ENTSCHLIESSUNGSANTRAG VI - 16
Der Antrag von Frau Dr. Schleu (Drucksache VI-16)
wird zur weiteren Beratung an den Vorstand der Bundesärztekammer
überwiesen:
Der Vorstand der BÄK wird gebeten die Thematik aufzuarbeiten
und zu prüfen:
Der Deutsche Ärztetag möge sich umgehend Kenntnis verschaffen
über die Zielsetzungen der laufenden Verhandlungen zur weiteren
Liberalisierung von Dienstleistungen im Rahmen des GATS (General
Agreement on Trade in Services) der Welthandelsorganisation WTO,
soweit sie die Krankenversorgung in der BRD gefährden.
Der Deutsche Ärztetag möge sich mit allem ihm zu Gebote
stehenden Nachdruck dafür einsetzen, dass eine Gefährdung
der Gesundheitsversorgung in der BRD durch GATS jetzt oder zu
einem späteren Zeitpunkt ausgeschlossen wird.
Dienstleistungen, die zur Daseinsfürsorge (neben Gesundheitsversorgung
auch Bildung und Wasserversorgung) dienen, müssen von der
Liberalisierung grundsätzlich ausgenommen werden, d. h.,
sie dürfen nicht dem freien Fluss der Marktkräfte ausgesetzt
und staatlicher Regulierung entzogen werden, wie es das GATS derzeit
vorsieht.
Begründung:
Entsprechend der letzten WHO-Verhandlungsrunde im November 2001
in Katar müssen alle beteiligten Länder (141 Staaten
und die EU) bis Juni 2002 ihre Liberalisierungsforderungen formulieren
und bis Ende März 2003 ihre eigenen Liberalisierungsangebote
vorlegen.
Die Verhandlungsentwürfe der EU-Kommission wurden bisher
dem Parlament nicht zugestellt, wohl aber den Wirtschaftsverbänden
(dies mit der Bitte um Kommentar). Welche Forderungen der deutschen
Wirtschaft bisher vorliegen, ist nicht bekannt. Laut Angaben der
WTO gibt es jedoch keinen Dienstleistungsbereich, der a priori
aus den Verhandlungen ausgeschlossen bleibt. Die Verhandlungen
finden hinter verschlossenen Türen statt. Der bisherige Verlauf
lässt darauf schließen, dass Forderungen der Industrie
berücksichtigt bzw. übernommen werden. Es besteht die
Gefahr, dass auf WTO-Ebene Entschlüsse gefasst werden, die
über Jahre bindend sind, ohne dass die Öffentlichkeit
und auch die Ärzteschaft davon erfahren hat und ohne dass
parlamentarisch darüber beraten worden wäre.
Es ist davon auszugehen, dass potentielle Folgen bereits erfolgter
und möglicher weiterer Liberalisierung bisher nicht bedacht,
erforscht und bekannt sind. Laut einer "Kleinen Anfrage"
an den Bundestag von mehreren MdBs vom März 2002 gibt es
lediglich eine Entschließung des Europäischen Parlaments
bezüglich der "genauen und vergleichbaren Bewertung
der tatsächlichen Auswirkungen zur Liberalisierung der Leistungen
der Daseinsfürsorge". Danach sei klarzustellen, dass
die WTO-Regeln das Recht der Mitgliedsstaaten, die Leistungen
der Daseinsfürsorge zu reglementieren, nicht beeinträchtigen
dürfen. Konsequenzen zur Umsetzung dieser Entschließung
gibt es offenbar nicht. Dagegen gibt es eindeutige Hinweise, dass
industrielle Anbieter medizinischer Produkte und Dienstleistungen
im In- und Ausland bereits dabei sind, den mit GATS entstehenden
liberalisierten sehr lukrativen Dienstleistungsmarkt unter sich
aufzuteilen. Die deutsche Ärzteschaft hat darüber bisher
keine Informationen erhalten und somit ihre Position in versorgungsrelevanten
Bereichen nicht einbringen können.
Auch die anstehenden Veränderungen im deutschen Gesundheitssystem
im Zusammenhang mit DRGs und DMP sind dazu angetan, unsere Gesundheitsversorgung
im Sinne eines liberalisierten Marktes "marktgerecht"
zu machen. Deshalb müssen die Auswirkungen von DRGs und DMP
auf die Sicherstellung einer adäquaten Versorgung von der
Ärzteschaft sorgfältig analysiert und validiert werden.
Einer möglichen Gefährdung der Versorgung durch GATS
muss unbedingt entgegengewirkt werden.
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