TOP III : Palliativmedizinische Versorgung in Deutschland

3. Tag: Donnerstag, 22. Mai 2003 Vormittagssitzung

Büchner, Schleswig-Holstein:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Palliativmedizin hat eine Botschaft für die ganze Medizin. Sie sagt uns etwas über die personale Dimension des heilenden Handelns, die unter irgendwelchen geforderten vermeintlichen und unterstellten Produktivitätssteigerungen verloren zu gehen droht.

Palliativmedizin, der Umgang mit todkranken Menschen, mit Sterbenden, mit den Angehörigen macht für mich die psychische, die soziale und, wenn man so will, auch die spirituelle Dimension unseres ärztlichen Daseins sehr deutlich. Es geht eben auch um Dasein. Es geht nicht nur um Handeln, es geht auch um Dasein, es geht um Beziehungen. Daher macht die Begleitung sterbender Menschen auch deutlich, wo mechanistische Modelle naturgemäß an ihre Grenze stoßen. Wenn die nordrhein-westfälische Landesgesundheitsministerin Birgit Fischer Produktivitätssteigerungen fordert, heißt das letzten Endes, dass sie von uns will, dass wir wegschauen, dass wir ausblenden, dass wir genau diese Aspekte ärztlichen Handelns nicht nur bei todkranken Menschen und deren Angehörigen, sondern auch in unserem Alltag verdrängen, herausrationalisieren, herausrationieren. Dagegen müssen wir uns mit allen Kräften aufgrund unserer ärztlichen Identität wehren.

(Beifall)

Es ist völlig klar, dass so etwas in den DRGs nicht abbildbar ist. Das ist logisch, weil es von dem Kern der Begegnung her nicht messbar ist, schon gar nicht in ökonomischen oder betriebswirtschaftlichen Kategorien. Wenn man sich vorstellt, dass eventuell DMPs zur Palliativmedizin kommen - möglicherweise 300 verschiedene ‑, dann erkennt man den ganzen Wahnsinn dieser Politik sehr deutlich.

(Beifall)

Man fühlt sich eigentlich schon unwohl, dass man sich mit solchen Gedanken überhaupt beschäftigen muss. Das macht klar, wie absurd das Ganze ist.

Für mich hat die Palliativmedizin ihren Platz in jedem einzelnen Fach. Ich erinnere mich noch, dass man in Hamburg am UKE die Psychosomatik in Pavillon 23 gepackt hat und dachte, jetzt haben die anderen Fächer ihre Ruhe, damit müssen wir uns nicht mehr auseinander setzen. Wenn anderenorts auf dem Klinikgelände nichts gefunden wurde, war Pavillon 23 dran. Das darf nicht passieren.

(Vereinzelt Beifall)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine ich, dass die Palliativmedizin in Abschnitt C der (Muster‑)Weiterbildungsordnung als Zusatzweiterbildung genau richtig aufgehoben ist. Sie muss in die Fächer hinein. Ob wir dazu zusätzliche Beauftragte oder zusätzliche Lehrstühle brauchen, weiß ich nicht. Wir müssen das in jedem Fach aufnehmen.

Schließlich noch ein ganz wichtiger Gedanke: Das ist etwas, was man nur freiwillig tun kann. Wenn uns die Politik verpflichten will zur Zuwendung, zu menschlicher Nähe, dann soll sie sich doch einmal die Instrumente überlegen. So geht es nicht. Das tun wir freiwillig, wir tun es aus ganzem Herzen, egal wie uns die Politik diffamiert, wie sie Vertrauen beschädigt. Da sind und bleiben wir Ärztinnen und Ärzte.

Ich danke.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank, Herr Kollege Büchner. - Sie finden heute Morgen in der „Frankfurter Rundschau“ einen Bericht über diesen Ärztetag, in dem steht, dass mir Frau Ministerin Schmidt einen Brief geschrieben hat. Das bestätige ich; der Brief ist eingegangen. In dem Artikel steht, ich würde seinen Inhalt entgegen dem Wunsch der Ministerin nicht bekannt geben. Das will ich aber doch tun, und zwar nach dem Ende dieses Tagesordnungspunkts. Dann habe ich mir auch ausgedacht, was ich ihr zu antworten gedenke. Darüber werde ich sie informieren, wenn dieser Tagesordnungspunkt beendet ist. Ich sage das, damit Sie darüber Bescheid wissen.

(Beifall)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Berendes aus Westfalen-Lippe. Bitte.

© 2003, Bundesärztekammer.