Dr. Kühn, Baden-Württemberg:
Kolleginnen und
Kollegen! Ich bin seit 33 Jahren Hausarzt und Vorstandsmitglied des von
Herrn Schindler erwähnten Tübinger Projekts. Ich möchte ein paar Tipps geben,
wie ohne große Geldmittel die Situation vor Ort verbessert werden kann. Es
wurde erwähnt, dass die Möglichkeit des Hausarztes, einen Konsiliararzt an das
Bett des Todkranken zu rufen, ganz wichtig ist. Es gibt die absurdesten
medizinisch problematischen Zustände, beispielsweise eine akute Appendizitis im
Endstadium eines nicht mehr behandelbaren Lymphoms oder eine arterielle Embolie
im Bein, bei der sich die Frage nach der Amputation stellt.
Wir haben in Tübingen auch die Möglichkeit zum Anlegen der
Schmerzpumpe. Die KV hat die Ermächtigung dazu gegeben. Es zeigt sich, dass der
betreffende Kollege in den meisten Fällen nur
einmal kommen muss und dass sein Abrechnungsvolumen extrem gering ist. Treten
Sie, wenn Sie einen solchen Arzt haben, an die KV heran mit der Bitte, dass
eine Ermächtigung erfolgt.
Scheuen Sie sich nicht - das gilt vor allen Dingen für den
kleinstädtisch-ländlichen Bereich ‑, in solchen Fällen an die
Chefärzte Ihres Kreiskrankenhauses heranzutreten und darum zu bitten, dass sie
auch dann, wenn kein Vertrag besteht, ausnahmsweise kommen und Ihnen helfen.
Das ist eine Ehrenpflicht. Das werden die Kolleginnen und Kollegen ohne jede
Ermächtigung oder Rechnungsstellung tun.
Es muss vor Ort die Möglichkeit vorhanden sein - da können
Sie organisatorisch helfen ‑, dass bei Bedarf Nachtwachendienste zur
Verfügung stehen. Es zeigt sich immer wieder, dass die Angehörigen, die pflegen
wollen, manchmal dazu nicht mehr in der Lage sind und zunächst einige Nächte
durchschlafen müssen. Es muss hier eine Nachtwachenbereitschaft geben. Das kann
durch Hospizdienste geschehen, obwohl es nicht genau in deren Aufgabenbereich
fällt, es kann sich auch um ein freiwilliges Bürgerengagement handeln.
Denken Sie in der verbalen psychologischen Betreuung
daran, dass die am stärksten pflegende Person - meistens handelt es sich um die
Ehefrau oder den Ehemann - versichert wird. Denken Sie daran, was hinterher
beim Leichenschmaus geschwätzt wird! Erfahrene praktische Ärzte wissen, was ich
meine.
Sie erfahren - auch das gilt mehr für den kleinstädtisch-ländlichen
Bereich - in den gedruckten Danksagungen, ob Sie als Hausarzt richtig gehandelt
haben. Wenn Sie aus der Sicht der nächsten Angehörigen alles richtig gemacht
haben, werden Sie erwähnt, wenn nicht, werden nur der Pfarrer und die Vereine erwähnt.
Noch ein Wort zur Fortbildung in der Palliativmedizin.
Denken Sie bitte daran, dass die Betreuung eines Sterbenden einen Reifegrad des
Arztes verlangt, der nicht von vornherein existieren kann, der mit dem
Lebensalter und der Berufserfahrung wächst. Junge Ärzte machen nicht immer
alles richtig. Wenn ich an früher zurückdenke, fallen mir alle meine Fehler ein
und ich kann nicht mehr ruhig schlafen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe,
Präsident der
Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:
Danke schön. Ich glaube,
das kann Ihnen jeder nachfühlen. Als nächster Redner bitte Herr Holfelder.
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