TOP III : Palliativmedizinische Versorgung in Deutschland

3. Tag: Donnerstag, 22. Mai 2003 Vormittagssitzung

Dr. Lipp, Sachsen:

Meine Damen und Herren! Die Forderung, die Palliativmedizin aufzuwerten, kann nur eine imperative Forderung sein. Sie wird berechtigterweise gestellt. Ich möchte sie allerdings noch etwas ergänzen. Palliativmedizin umfasst nicht nur Schmerztherapie und Sterbebegleitung, sondern Palliativmedizin betrifft auch eine suffiziente Ernährung, die künstliche Ernährung der Patienten. Es ist sehr häufig ein weit verbreiteter und nicht auszurottender Irrtum, dass über die künstliche Ernährung die Leiden verlängert werden. Ein Dementer stirbt an der Demenz, unabhängig davon, ob ich ihn ernähre oder nicht. Ein Tumorkranker stirbt zwingend am Tumor. Eine künstliche Ernährung verlängert nicht das Leiden. Es kann nicht sein, dass heute noch mehr als 25 Prozent unserer Krebskranken letztlich nicht am Tumor sterben, sondern verhungern und verdursten.

Wir haben bei der künstlichen Ernährung erhebliche Wissensdefizite im ambulanten wie im stationären Bereich. Deswegen bitte ich dringend darum, dass bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Palliativmedizin dieser Aspekt verstärkt zum Tragen kommt. Ich überblicke ungefähr 400 Patienten pro Quartal, die künstlich ernährt werden. 30 Prozent der Patienten sterben innerhalb eines Monats. Da stellt sich die Frage, ob die Falschen ernährt werden oder ob man zu spät mit der künstlichen Ernährung begonnen hat. Hier gibt es erhebliche Defizite. Ich bitte Sie, in der Diskussion über die Palliativmedizin diesen Aspekt verstärkt mit zu betrachten.

Ich erinnere auch daran, dass die Patienten in den Krankenhäusern die Stationen in einem schlechteren Ernährungszustand verlassen, als sie hineingekommen sind. Wir haben gravierende Defizite. Die Ernährungsmedizin ist nicht der Kampf mit und gegen Adipöse, sondern Ernährungsmedizin bedeutet auch, dass die Patienten von uns die Grundbedürfnisse dessen, was ihnen zusteht, befriedigt erhalten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank
, Herr Lipp. Jetzt Frau Kollegin de Mattia aus Schleswig-Holstein. Bitte sehr.

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