ENTSCHLIESSUNGSANTRAG I - 27
Auf Antrag von Frau Dr. Löber-Götze, Frau Dr. Drexler-Gormann
und Dr. Lorenzen (Drucksache I-27) fasst der 105. Deutsche Ärztetag
folgende Entschließung:
Armut macht krank ... auch in Deutschland (DÄ 3/99). Alle
bisherigen Maßnahmen gegen die Armut, so verdienstvoll sie
sein mögen, haben nicht ausgereicht. Nach den letzten verfügbaren
Zählungen gibt es in Deutschland
- mindestens 3,8 Millionen Sozialhilfeempfänger (Statistisches
Bundesamt, Bonn)
- mehr als 4 Millionen Arbeitslose (Bundesanstalt für Arbeit,
Nürnberg)
- mindestens eine halbe Million Wohnungslose (geschätzte
Ziffer der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe in Bielefeld).
Hinter diesen offiziellen Zahlen ist weitere, nicht statistisch
erfasste, Not und Armut versteckt.
Rudolf Virchow hat schon 1848 erkannt: "Die Ärzte sind
die natürlichen Anwälte der Armen." Wir fügen
hinzu: Triebrad der Armut unserer Zeit ist die Arbeitslosigkeit.
Sie ist ein wesentlicher Faktor für die Entstehung von Krankheiten
und verschlingt Milliarden, die woanders dringend gebraucht werden.
Nur wer mit Nachdruck eine Politik der Vollbeschäftigung
betreibt, kann auch die Finanzierung der Krankenversicherung dauerhaft
gewährleisten.
Milliardenvermögen in privater Hand, während in armen
Familien das Geld für die medizinische Versorgung nicht ausreicht?
Milliarden für militärische Einsätze am Horn von
Afrika, während die Kinder der Arbeitslosen ihr Leben als
Ausgegrenzte beginnen?
Das solidarische Gesundheitswesen ist kein Auslaufmodell. Ärztliche
Ethik verpflichtet uns, für Gesundheit und Schutz der von
Armut Betroffenen einzutreten. Das Solidarprinzip der deutschen
Krankenversicherung ist der sicherste Garant für eine ethisch
begründete Medizin.
Als Ärztinnen und Ärzte rufen wir deshalb die verantwortlichen
Politiker in Staat und Gesellschaft dazu auf:
Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit!
Es darf nicht sein, dass die Sozialkassen durch die Arbeitslosigkeit
ruiniert werden. Die Finanzierung der Absicherung des Lebensrisikos
muss gesichert bleiben.
In Frieden leben!
Dann werden Milliarden frei für nichtmilitärische soziale
und gesundheitliche Zwecke.
Schafft finanziellen und politischen Raum:
Für eine allgemeine, allen Kranken und Behinderten gleichermaßen
garantierte soziale Gesundheitssicherung, wie sie die Europäische
Sozialcharta in Artikel 11 verlangt.
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