ENTSCHLIESSUNGSANTRAG I - 8
Auf Antrag des Vorstandes der Bundesärztekammer (Drucksache I-8)
fasst der 105. Deutsche Ärztetag folgende Entschließung:
Ausländische Erfahrungen lassen erwarten, dass die Umsetzung
des Fallpauschalengesetzes auch in Deutschland zu einem durchgreifenden
Strukturwandel in der Gesundheitsversorgung führen wird.
Dieser Strukturwandel wird nicht auf den stationären Bereich
beschränkt bleiben und nicht ohne Risiken sein und kann daher
nur unter der Beteiligung des ärztlichen Sachverstandes im
Interesse der Sicherstellung einer hochqualitativen Versorgung
unserer Patienten erfolgreich gestaltet werden.
Hierbei kommt es zunächst darauf an, das ausgewählte
AR-DRG-System (Australian Refined-Diagnosis Related Groups) kurzfristig
auf mögliche Problembereiche hin zu analysieren und auf empirischer
Grundlage sachgerecht an die Leistungswirklichkeit in Deutschland
anzupassen. Sollten sich die wenigen, durch das Fallpauschalengesetz
(FPG) begrenzten Möglichkeiten einer DRG-unabhängigen
zusätzlichen oder alternativen Vergütung von Leistungsbereichen
nicht als ausreichend erweisen, muss die Politik im Sinne des
"lernenden Systemansatzes" kurzfristig zu gesetzlichen
Nachbesserungen bereit sein.
Damit dieses System nicht aus Fehlern zu Lasten der Krankenversorgung
und zum Schaden der Patienten lernen muss, werden die Politik
und die Vertragsparteien der Selbstverwaltung aufgefordert, die
Ärzteschaft bei diesem Prozess frühzeitig mit einzubeziehen.
Besonderes Augenmerk gilt dabei der Analyse und Bewertung der
Auswirkungen des neuen DRG-Vergütungssystems auf seine Wechselwirkungen
mit dem ambulanten Versorgungsbereich.
Die Versorgung der Patienten im Krankenhaus ist auch dann gefährdet,
wenn das neue DRG-System ohne Rücksicht auf die durch das
ärztliche und pflegerische Personal tatsächlich geleistete
Arbeitszeit durchgesetzt wird. Die in das FPG aufgenommene Regelung
einer unter bestimmten Voraussetzungen möglichen Anhebung
der Krankenhausbudgets ist zwar grundsätzlich zu begrüßen.
Sie stellt das Anerkenntnis der Politik dar, dass hier gehandelt
werden muss. Sie wird aber allein bei weitem nicht ausreichen,
um mehr als nur einen unbedeutenden Bruchteil des tatsächlichen
Stellenmehrbedarfs zu finanzieren. Besonders dramatisch ist diese
Entwicklung vor dem Hintergrund des Urteils des Europäischen
Gerichtshofes vom 3. Oktober 2000 zu den gesetzlichen Arbeitsbedingungen
für Ärzte zu sehen, welches auf Grund der Budgetzwänge
an der Mehrheit der deutschen Krankenhäuser immer noch nicht
umgesetzt wurde. In der Konsequenz dieses EuGH-Urteils werden
bis zu 27.000 Ärztinnen und Ärzte mehr als bisher im
Krankenhaus gebraucht.
Die Ursache des geradewegs in den akuten Ärztemangel führenden
Attraktivitätsverlusts des krankenhausärztlichen Berufsbildes
liegt aber keineswegs allein in der teils unmenschlichen Arbeitszeitsituation.
Die auch durch das Fallpauschalengesetz weiter zunehmende Bürokratisierung
entfernt die Ärztinnen und Ärzte zunehmend von ihrer
eigentlichen Aufgabe: der Behandlung und menschlichen Unterstützung
ihrer Patienten. Zwar steht die Notwendigkeit einer akkuraten
und nachvollziehbaren Dokumentation der behandelten Diagnosen
und erbrachten Leistungen außer Frage. Die nach den Vorgaben
des FPG im Wesentlichen ohne direkte Beteiligung der Ärzteschaft
festzulegenden Grundsätze für Fehlbelegungs-, Entlassungs-
und Abrechnungsprüfungen nach § 17 c KHG dürfen
jedoch nicht in eine primär durch Misstrauen geprägte
forensisch-prüfmedizinische Dokumentationsspirale münden.
Die Festlegung von Dokumentationsanforderungen und Prüfgrundsätzen
darf aus diesem Grund auf keinen Fall an der Ärzteschaft
und damit auch am Patienten vorbei erfolgen, sondern muss sich
auch weiterhin primär an den klinisch relevanten Sachverhalten
und den sich aus der akuten Befundsituation ergebenden Handlungsnotwendigkeiten
orientieren.
Das ärztliche Streben gilt dem "gesund machen",
nicht dem "krank schreiben"!
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