TOP III : Palliativmedizinische Versorgung in Deutschland

3. Tag: Donnerstag, 22. Mai 2003 Vormittagssitzung

Dr. Kühn, Baden-Württemberg:

Kolleginnen und Kollegen! Ich bin seit 33 Jahren Hausarzt und Vorstandsmitglied des von Herrn Schindler erwähnten Tübinger Projekts. Ich möchte ein paar Tipps geben, wie ohne große Geldmittel die Situation vor Ort verbessert werden kann. Es wurde erwähnt, dass die Möglichkeit des Hausarztes, einen Konsiliararzt an das Bett des Todkranken zu rufen, ganz wichtig ist. Es gibt die absurdesten medizinisch problematischen Zustände, beispielsweise eine akute Appendizitis im Endstadium eines nicht mehr behandelbaren Lymphoms oder eine arterielle Embolie im Bein, bei der sich die Frage nach der Amputation stellt.

Wir haben in Tübingen auch die Möglichkeit zum Anlegen der Schmerzpumpe. Die KV hat die Ermächtigung dazu gegeben. Es zeigt sich, dass der betreffende Kollege in den meisten Fällen nur einmal kommen muss und dass sein Abrechnungsvolumen extrem gering ist. Treten Sie, wenn Sie einen solchen Arzt haben, an die KV heran mit der Bitte, dass eine Ermächtigung erfolgt.

Scheuen Sie sich nicht - das gilt vor allen Dingen für den kleinstädtisch-ländlichen Bereich ‑, in solchen Fällen an die Chefärzte Ihres Kreiskrankenhauses heranzutreten und darum zu bitten, dass sie auch dann, wenn kein Vertrag besteht, ausnahmsweise kommen und Ihnen helfen. Das ist eine Ehrenpflicht. Das werden die Kolleginnen und Kollegen ohne jede Ermächtigung oder Rechnungsstellung tun.

Es muss vor Ort die Möglichkeit vorhanden sein - da können Sie organisatorisch helfen ‑, dass bei Bedarf Nachtwachendienste zur Verfügung stehen. Es zeigt sich immer wieder, dass die Angehörigen, die pflegen wollen, manchmal dazu nicht mehr in der Lage sind und zunächst einige Nächte durchschlafen müssen. Es muss hier eine Nachtwachenbereitschaft geben. Das kann durch Hospizdienste geschehen, obwohl es nicht genau in deren Aufgabenbereich fällt, es kann sich auch um ein freiwilliges Bürgerengagement handeln.

Denken Sie in der verbalen psychologischen Betreuung daran, dass die am stärksten pflegende Person - meistens handelt es sich um die Ehefrau oder den Ehemann - versichert wird. Denken Sie daran, was hinterher beim Leichenschmaus geschwätzt wird! Erfahrene praktische Ärzte wissen, was ich meine.

Sie erfahren - auch das gilt mehr für den kleinstädtisch-ländlichen Bereich - in den gedruckten Danksagungen, ob Sie als Hausarzt richtig gehandelt haben. Wenn Sie aus der Sicht der nächsten Angehörigen alles richtig gemacht haben, werden Sie erwähnt, wenn nicht, werden nur der Pfarrer und die Vereine erwähnt.

Noch ein Wort zur Fortbildung in der Palliativmedizin. Denken Sie bitte daran, dass die Betreuung eines Sterbenden einen Reifegrad des Arztes verlangt, der nicht von vornherein existieren kann, der mit dem Lebensalter und der Berufserfahrung wächst. Junge Ärzte machen nicht immer alles richtig. Wenn ich an früher zurückdenke, fallen mir alle meine Fehler ein und ich kann nicht mehr ruhig schlafen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Danke schön. Ich glaube, das kann Ihnen jeder nachfühlen. Als nächster Redner bitte Herr Holfelder.

© 2003, Bundesärztekammer.