TOP IV : Zukunft der hausärztlichen Versorgung

2. Tag: Mittwoch, 29. Mai 2002 Nachmittagssitzung

Prof. Dr. Braun, Berlin:

Sehr verehrter Herr Professor Hoppe! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fast auf den Tag genau sind es fünf Jahre her, dass der 100. Deutsche Ärztetag in Eisenach die fünfjährige allgemeinmedizinische Weiterbildung beschloss und damit die dritte allgemeinmedizinische Weiterbildung in einem Jahrzehnt zu einem guten Ende brachte. Von allerhöchster Stelle, von Ihnen, sehr verehrter Herr Professor Hoppe, und auch von der Ständigen Konferenz "Ärztliche Weiterbildung" der Bundesärztekammer bestand noch vor gut einem Jahr kein Bedarf für inhaltliche Änderungen. Und das war gut so. Schließlich brachte uns die fünfjährige Weiterbildung einen enormen Schub. Viel hat sich für unser Fach inzwischen getan. Die Prüfungsergebnisse bei den Facharztprüfungen, die ich seit zehn Jahren in Berlin miterlebe, sind deutlich besser geworden. Das Selbstverständnis vieler junger Kollegen ist gewachsen. An den Universitäten Deutschlands hat es einen regelrechten Boom gegeben. Aus zwei Lehrstühlen 1992 sind circa 15 an den deutschen Hochschulen geworden. Das ist der Stand.

Was geben wir auf? Dieses Modell diskriminiert sich schon - man möge mir verzeihen - durch seinen Namen. Ein Kompromiss ist niemals ein Optimum. Wenn wir uns aber immer innerhalb von zehn Jahren ein viertes Mal für eine Veränderung einsetzen, kann das nur Sinn machen, wenn eine Verbesserung für die Patienten in Aussicht gestellt wird. Es ist aber vielmehr so, dass wir Nachteile in Kauf nehmen werden. Die vorgeschlagene Weiterbildungsordnung bleibt hinter jener mit den Inhalten zurück, die wir jetzt haben. Wir werden keine obligate chirurgische und keine obligate pädiatrische Zeit mehr haben.

(Beifall)

Die Realisierung des Initiativprogramms zur Förderung der ambulanten Weiterbildung ist infrage gestellt. Weiter besteht die Befürchtung, den derzeit erreichten Aufschwung der Allgemeinmedizin an den Universitäten unnötig zu erschüttern. Die angestrebte gemeinsame Weiterbildung mit der Inneren Medizin könnte die Situation an den Hochschulen verbessern und soeben gewonnenes Land verlieren lassen.

Besonders schwerwiegend - überlegen Sie sich das bitte ganz genau - wäre in diesem Zusammenhang auch die Unüberschaubarkeit für die Studenten, die für das Fachgebiet Allgemeinmedizin und damit für die Grundbetreuung der Patienten gewonnen werden sollen. International, meine Damen und Herren, wären wir dann einmalig. Es gibt kein Land auf der Welt, in dem es eine gemeinsame Allgemeinmedizin und Innere Medizin gibt.

(Vereinzelt Beifall - Zurufe)

Berufsverbandsvorstände und -ausschüsse haben hier ohne Einbeziehung der Basis über die Zukunft der Allgemeinmedizin entschieden. Der Satz "Wir sind das Volk" ist mir noch gut im Ohr.

(Vereinzelt Beifall)

Bisher verknüpften sich meine Vorstellungen zur ärztlichen Selbstverwaltung auch damit. Die Mehrzahl der Ärztinnen und Ärzte in den neuen Bundesländern sehen in den derzeitigen Empfehlungen eine Rückentwicklung. Entsprechende Stellungnahmen der sächsischen und der thüringischen Gesellschaft und auch des Virchow-Bundes möchte ich Ihnen anschließend überreichen. Wenn ich nun aber höre, dass Herr Kossow schon vorab alle BdA-Mitglieder einschwört und sozusagen in meiner Abwesenheit mich dort an die Wand stellt, sehe ich mich wirklich als David vor dem stimmgewaltigen Goliath.

(Vereinzelt Beifall)

Nichtsdestoweniger, meine Damen und Herren, unabhängig von allen Machtkalkülen möchte ich Sie eindringlich vor der Verschlechterung der Situation der Allgemeinmedizin warnen. Ich möchte Sie bitten, gegen das Kompromissmodell und für den Status quo zu stimmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank, Frau Braun. Ich wusste, dass es sich um eine weitere fundamentale Stellungnahme handeln wird. Ich glaube, deswegen sollten wir die geringfügige Überschreitung der Redezeit konzedieren.

(Zuruf)

- Herr Zimmer, möchten Sie einen Geschäftsordnungsantrag stellen? Den Antrag auf Schluss der Debatte und Abstimmung kann nur jemand stellen, der noch nicht gesprochen hat. Übernimmt jemand, der noch nicht gesprochen hat, diesen Antrag? - Herr Kaiser aus Westfalen-Lippe. Möchten Sie das begründen, Herr Kaiser?

(Zuruf)

- Nein. Möchte jemand gegen den Antrag auf Schluss der Debatte sprechen? - Formal. Dann stimmen wir ab. Wer möchte Schluss der Debatte und sofortige Abstimmung? - Wer ist dagegen? - Das ist die Mehrheit. Dann diskutieren wir weiter.

Der nächste Redner ist Herr Hutterer aus Nordrhein. Bitte schön.

© 2002, Bundesärztekammer.