ENTSCHLIESSUNGSANTRAG I - 24
Auf Antrag von Frau Schlang (Drucksache I-24) fasst der 105. Deutsche
Ärztetag folgende Entschließung:
Der 105. Deutsche Ärztetag bedauert, dass die Inhalte der
im April verabschiedeten neuen Approbationsordnung trotz der sehr
langen Vorlaufzeit den Anforderungen an eine grundlegende Reform
des Medizinstudiums nicht gerecht werden.
· Das Studium gliedert sich nur noch in zwei Abschnitte,
einen von zwei und einen von vier Jahren, dessen letztes Jahr
unverändert ein Praktisches Jahr bleibt.
· Die Prüfung am Ende des 1. Abschnitts wird erschwert
und verändert, ohne dass in größerem Umfang klinische
Inhalte aufgenommen werden: Zur praktisch unveränderten MC-Prüfung
wird eine obligatorische mündlich-praktische Prüfung
in den Fächern Anatomie, Biochemie, Physiologie hinzugefügt.
Neuere internationale Erkenntnisse zur Form und zum Ablauf solcher
mündlich-praktischer Prüfungen werden nicht als Voraussetzung
benannt. Die - bisher wenigstens möglichen - Prüfungen
in Medizinischer Soziologie und Psychologie entfallen ganz; damit
steht der konkrete Entwurf im Widerspruch zu den selbst vom BMG
benannten Zielen ("Die Verzahnung von klinischen und theoretischen
Ausbildungsinhalten über die gesamte Studienzeit zu gewährleisten."
"Die ganzheitliche Sicht der Patientensituation ... müssen
verstärkt berücksichtigt werden.")
· Der 2. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung soll
vier Jahre nach dem 1. Abschnitt erst nach dem PJ (!) am Ende
des gesamten Studiums erfolgen (Von Studenten als "Hammerexamen"
bezeichnet). Der schriftliche MC-Teil soll allerdings nur noch
mit 320 Fragen und insbesondere durch Fallstudien gestaltet werden.
Während bisher im sechsten klinischen Semester ausreichend
Zeit zur Prüfungsvorbereitung vorhanden war, soll dies in
Zukunft unmittelbar nach dem PJ bei gleichzeitiger Vorbereitung
auf die Mündlich-praktischen Prüfungen geschehen! Dies
wird zu einer Verlängerung des Studiums führen, obwohl
die Regelstudienzeit mit sechs Jahren und drei Monaten (·
3 (2) Satz 2) festgelegt bleibt. Nicht zur Kenntnis genommen wurden
Hinweise, dass MC-Prüfungen mit weniger Fragen schwieriger
sind als solche mit vielen Fragen und dass nach internationalem
Stand der Diskussion von Fallstudien-Fragen wieder Abstand genommen
wird, da diese zur korrekten Lösung schwer steuerbare Lese-
und Verständniszeiten erforderlich machen.
· Die MC-Prüfungen sollen weiterhin von einem Institut
ohne Berücksichtigung der Rückmeldemöglichkeit
an die direkt Lehrenden konzipiert werden. Der zentrale Kritikpunkt
am gegenwärtigen Studium, dass die zentralen Prüfungen
keinerlei Rückmeldungen an die Lehrenden über den Erfolg
ihrer eigenen Lehre gestatten, und die Studenten sich auf die
Prüfungen ohne Zusammenhang zu den angebotenen Lehrveranstaltungen
vorbereiten müssen, bleibt unreformiert.
· Eine Fächerreduzierung erfolgt nicht! Im Gegenteil:
allein im 2. Abschnitt (die sechs Semester vor dem PJ) wird die
Absolvierung von 39 "Fächern, Querschnittsbereichen
und Blockpraktika", also mehr als bisher, mit über 33
benoteten Prüfungen verlangt.
· Schritte zur Streichung der AiP-Phase werden nur insofern
benannt, als die Bundesregierung aufgefordert wird, die Bundesärzteordnung
durch Abschaffung des AIP zu ändern - allerdings nur für
diejenigen, die nach der neuen ApprO studieren werden, also frühestens
ab 2009!
· Die beabsichtigte "Anpassung der Studienanfängerzahlen",
sprich ihre Reduzierung, bleibt bestehen. Jetzt allerdings durch
Erweiterung der Gruppengrößen gegenüber dem 1997er
Entwurf nur noch um 10 %. Dies erstaunt insbesondere deswegen,
weil inzwischen Stellen in Krankenhäusern außerhalb
der Ballungszentren bereits aus Mangel an Bewerbern über
längere Zeit nicht besetzt werden können. Darüber
hinaus hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung, eine Institution
mit ansonsten jahrzehntelanger Tradition in Warnungen vor Aufnahme
des Medizinstudiums wegen Überfüllung des Arztberufes,
gerade kund getan, dass bereits jetzt und erst recht in den nächsten
Jahren wichtige Kassenarztsitze, insbesondere in den neuen Bundesländern
aus Ärztemangel nicht mehr besetzt werden können.
· Auch der Regelstudiengang (bisher nur für Modellstudiengänge
vorgeschrieben) und zusätzlich auch die einzelnen Unterrichtsveranstaltungen
sollen regelmäßig evaluiert werden - mit Veröffentlichungspflicht
für die Ergebnisse. Diese an sich begrüßenswerte
Regelung erweist sich aber als hohle Absichtserklärung, da
ausdrücklich keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen.
Wer die Lage der Fakultäten und ihre Möglichkeiten,
zusätzliches Geld für qualifizierte und daher teure
Evaluation ausgeben zu können, kennt, wird diese Absichtserklärung
sofort abschreiben müssen. Bisher verfügen die meisten
Fakultäten nicht einmal über qualifiziert ausgestattete
Studiendekanate!
· Das Inkrafttreten ist für die Studienanfänger
ab Herbst 2003 vorgesehen. Von den zur Zeit Studierenden werden
daher allenfalls diejenigen betroffen sein, die ihr Physikum allzu
lange hinaus schieben. Damit ist vermutlich auch das geringe Interesse
der Studierenden an dieser Reform zu erklären.
· Den Fakultäten droht bei Annahme ein arbeitsreiches
Jahr. Alle Lehrveranstaltungen und alle Studien- und Praktikumsordnungen
sind grundsätzlich umzugestalten und unter erheblichem Aufwand
neu zu planen. Ob sich bei überall durchgreifenden finanziellen
Kürzungen hierfür engagierte Dozenten findet, darf bezweifelt
werden.
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