TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 20. Mai 2003 Nur Nachmittagssitzung

Dr. Lipp, Sachsen:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir Leid, dass ich auf eine alte historische Kamelle zurückgreifen muss. Ich habe aber so viel Wut über das, was in den letzten Wochen und Monaten geschehen ist, im Bauch, dass ich nicht umhin komme, an den Mauerfall vor 14 Jahren zu erinnern. Da sind Teile der Bevölkerung aufgestanden, weil ihre Regierung unfähig war und sie diese nicht abwählen konnten. Ich habe mich damals gefragt, warum dieser Allmachtsstaat kaum etwas dagegen unternommen hat. Die mussten nichts unternehmen, weil sie wussten, dass mit dieser Sozialdemokratie in Deutschland sich das geistige Proletariat allein durchsetzen wird! Dieses geistige Proletariat, das wir in unserer Regierung vorfinden, besteht in Planwirtschaft,
Fünfjahresplänen und gesellschaftlicher Räsonierung.

Das, was Sie, Herr Professor Hoppe, erwähnt haben, hat mich tief getroffen, nämlich der geplante Korruptionsbeauftragte, der uns prüfen soll, ob wir gesellschaftskonform arbeiten. Da frage ich mich, wo wir eigentlich sind: Gehen wir in Richtung Orwell? Oder gehen wir in Richtung DDR?

(Beifall)

Planwirtschaft bedeutet Mangel. Die meisten von Ihnen, meine Damen und Herren, wissen nicht, was Planwirtschaft bedeutet; die meisten können es nur akademisch durchspielen. Wir wissen es. Die Planwirtschaft hat dazu geführt, dass die internistischen Krankenstationen in der DDR zu 50 bis 70 Prozent mit Pflegefällen vollgelaufen waren, weil die Pflegeheime zum Teil in einem desaströsen Zustand waren, weil sie verrottet waren. Die Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern konnten gar nichts mehr machen, weil sie mit den Pflegefällen vollgelaufen waren, und sie haben die Patienten nicht mehr losbekommen.

Im Gesundheitswesen lässt sich der Bedarf nicht planen. Wenn ich etwas, was nicht planbar ist, dennoch plane, entsteht Chaos. Es gibt bei der Planwirtschaft fünf Stadien, nämlich Stadium I: volle Begeisterung, Stadium II: heilloses Durcheinander, Stadium III: Suche der Schuldigen, Stadium IV: Bestrafung der Unschuldigen, Stadium V: Auszeichnung der Unbeteiligten.

(Beifall)

Die einzige Fortentwicklung, die es in der Bundesrepublik gibt, besteht darin, dass alle Stadien durcheinander gehen und gleichzeitig ablaufen.

Dann gibt es noch die Gewerkschaften, meine Damen und Herren, die ständig einen Angriff auf den gesunden Menschenverstand starten, die ständig die individuelle Freiheit einschränken. Ich sage Ihnen: Diese Gewerkschaften sind im Deutschland des 21. Jahrhunderts so überflüssig wie ein Rettich im Anus!

(Heiterkeit)

Eigentlich müsste man sagen, dass man keine Patienten mehr behandelt, die in der Gewerkschaft sind, um endlich diesen endlosen und sinnlosen Angriffen entgegenzutreten.

Meine Damen und Herren, wir stehen jetzt nicht vor der Frage: Freiheit oder Staat? Wir stehen auch nicht vor der Frage: Freiheit oder Rationierung? Wir stehen letztlich vor der Frage - hier will ich einen alten Ministerpräsidenten zitieren -: Freiheit oder Sozialismus?

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank. Der nächste Redner ist Herr Henke vom Vorstand der Bundesärztekammer.

© 2003, Bundesärztekammer.