müssen in diesen Gremien auch übergeordnete Gesichtspunkte mit in die Diskussion einbringen, was die Arbeit oftmals etwas schwierig macht.

Schauen wir uns zunächst einmal den Istzustand an. Wir haben auf der einen Seite den Facharzt für Allgemeinmedizin und auf der anderen Seite den Facharzt für Innere Medizin, der sowohl hausärztlich als auch fachärztlich tätig ist. Die Schwerpunkte in der Inneren Medizin kommen natürlich noch hinzu. Das heißt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt ein dreistufiges System.

Der Antrag von Herrn Dietz aus dem vorigen Jahr beinhaltet, dass wir den Facharzt für Allgemeinmedizin und den Facharzt für Innere Medizin auf irgendeine Art und Weise - er hat, wie gesagt, wörtlich von "fusionieren" gesprochen - zu einem gemeinsamen Hausarzt der Zukunft zusammenfassen.

Unser Ziel muss also sein, aus dem dreistufigen System ein zweistufiges System zu machen, das beispielsweise auf der einen Seite eine Hausärztin/einen Hausarzt zur Folge hat und auf der anderen Seite einen Internisten mit seinen Schwerpunkten. Hierüber haben die Gremien lange Zeit diskutiert. Letztendlich hat der Ausschuss "Weiterbildung" ein solches zweistufiges Modell für sehr sinnvoll erachtet und einstimmig beschlossen. Er hat es der Ständigen Konferenz zur Diskussion vorgelegt. Die Ständige Konferenz "Weiterbildung" hat dieses über drei Stunden sehr intensiv diskutiert und dann das zweistufige Modell, das ich Ihnen anschließend vorstellen werde, ohne Gegenstimme beschlossen. Sie hat dem Vorstand der Bundesärztekammer empfohlen, Ihnen dies heute vorzutragen.

Was beinhaltet dieses zweistufige Modell? Das Ganze beginnt mit drei Jahren gemeinsame Inhalte. Es ist vorgesehen, dass mindestens zwei Jahre obligat im stationären Bereich sind. Es geht also um eine stationäre Weiterbildung in einer weiterbildungsbefugten Klinik. Ein Jahr kann aus anderen Gebieten angerechnet werden.

Beim Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin erfolgt eine Weiterbildung in der ambulanten hausärztlichen Versorgung, also zwei Jahre im niedergelassenen Bereich, inklusive der für die hausärztlich tätige Kollegin/den hausärztlich tätigen Kollegen gültigen chirurgischen Weiterbildungshalte.

Sie wissen ja, dass wir in der fünfjährigen Weiterbildung zum Allgemeinarzt einen Kurs von 80 Stunden vorgesehen haben. Sie wissen auch, dass bei der dreijährigen Weiterbildung, die vorher bestand, ein 240-Stunden-Kurs vorgesehen war.

Die Ständige Konferenz und auch der Vorstand der Bundesärztekammer waren sich darüber einig, dass die Inhalte, die in diesen Kursen gelehrt werden, also im Wesentlichen psychosomatische Inhalte, auf jeden Fall erhalten bleiben müssen, dass man aber überlegen sollte, ob dies wirklich in einem Kurssystem geschehen muss, weil dies den jungen Kolleginnen und Kollegen ja wieder neues Geld und weitere Zeit abverlangt, ob man den Inhalt nicht anders darlegen kann.

Das Ganze endet mit einer Prüfung nach fünf Jahren. Diese Prüfung muss natürlich die bisher allgemeininternistischen Inhalte umfassen, wie sie im stationären Bereich gelehrt werden und gelernt werden können, und muss natürlich die speziellen Inhalte, die wir bisher unter den Begriff Allgemeinmedizin gestellt haben, umfassen, also die speziellen Gesichtspunkte, die man benötigt, um als Familienarzt, als Arzt, der die Ganzheit sieht und behandelt, tätig werden zu können.

Die Kollegin/der Kollege könnte dann den Titel "Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin" erhalten. Das ist nur ein Terminus technicus. Dieser Arbeitstitel muss sicher bei der Novellierung der (Muster)-Weiterbildungsordnung im nächsten Jahr noch angepasst werden, wenn ein entsprechender Bedarf besteht.

Für den zukünftigen "Facharzt für Innere Medizin/Schwerpunkt ..." erfolgt nach den drei Jahren der gemeinsamen Inhalte die Vermittlung der Schwerpunktinhalte in der Inneren Medizin. Derzeit sind es acht an der Zahl. Ob sich diese Zahl noch ändert, werden wir im nächsten Jahr diskutieren.

Nach diesem Modell erfolgt die Prüfung nach sechs Jahren. Diese Prüfung beinhaltet natürlich die normale internistische Medizin und die Schwerpunkte. Das heißt, der Kandidat, der hier zur Prüfung antritt, muss sowohl die allgemein-internistischen Dinge beherrschen als auch seine Schwerpunktinhalte. Das alles würde mit dem "Facharzt für Innere Medizin/Schwerpunkt ..." enden.

Die Weiterbildungszeiten zum Hausarzt der Zukunft sind: mindestens zwei Jahre stationär, ein Jahr wahlfrei - stationär, ambulant, in einem anderen Fachgebiet - und mindestens zwei Jahre ambulante hausärztliche Weiterbildung. Man kommt auf eine Gesamtzeit von fünf Jahren, mindestens zwei Jahre stationär, mindestens zwei Jahre ambulant, ein Jahr mit Wahlfreiheit.
Ich komme zu den Weiterbildungszeiten für den Schwerpunkt-Internisten. Erforderlich ist eine mindestens zwei Jahre dauernde stationäre allgemein-internistische Weiterbildung, ein Jahr wahlfrei, dann mindestens drei Jahre Weiterbildung im Schwerpunkt. Sie wissen, dass diese mindestens dreijährige Weiterbildung im Schwerpunkt aus EU-rechtlichen Gründen erforderlich ist. Sie haben dies im vorigen Jahr mit dem Paragraphenteil im Prinzip auch als Grundlage für die weitere Diskussion beschlossen.

Welche Vorteile bietet für die Kolleginnen und Kollegen und für die Existenz der hausärztlichen Versorgung das zweistufige Modell, das Ihnen die Bundesärztekammer heute vorstellt? Wir haben eine zweigliedrige Struktur in allgemeinmedizinisch-internistisch geprägte Hausärzte und spezialisierte Internisten. Die bisherige Diskussion, wer der bessere Hausarzt ist - der Allgemeinarzt oder der hausärztliche Internist -, entfällt. Wir haben klare Strukturen auch für die Patientinnen und Patienten. Die Patientinnen und Patienten werden ganz klar sehen: Ich muss zum Hausarzt als dem ersten Ansprechpartner gehen, wenn ich fachärztlich allgemeinmedizinisch versorgt werden will. Wer ist der Spezialist, der mich dann weiter betreut oder zuständig ist, wenn ich ein ganz spezielles Problem habe?

An der bisherigen fünfjährigen Weiterbildung ändert sich nichts. Es wird einen fünfjährig weitergebildeten Hausarzt mit flexiblen Bildungsmöglichkeiten und soliden Mindestqualifikationen in den Grundfächern geben. Sie wissen, dass die Forderung sowohl von Ihnen als auch von den Weiterbildungsgremien gestellt wurde, gerade für die Zukunft sehr flexible Möglichkeiten zu schaffen. Die Kolleginnen und Kollegen haben sehr viele Wege, um zu dieser Qualifikation als Facharzt/Fachärztin für Allgemeinmedizin und Innere Medizin zu kommen. Wir haben solide Mindestqualifikationen in den erforderlichen Grundfächern. Wir haben die Innere Medizin als Grundfach und die chirurgischen Inhalte mit aufgenommen.

Es gibt einen großen Vorteil - und das war den Weiterbildungsgremien ganz wichtig -: Nicht jeder Schwerpunktinternist muss das "Hausarztpaket" durchlaufen. Nicht jeder Schwerpunktinternist muss in die niedergelassene Praxis gehen, muss chirurgische Inhalte erlernen, muss einen Kurs oder etwas Ähnliches absolvieren. Dies hielten die Weiterbildungsgremien für nicht umsetzbar.

Dieses Modell der Bundesärztekammer bietet den großen Vorteil, dass die Schwerpunktinternisten diesen Flaschenhals nicht durchlaufen müssen, sondern auf anderem Wege zu ihrem Facharzt für Innere Medizin und zu ihrer Schwerpunktbezeichnung kommen.
Der Umstieg für Schwerpunktinternisten mit zwei Jahren Weiterbildung ist ohne größere Probleme möglich, wenn zwei Jahre hausärztliche Tätigkeit in der Praxis anschließen. Wenn er das anrechnungsfähige Jahr bereits in der hausärztlichen Praxis absolviert hat, ist dies anrechnungsfähig. Er braucht dann praktisch nur noch ein letztes Jahr in der hausärztlichen Praxis zu verbringen.

Das heißt, mit der heutigen Zeit von sieben Jahren für die Weiterbildung in der Inneren Medizin und im Schwerpunkt könnten wir in Zukunft dahin kommen, dass wir sowohl den Facharzt für Innere Medizin mit der Schwerpunktbezeichnung als auch den Facharzt für Allgemeine und Innere Medizin installieren könnten. Das ist eine sehr flexible Lösung. Das heißt, auch der Schwerpunktinternist ist in Zukunft von der hausärztlichen Versorgung nicht ausgeschlossen, wenn er sich entsprechend zusätzlich qualifiziert.

Ein ganz wichtiger Grund dafür, dieses Modell so vorzustellen, wie ich es gerade getan habe, ist die Tatsache, dass dieses Modell mit den Heilberufsgesetzen der Länder und vor allem mit den Europa-Richtlinien, die sich ja mit der Migration befassen, kompatibel ist. Das heißt, das, was ich Ihnen gerade vorgestellt habe, kann man ohne große Schwierigkeiten mit den EU-Regelungen und den EU-Richtlinien in Einklang bringen.

Der Vorstand der Bundesärztekammer hat einen entsprechenden Antrag beschlossen, der Ihnen heute als Entschließungsantrag des Vorstands der Bundesärztekammer vorliegt. Er läuft darauf hinaus, dass Sie gemäß dem Auftrag des 104. Deutschen Ärztetages eine zweigliedrige Struktur für die Weiterbildung zum Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin und zum Facharzt für Innere Medizin mit einer Schwerpunktbezeichnung beschließen als Basis für die Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung, die wir ja im nächsten Jahr zur Beschlussfassung vorstellen und vorlegen wollen.

Meine Damen und Herren, ich bin noch immer ganz davon überzeugt, dass es uns auch heute gelingen wird - daran glaube ich fest -, hier einen sinnvollen Beschluss zu fassen, der das hausärztliche Geschehen in Zukunft sinnvoll möglich macht, und zwar auf einer qualitativ hohen Ebene, mit vielen flexiblen Möglichkeiten und der Erfüllung der Interessen, die alle Seiten vertreten können.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank, Herr Kollege Koch, für diesen Vortrag. In einer gemeinsamen Vorstandssitzung von KBV und Bundesärztekammer haben wir beschlossen, dass wir diese Richtung verfolgen sollten, wenn wir unser Ziel erreichen wollen.

Bevor wir zur Diskussion kommen, möchte ich mitteilen, dass es zwei Geschäftsordnungsanträge gibt. Der eine Antrag betrifft die Form der Abstimmung. Es wird beantragt, nach § 16 der Geschäftsordnung die Schlussabstimmung geheim und schriftlich durchzuführen. Den anderen Antrag müssen wir sofort bescheiden. Dabei geht es um die Frage, ob wir uns von vornherein auf eine Redezeit von vier Minuten begrenzen.

(Zuruf: Drei Minuten!)

- Jetzt gibt es einen Antrag auf Begrenzung der Redezeit auf drei Minuten. - Jetzt gibt es eine Wortmeldung von Herrn Kollegen Windau aus Sachsen. Ich schätze, Sie möchten eine Gegenrede halten. Bitte schön.

© 2002, Bundesärztekammer.