Dr. Baumgärtner, Baden-Württemberg:
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zunächst einmal, Herr Hoppe, vielen Dank für
Ihre geschliffene Dialektik. Sie sind nicht laut geworden, obwohl Sie
wahrscheinlich manchmal gern laut geworden wären. Jedenfalls ging es mir so. Es
war sicher ein exzellentes Referat. In manchen Teilen - ich habe mich ein
bisschen umgehört - hätten wir gern etwas mehr Druck gehabt. Aber Sie waren ja
im vorigen Jahr in Rostock etwas schärfer.
Ich möchte mich auf einen Punkt beschränken, nämlich die
Aussagen der Ministerin zur Stärkung der Hausärzte. Ich muss ehrlich sagen: Das
hat mich als Hausarzt besonders aufgebracht. Ich leite eine Kassenärztliche
Vereinigung. Im Gesetz ist die Einführung eines Hausarztmodells niedergelegt.
Die Hausärzte sitzen im Verwaltungsrat der zukünftigen Kassenärztlichen
Vereinigung. Die Vorstände werden ja nicht mehr Organe der Selbstverwaltung
sein, sondern sie sind hauptberuflich dort tätig. Die Hausärzte bekommen ein
paritätisches Mitspracherecht in diesem Verwaltungsrat. Das ist alles, was in
diesem Gesetz pro Hausarzt steht.
Kontra Hausarzt ist festgelegt: Die Hausärzte bekommen
eine Pauschalvergütung. Es wird ein Honorarverteilungsmaßstab im Einvernehmen
mit den Kassen festgelegt. Das heißt, das Geld der Hausärzte wird im
Einvernehmen mit den Krankenkassen verteilt. Wir verteilen nicht mehr wie
bisher unser Geld selber, nein, die Krankenkassen verteilen es mit.
Wir bekommen Einzelverträge für Disease-Management-Programme,
eine Integrationsversorgung und ein Gesundheitszentrum, alles zulasten der
Hausärzte. Wir bekommen eine Plausibilitätsprüfung für die Hausärzte und
verschärfte Richtgrößen für die Hausärzte. Wir bekommen sozusagen ein
kombiniertes Honorar; die Überschreitungen im Arzneimittelbereich werden sofort
von den Honoraren abgezogen.
Bezüglich der Vergangenheit heißt es immer, es habe
niemals vollzogene Kollektivregresse gegeben. Es hat aber Kollektivregresse
gegeben, nur liefen sie im Rahmen einer verdeckten Aktion. In allen Regionen,
in denen das Arzneimittelbudget überschritten wurde, hatte man weniger
Spielraum für die Honorarverhandlungen. Besonders perfide ist, dass die
Regierung unser Festzuschusssystem, das wir vorgeschlagen haben, ablehnt, und
die Krankenkassen lehnen ab, dass die Verantwortlichkeit für die Verordnung von
umstrittenen Medikamenten, von Generika, von Innovationen und von Me-too-Präparaten auf sie übergeht. Sie wollen diese
Verantwortlichkeit nicht übernehmen, sondern sie wollen uns jedes Jahr wieder
sozusagen am Nasenring dieser Überschreitungen vorführen. In Zukunft werden
diese Überschreitungen auch noch sofort regressiert.
Das ist keine Stärkung der Hausärzte.
(Beifall)
Eine Stärkung der Hausärzte bestünde aus meiner Sicht
darin - ich denke, da können wir ganz puristisch sein -, wenn es eine feste
Vergütung für die erbrachten Leistungen gäbe, keine Pauschalen. Eine weitere
Stärkung der Hausärzte könnte durch die Abschaffung der Budgetierung im
Arzneimittel- und im Heilmittelbereich erfolgen.
Vielen Dank.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der
Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank, Herr
Baumgärtner. Ich muss ehrlich sagen: Nach dem Ärztetag in Rostock und unserem
außerordentlichen Ärztetag in Berlin hatte ich mir vorgenommen, diesmal eine
etwas analytischere, nachdenklichere Rede zu halten. Ich weiß, dass dies nicht
so viel Spontaneffekte bringt. Ich war der Auffassung: Irgendwann werden die
sich ja auch mal mit unseren Gedanken auseinander setzen müssen. Wenn der Druck
nicht hilft, könnte es ja sein, dass sie sich durch Argumente überzeugen
lassen. Diesen Versuch habe ich gestartet. Ob er am Schluss ein besseres
Ergebnis erbringt, weiß ich nicht, wie ich offen zugebe. Aber versucht man es
nicht, kann man nachher auch nicht sagen: Man kann es nur mit Power machen. Wir
müssen hier die ganze Klaviatur vorführen und beweisen, dass wir es können.
Ich möchte Ihnen mitteilen, dass zwei Vertreter der Fachtagung Medizin e. V. zugegen sind, die als geladene
Gäste das Recht haben, das Wort zu ergreifen, wenn sie dies möchten, nämlich
Herr Nicolas Hoffmann und Herr Stephan Albrecht. Ich heiße sie beide herzlich
willkommen!
(Beifall)
Der nächste Redner ist Herr Kollege Thomas aus
Westfalen-Lippe.
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