Prof. Dr. Braun, Berlin:
Sehr verehrter Herr Professor Hoppe! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Fast auf den Tag genau sind es fünf Jahre her,
dass der 100. Deutsche Ärztetag in Eisenach die fünfjährige
allgemeinmedizinische Weiterbildung beschloss und damit die dritte
allgemeinmedizinische Weiterbildung in einem Jahrzehnt zu einem
guten Ende brachte. Von allerhöchster Stelle, von Ihnen, sehr
verehrter Herr Professor Hoppe, und auch von der Ständigen
Konferenz "Ärztliche Weiterbildung" der Bundesärztekammer
bestand noch vor gut einem Jahr kein Bedarf für inhaltliche
Änderungen. Und das war gut so. Schließlich brachte uns
die fünfjährige Weiterbildung einen enormen Schub. Viel
hat sich für unser Fach inzwischen getan. Die Prüfungsergebnisse
bei den Facharztprüfungen, die ich seit zehn Jahren in Berlin
miterlebe, sind deutlich besser geworden. Das Selbstverständnis
vieler junger Kollegen ist gewachsen. An den Universitäten
Deutschlands hat es einen regelrechten Boom gegeben. Aus zwei Lehrstühlen
1992 sind circa 15 an den deutschen Hochschulen geworden. Das ist
der Stand.
Was geben wir auf? Dieses Modell diskriminiert sich schon - man
möge mir verzeihen - durch seinen Namen. Ein Kompromiss ist
niemals ein Optimum. Wenn wir uns aber immer innerhalb von zehn
Jahren ein viertes Mal für eine Veränderung einsetzen,
kann das nur Sinn machen, wenn eine Verbesserung für die Patienten
in Aussicht gestellt wird. Es ist aber vielmehr so, dass wir Nachteile
in Kauf nehmen werden. Die vorgeschlagene Weiterbildungsordnung
bleibt hinter jener mit den Inhalten zurück, die wir jetzt
haben. Wir werden keine obligate chirurgische und keine obligate
pädiatrische Zeit mehr haben.
(Beifall)
Die Realisierung des Initiativprogramms zur Förderung der
ambulanten Weiterbildung ist infrage gestellt. Weiter besteht die
Befürchtung, den derzeit erreichten Aufschwung der Allgemeinmedizin
an den Universitäten unnötig zu erschüttern. Die
angestrebte gemeinsame Weiterbildung mit der Inneren Medizin könnte
die Situation an den Hochschulen verbessern und soeben gewonnenes
Land verlieren lassen.
Besonders schwerwiegend - überlegen Sie sich das bitte ganz
genau - wäre in diesem Zusammenhang auch die Unüberschaubarkeit
für die Studenten, die für das Fachgebiet Allgemeinmedizin
und damit für die Grundbetreuung der Patienten gewonnen werden
sollen. International, meine Damen und Herren, wären wir dann
einmalig. Es gibt kein Land auf der Welt, in dem es eine gemeinsame
Allgemeinmedizin und Innere Medizin gibt.
(Vereinzelt Beifall - Zurufe)
Berufsverbandsvorstände und -ausschüsse haben hier ohne
Einbeziehung der Basis über die Zukunft der Allgemeinmedizin
entschieden. Der Satz "Wir sind das Volk" ist mir noch
gut im Ohr.
(Vereinzelt Beifall)
Bisher verknüpften sich meine Vorstellungen zur ärztlichen
Selbstverwaltung auch damit. Die Mehrzahl der Ärztinnen und
Ärzte in den neuen Bundesländern sehen in den derzeitigen
Empfehlungen eine Rückentwicklung. Entsprechende Stellungnahmen
der sächsischen und der thüringischen Gesellschaft und
auch des Virchow-Bundes möchte ich Ihnen anschließend
überreichen. Wenn ich nun aber höre, dass Herr Kossow
schon vorab alle BdA-Mitglieder einschwört und sozusagen in
meiner Abwesenheit mich dort an die Wand stellt, sehe ich mich wirklich
als David vor dem stimmgewaltigen Goliath.
(Vereinzelt Beifall)
Nichtsdestoweniger, meine Damen und Herren, unabhängig von
allen Machtkalkülen möchte ich Sie eindringlich vor der
Verschlechterung der Situation der Allgemeinmedizin warnen. Ich
möchte Sie bitten, gegen das Kompromissmodell und für
den Status quo zu stimmen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Schönen Dank, Frau Braun. Ich wusste, dass es sich um eine
weitere fundamentale Stellungnahme handeln wird. Ich glaube, deswegen
sollten wir die geringfügige Überschreitung der Redezeit
konzedieren.
(Zuruf)
- Herr Zimmer, möchten Sie einen Geschäftsordnungsantrag
stellen? Den Antrag auf Schluss der Debatte und Abstimmung kann
nur jemand stellen, der noch nicht gesprochen hat. Übernimmt
jemand, der noch nicht gesprochen hat, diesen Antrag? - Herr Kaiser
aus Westfalen-Lippe. Möchten Sie das begründen, Herr Kaiser?
(Zuruf)
- Nein. Möchte jemand gegen den Antrag auf Schluss der Debatte
sprechen? - Formal. Dann stimmen wir ab. Wer möchte Schluss
der Debatte und sofortige Abstimmung? - Wer ist dagegen? - Das ist
die Mehrheit. Dann diskutieren wir weiter.
Der nächste Redner ist Herr Hutterer aus Nordrhein. Bitte schön.
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