TOP VI : Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

4. Tag: Freitag, 31. Mai 2002 Vormittagssitzung

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Wir kommen jetzt zum Antrag 48. Er lautet:

Um Gewaltopfern, insbesondere von Gewalt im häuslichen Umfeld betroffenen Frauen und Kindern, wirksam und langfristig helfen zu können, müssen folgende Maßnahmen umgesetzt werden ...

Dann folgen drei Vorschläge. Schließlich wird auf einen niedersächsischen Arbeitskreis verwiesen.

Möchte jemand gegen den Antrag sprechen? - Bitte schön, Herr Schieber, Baden-Württemberg.

Dr. Schieber, Baden-Württemberg:

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe mich nicht in der Lage, diesem Antrag zuzustimmen, wenn nicht eine Änderung erfolgt. Das gilt im Übrigen auch für die Anträge 63 und 65. Mich stört generell der Untertitel der gesamten Gruppe: häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder. Ich denke, wir haben als Ärzte einen umfassenden Fürsorge- und Behandlungsauftrag. Er bezieht sich auf Menschen.

(Beifall)

Nicht nur Frauen und Kinder sind der Gewalt ausgesetzt, sondern auch Männer, und zwar in zunehmendem Maße, wie die Literatur belegt.

Deshalb möchte ich die Antragstellerinnen bitten, statt "Frauen und Kinder" den Begriff "Menschen" zu verwenden. Noch schöner wäre es, wir könnten "Lebewesen" sagen; denn so sehr wir gestern über die Bemerkung von Herrn Koch gelacht haben, auch Tiere sind Gewalt ausgesetzt. Das höchste Gericht hat jetzt den Tierschutz im Grundgesetz sanktioniert. Aber soweit möchte ich bei diesen Anträgen nicht gehen. Wenn hier nicht der Begriff "Menschen" verwendet wird, sind wir einseitig.

Danke.

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Danke schön.

(Zuruf: Vorstandsüberweisung!)

- Es wird beantragt, den Antrag 48 an den Vorstand zu überweisen. Aber zunächst hat Frau Goesmann als Antragstellerin das Wort. Bitte sehr.

Dr. Goesmann, Niedersachsen:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im unteren Teil des Antrags steht - das gilt auch für den Antrag 49 -, dass wir in Niedersachsen ausdrücklich auf Wunsch unseres Sozialministeriums, das auch für gesundheitliche Fragen zuständig ist, diese breit angelegte Arbeitsgruppe gebildet haben, um eben speziell darauf hinzuweisen, dass Frauen und Kinder deutlich vermehrt der Gewalt im häuslichen Bereich ausgesetzt sind, mehr als Männer. Wir leugnen natürlich nicht, dass es auch Gewalt gegen Männer und Tiere gibt.

(Heiterkeit)

Ich denke, man kann das so abstimmen. Es ist eine politische Entscheidung, dass ausdrücklich noch einmal gesagt wird: Wir stimmen im Rahmen des EWHNT dafür, dass wir diesen Gesichtspunkt in die Fortbildung und die Weiterbildung einführen, dass wir erkennen, wo Gewalt gegen Kinder und Frauen ausgeübt wird.

Wir müssen solche Signale, die von betroffenen Patientinnen und Patienten an uns herangetragen werden, erkennen und in der Lage sein, Patientinnen mit ihren Kindern daraufhin anzusprechen und entsprechend zu behandeln. Dann können wir auch die Weiterbehandlung in psychotherapeutischer Hinsicht einleiten. Wir müssen einfach eine Sensibilität für dieses Problem entwickeln. Das können wir nicht dadurch umgehen, dass wir diese beiden Anträge verniedlichen.

Ich bitte Sie, den Anträgen unverändert zuzustimmen. Ich soll hier mitteilen, dass seitens unseres Sozialministeriums, also von politischer Seite, erwünscht ist, so etwas zu verabschieden.

(Beifall - Widerspruch)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank. - Zur Geschäftsordnung ist beantragt worden, den Antrag 48 an den Vorstand zu überweisen. Herr Peters möchte dazu noch etwas sagen. Bitte schön.

Dr. Peters, Rheinland-Pfalz:

Verehrte Delegierte! Ich habe einen grundsätzlichen Vorschlag zu machen. Es gibt mehrere Anträge zum Thema Gewalt. Das ist in der Tat ein sehr komplexes Thema. Ich glaube, wir werden auf der Basis von Einzelanträgen der Thematik nicht gerecht.
Ich schlage vor, alle Anträge, die mit Gewalt zu tun haben, an den Vorstand zu überweisen und dass auf einem der nächsten Ärztetage über das Thema "Medizin im Spannungsfeld von Gewalt" - ob in der Familie, in der Gesellschaft, bezüglich kriegerischer Verhältnisse - diskutiert wird. Wir sollten nicht mit solchen Einzelmaßnahmen ein Konvolut erzeugen.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank. Dann würde es sich natürlich anbieten, die entsprechenden Vorschläge an den Vorstand zu überweisen. Dann kann er sich damit befassen und das vorbereiten.

(Beifall)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache VI-48. Möchten Sie die Vorstandsüberweisung? - Ist jemand dagegen? - Enthält sich jemand? - Der Antrag ist an den Vorstand überwiesen.

© 2002, Bundesärztekammer.