TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 20. Mai 2003 Nur Nachmittagssitzung

Dr. Weiss, Sachsen:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe lange überlegt, ob ich meine Gedanken hier äußern soll. Ich bin sehr viel im Ausland tätig. Ich habe Hilfstransporte in die Ukraine, nach Weißrussland und nach Russland unternommen. Ich war 16-mal dort und habe mit sehr vielen Menschen in diesen Gebieten gesprochen. Was ich jetzt sage, ist meine private Meinung, die ich aus Gesprächen in russischer Sprache mit ärztlichen Kollegen gewonnen habe.

Erstens wird das deutsche Gesundheitswesen dort bewundert. Zweitens wird es auch beneidet. Das Bewundern ist auch darauf zurückzuführen, dass wir ein reiches Land sind. Die Tatsache, dass wir beneidet werden, liegt darin begründet, dass Unkenntnis herrscht.

In allen drei Ländern bin ich auf folgende Tatsachen gestoßen. Vor ungefähr acht Wochen war ich im Libanon, habe dort Sprechstunden abgehalten und auch operiert. Auch dort wurde mir privat mitgeteilt, dass man absolut nicht zu verstehen vermag, warum die Patienten in unserem Lande nichts bezahlen müssen, wenn sie behandelt werden. Ich glaube, an diese heilige Kuh muss man sich doch irgendwann einmal heranwagen und ein Reglement treffen.

Dass es geht, sehen wir doch an der Pflegeversicherung. Wenn jemand pflegebedürftig wird, wird ihm eine Pflegestufe zugeordnet. Wenn das Geld nicht reicht, wird die Familie zur Kasse gebeten. Das wird ohne Weiteres akzeptiert. Warum sollte man nicht versuchen, ähnlich wie bei der Pflegeversicherung zu sagen, dass eine Beteiligung der Patienten erforderlich ist? Wie weit man sich selber dagegen versichert, muss jedem selbst überlassen bleiben.

Ich glaube nicht, dass wir über die nächsten 20 Jahre hinwegkommen, ohne dass die Patienten finanziell beteiligt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es weiterhin alles zum Nulltarif gibt. Das ist jedenfalls meine persönliche Meinung. Ich äußere sie nur deswegen, weil ich aus dem berufspolitischen Leben ausscheide. Ich möchte diese Meinung einfach einmal geäußert haben. Ich glaube nicht, dass wir so weitermachen können wie bisher.

Danke.

(Zustimmung)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank, Herr Kollege Weiss. Der nächste Redner ist Herr Kollege Lipp, ebenfalls aus Sachsen.

© 2003, Bundesärztekammer.