TOP V : Novellierung einzelner Vorschriften der (Muster-) Berufsordnung §§ 27, 28 in Verbindung mit Kapitel D I Nrn. 1 - 5,
§ 15 Abs. 2, § 20 Abs. 3

4. Tag: Freitag, 31. Mai 2002 Vormittagssitzung
Dr. Flenker, Referent:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr geehrten Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nach den intensiven, engagierten und teilweise emotionalisierten Diskussionen und dem historischen Beschluss vom gestrigen Tage sowie den Feierlichkeiten der letzten Nacht und des heutigen Morgens muss ich Sie um Aufmerksamkeit für die Berufsordnung bitten. Das schöne alte deutsche Weihnachtslied "Alle Jahre wieder" ist nicht die Leitmelodie der Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer. Trotzdem steht heute die Berufsordnung wieder auf der Tagesordnung eines Deutschen Ärztetages, obwohl wir - da erinnern Sie sich nicht falsch - vor relativ kurzer Zeit, nämlich auf dem 100. Deutschen Ärztetag, eine Gesamtnovellierung der (Muster-)Berufsordnung beschlossen haben und wir uns auf dem 103. Deutschen Ärztetag gerade mit jenen Vorschriften der Berufsordnung befasst haben, die heute wiederum auf der Tagesordnung stehen.

Trotzdem sind wir veranlasst, uns erneut mit den Vorschriften der beruflichen Kommunikation bzw. mit den Vorschritten der ärztlichen Werbung zu befassen; denn das Bundesverfassungsgericht, aber auch das Bundesverwaltungsgericht haben sich im vergangenen Jahr und auch in diesem Jahr in einer, wie man geradezu sagen kann, Kaskade von monatlichen Entscheidungen mit Fragen der Werbung von Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten und Rechtsanwälten befasst und grundsätzliche Entscheidungen zum Bereich der beruflichen Kommunikation freiberuflich Tätiger getroffen. Ich glaube, die meisten dieser Entscheidungen sind Ihnen aus der Presse bekannt.

Zu nennen ist hier zuerst die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom April 2001, in der es Ärzten gestattet wurde, auf ihrem Praxisschild neben der Facharztbezeichnung unter Angabe der verleihenden Organisation den Tätigkeitsschwerpunkt Akupunktur anzukündigen.
Im Juli 2001 hat dann das Bundesverfassungsgericht für die Zahnärzte entschieden, dass Zahnärzte berechtigt sind, auf ihrem Praxisschild nicht nur Qualifikationen anzukündigen, die nach Weiterbildungsrecht erworben wurden, sondern auch sonstige Qualifikationen angegeben werden dürfen, wenn diese beispielsweise auf einer Fortbildung beruhen und der Zahnarzt diese angekündigte Tätigkeit nicht nur gelegentlich ausübt.

Im Januar 2002 hat das Bundesverfassungsgericht weiterhin entschieden, dass im Bereich der Klinikwerbung der Begriff Spezialist verwandt werden darf.

Im Februar 2002 hat das Bundesverfassungsgericht sodann entschieden, dass die Begrenzung von Anzeigen auf bestimmte Anlässe wie Praxisgründung, Urlaubsvertretung u. a. nicht mehr angemessen ist und auch diese Begrenzung, die bisher im Berufsrecht vorgesehen ist, aufzuheben ist.

Meine Damen und Herren, aus all diesen Entscheidungen, ja dieser Entscheidungskaskade, die ergänzt werden durch eine Reihe von Entscheidungen zum Werberecht der Anwälte, ergibt sich die verfassungsrechtliche Bewertung zur Außendarstellung von Ärzten. Das Bundesverfassungsgericht führt wörtlich aus - ich darf zitieren -:

Das Werbeverbot für Ärzte soll dem Schutz der Bevölkerung dienen, es soll das Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente verordnet ... Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Das Werbeverbot beugt einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor. Werberechtliche Vorschriften in ärztlichen Berufsordnungen hat das Bundesverfassungsgericht daher mit der Maßgabe als verfassungsmäßig angesehen, dass nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung verboten ist ... Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, muss im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr jedoch Raum bleiben.

Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass in einer modernen Informationsgesellschaft - wir leben in einer solchen Informationsgesellschaft - auch dem berechtigten Interesse der Bevölkerung auf Information Rechnung getragen werden muss. Um das Interesse an sachlicher, vielleicht besser gesagt: guter und zutreffender Information zu sichern, muss es Grenzen geben. Diese sind allerdings weit zu ziehen und finden sich immer dort, wo Ankündigungen anpreisend, irreführend oder vergleichend sind.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn nach der neuesten Rechtsprechung der obersten deutschen Gerichte fast alles erlaubt und kaum etwas verboten ist, warum überhaupt noch eine Regelung zur ärztlichen Kommunikation in der Berufsordnung? Warum verzichten wir nicht auf eine Regelung? Ich kann diese Fragen, die von der Ärzteschaft gestellt werden, gut nachvollziehen. Diese Fragen haben wir natürlich auch in den Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer, im Ausschuss und in der Ständigen Konferenz, intensiv diskutiert. Wir sind zu der Auffassung gelangt, dass an den Regelungen zur Werbung im ärztlichen Berufsrecht festgehalten werden sollte. Freiberufliche Tätigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass eben nicht wie für gewerbliche Leistungen geworben wird, sondern dass auch im Rahmen von zulässigen Informationen dem Patientenschutz Rechnung zu tragen ist. Auch generalisierende Regelungen können dazu beitragen, die Qualität der Information zu sichern. Dieses Ziel sollte die Ärzteschaft nicht aufgeben.

Auch ein Blick über die deutschen Grenzen im Vergleich mit den anderen europäischen Berufsordnungen zeigt, das in Europa grundsätzlich an Wettbewerbsvorschriften für die Ärzte festgehalten wird. Diese Überlegungen lassen es gerechtfertigt erscheinen, weiter eine Regelung zur ärztlichen Werbung in die Berufsordnung aufzunehmen. Allerdings sind nicht mehr Regelungen aller Details erforderlich, sondern die Neufassung kann sich auf generalklauselartige Bestimmungen beschränken.

Erlauben Sie mir nun, Ihnen kurz die Neuregelung darzustellen. Zunächst möchte ich Ihnen einen Überblick über die Grundsätze der neuen Regelungen geben. Anschließend werde ich die Vorschriften im Einzelnen erläutern.

Die wichtigsten Grundsätze lauten: keine Detailregelung, sondern Generalklausel; keine Privilegierung von Bezeichnungen, die nach dem Weiterbildungsrecht erworben wurden - es können alle Informationen wie Weiterbildungsbezeichnungen, sonstige öffentlich-rechtliche Qualifikationen, Tätigkeitsschwerpunkte und organisatorische Hinweise angekündigt werden -; alle Werbeträger werden gleich behandelt, sodass keine Differenzierung zwischen elektronischen Medien und Papiermedien erfolgt; die Beschränkung der anlassbezogenen Information wird aufgehoben, also nicht nur Information bei Praxisvertretung, Urlaub oder Ähnlichem; keine Sonderregelung für Klinikwerbung; auf die besonderen Informationsmöglichkeiten unter Ärzten wird verzichtet; der notwendige Inhalt des Praxisschildes wird festgelegt, es gibt aber keine Regelungen zur Größe und zur Anzahl der Schilder - es muss also niemand mehr mit dem Fotoapparat und einem Zollstock durch die Stadt laufen -; die Ankündigung von Kooperationen wird geregelt; für Verzeichnisse wurde eine Sonderregelung in § 28 neu aufgenommen; Streichung des Kapitels D 1.

Nun die Vorschriften im Einzelnen. § 27 - erlaubte Information und berufswidrige Werbung - wurde neu gefasst. Abs. 1 enthält entsprechend der Systematik moderner Gesetzestechnik eine Beschreibung des Normzweckes. Die Formulierung orientiert sich an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2001 zur Implantologie. Zweck der Bestimmung ist der Patientenschutz durch sachgerechte und angemessene Information sowie die Vermeidung einer dem Selbstverständnis des Arztes zuwiderlaufenden Kommerzialisierung des Arztberufs.

In § 27 Abs. 2 wird klargestellt, dass berufsbezogene sachliche Informationen zulässig sind.

§ 27 Abs. 3 regelt, was unter berufswidriger Werbung zu verstehen ist. Dies sind beispielsweise Informationen, die geeignet sind, den Patienten irrezuführen, weil eine falsche Qualifikation angegeben wird oder die eigene Leistungsfähigkeit anpreisend herausgestellt wird.

§ 27 Abs. 4 legt fest, welche Angaben zukünftig auf allen Informationsmedien angegeben werden können. Dieses sind wie bisher Weiterbildungsbezeichnungen, also beispielsweise Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Chirurgie usw. Neu sind sonstige öffentlich-rechtliche Qualifikationen und Tätigkeitsschwerpunkte und in dem bisher bekannten Maße organisatorische Hinweise.

Durch diese Vorschrift in § 27 Abs. 4 wird die bisherige Privilegierung der Weiterbildungsbezeichnungen aufgegeben und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gefolgt.

In diesem Zusammenhang wurde in den Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer kontrovers die Frage diskutiert, ob man den Begriff "Tätigkeitsschwerpunkt" oder stattdessen "besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" verwenden sollte. Letztlich haben sich nach eingehender Diskussion die Berufsordnungsgremien für den umfassenden Begriff "Tätigkeitsschwerpunkt" entschieden.

Gleichzeitig wurde in diesem Zusammenhang auch die Frage diskutiert, ob eine zahlenmäßige Begrenzung der ankündigungsfähigen Tätigkeitsschwerpunkte erfolgen sollte. Das Bundesverfassungsgericht lässt eine solche zahlenmäßige Begrenzung ausdrücklich zu. Im Hinblick darauf, dass die Ankündigung nur erfolgen darf, wenn die Tätigkeit nicht nur gelegentlich ausgeübt wird, erschien eine ausdrückliche zahlenmäßige Begrenzung entbehrlich.

Besonders hinweisen möchte ich Sie auf die Möglichkeit, dass zukünftig auf die Ärztekammer hingewiesen werden kann, die die Qualifikation verliehen hat. Damit wird nach meiner Auffassung ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung der Ankündigungen geleistet.
Der letzte Satz des Absatzes 4 stellt sicher, dass selbst gewählte Ankündigungen nicht mit solchen nach dem Weiterbildungsrecht verwechselt werden.

§ 27 Abs. 5 stellt sicher, dass nur solche Tätigkeiten angekündigt werden dürfen, die auch ausgeübt werden.

§ 27 Abs. 6 räumt den Ärztekammern die Möglichkeit ein, die Ankündigungen zu überprüfen.
In § 28 finden Sie eine Sonderregelung für Verzeichnisse. Hierdurch soll der kostenlose Grundeintrag gewährleistet werden und damit die Chancengleichheit unter allen Ärzten gewahrt werden.

Meine sehr verehrten Kolleginnen, meine sehr geehrten Kollegen, damit ist im Prinzip die Regelung für die Werbung beschrieben. In den Folgevorschriften der §§ 17, 18, 22 der (Muster-) Berufsordnung finden Sie einige Detailregelungen zu Praxisschildern. Diese Detailregelungen sind Folgeänderungen zum vorgeschlagenen § 27. Wenn zukünftig vieles erlaubt wird, muss auf der anderen Seite sichergestellt werden, dass das Praxisschild die zur Information notwendigen Mindestinhalte aufweist.

§ 17 Abs. 4 betrifft das Praxisschild. Hier wird der obligate Inhalt des Praxisschildes festgeschrieben. Fakultativ sind weitere Angaben auf dem Praxisschild möglich.

§ 18 Abs. 3 regelt den Inhalt des Schildes bei ausgelagerten Praxisräumen.

In § 22 a Abs. 1 wird aufgeführt, dass man nicht quasi anonym in einer Praxisgemeinschaft tätig werden kann, sondern dass der Name des Arztes und seine Arztbezeichnung anzuzeigen sind. Weiterhin wird geregelt, dass in einer Praxisgemeinschaft beispielsweise der Name Virchow oder Sauerbruch nicht weitergeführt werden kann. Ebenso wird in § 22 a aufgeführt, dass sich bei Kooperationen der Arzt mit in das Schild aufnehmen lassen muss. In Abs. 3 wird geregelt, dass Zusammenschlüsse von Organisationsgemeinschaften nicht angekündigt werden dürfen. Dies entspricht der bisherigen Regelung des Kapitels D 1 Nr. II Abs. 9 - 11.

Neu ist hier die ausdrückliche Möglichkeit, einen Praxisverbund anzukündigen. Alle weiteren Vorschriften zur Ankündigung ärztlicher Tätigkeiten sind aufgegeben worden. Dieses gilt insbesondere für den bisherigen Abschnitt Kapitel D I Nrn. 1 - 5.

Soweit in diesen berufsrechtlichen Vorschriften bisher Detailregelungen, insbesondere Regelungen beispielsweise zur Ankündigung "hausärztliche Versorgung" oder "Praxisklinik" oder "ambulantes Operieren", enthalten waren, werden die Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer nach der Beschlussfassung auf dem Deutschen Ärztetag erläuternde Hinweise zu der neu gefassten Berufsordnung erarbeiten, die die praktische Anwendung dieser Vorschriften erleichtern sollen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen, meine sehr geehrten Kollegen, neben den vorgestellten Vorschriften zur beruflichen Kommunikation bitten wir Sie, noch zwei weitere Änderungen der Berufsordnung zu beschließen. Hierbei handelt es sich in § 20 Abs. 3 um die Berichtigung eines redaktionellen Fehlers, der jedoch in einigen Ärztekammern zu Problemen geführt hat, und um eine Änderung in § 15 Abs. 2. In § 15 Abs. 2 ist bisher die Deklaration des Weltärztebundes berufsrechtlich verankert. Diese Vorschrift normiert aber keine originären berufsrechtlichen Pflichten, sondern regelt die Arbeit der Ethikkommissionen. Deshalb haben die Berufsordnungsgremien eine Streichung und eine Aufnahme in die Verfahrensordnung der Ethikkommissionen empfohlen.

Ich darf Sie bitten, bei der anschließenden Diskussion die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen. Auch wenn Sie vielleicht diese Rechtsprechung nicht in allen Punkten für überzeugend halten, wenn Sie vielleicht nicht nachvollziehen können, welchen Informationswert Bezeichnungen wie "Spezialist" haben und wie die Qualität der Information zukünftig gesichert werden soll, so sind wir dennoch an diese Rechtsprechung unseres obersten Gerichts gebunden. Berücksichtigen Sie bei der Diskussion bitte auch, dass die Ärztekammern zukünftig ihre Fortbildungen zertifizieren und damit ihren Beitrag zur Qualitätssicherung von Informationen leisten werden. Bedenken Sie bitte auch, dass zukünftig beispielsweise nach dem Fallpauschalengesetz, den berühmt-berüchtigten DRGs, vergleichende Informationen über Krankenhausleistungen möglich sein werden. Mit all diesen Mitteln wird Transparenz über das ärztliche Leistungsangebot hergestellt. Diese Transparenz sollten wir nicht fürchten, diese Transparenz sollten wir befürworten.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu den vorgeschlagenen Novellierungen der (Muster-) Berufsordnung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)


Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank, Ingo Flenker, für diesen deutlich erklärenden und zum Teil auch appellativen Vortrag, der uns in die Lage versetzt hat, jetzt eine Diskussion über diese Thematik zu führen. Es liegen einige Wortmeldungen vor. Das erste Thema, das uns beschäftigen sollte, ist das Thema Werbung. Zu Wort gemeldet hat sich zu § 27 Abs. 5 Herr Kollege Bertram aus Thüringen. Bitte schön, Herr Bertram.

© 2002, Bundesärztekammer.