TOP IV : Novellierung einzelner Vorschriften der (Muster-) Berufsordnung

4. Tag: Freitag, 23. Mai 2003 Vormittagssitzung

Dr. Rüggeberg, Bremen:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ein bisschen verblüfft, um nicht zu sagen: enttäuscht, dass Sie in der Diskussion um die potenzielle und wünschenswerte Liberalisierung unseres Berufsrechts die aktuelle politische Diskussion weitgehend ausklammern. Welchem Szenario müssen wir uns stellen? Es gibt den eindeutigen gesetzgeberischen Wunsch, die niedergelassene Facharztebene über Einzelverträge und Ähnliches dem Grunde nach abzuschaffen. Es gibt die Einführung der DRGs mit den umwälzenden Veränderungen im stationären Bereich und der stärker werdenden Notwendigkeit, wegen des ökonomischen Druckpotenzials bisher stationär erbrachte Leistungen in den ambulanten Versorgungsbereich zu verlagern. Wir haben die von der politischen Seite seit Jahren erhobene Forderung nicht erfüllen können, die Schnittstelle zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungsbereich sinnvoll zu überbrücken. Warum konnten wir das nicht? Das liegt zum einen daran, dass der Gesetzgeber die Möglichkeiten dazu nicht eröffnet hat, weil er die Budgets nicht miteinander verzahnt hat. Zu einem erheblichen Teil liegt die Ursache aber auch in der aktuell gültigen Berufsordnung, die genau dies nicht möglich macht. Sie müssen den niedergelassenen Fachärzten die Möglichkeit geben, im Interesse der stationären Einheiten im Krankenhaus ambulante Leistungen in Kooperation erbringen zu können.

(Beifall)

Sie müssen dem stationären Bereich die Möglichkeit eröffnen, den Leistungsanteil, der - aus welchen Gründen auch immer - in den ambulanten Bereich verlagert werden muss, an dem Haus zu behalten, wo Kooperationsmöglichkeiten gegeben sind. Anderenfalls gehen Ausbildungsinhalte verloren, gehen Patienten verloren.

Mit anderen Worten: Wir müssen sofort eine personale Verzahnung zwischen dem niedergelassenen und dem stationären Bereich herbeiführen. Das geht nur, indem eine Zweigpraxis an einem anderen Ort ohne Einschränkung ermöglicht wird. Daher appelliere ich dringend an Sie, die Bestimmung aus der Berufsordnung zu streichen, wonach der Erstkontakt am Original-Praxisstandort stattfinden muss. Das ist ein zentrales Hemmnis, die von uns allen gewünschte Kooperation zwischen dem stationären und dem ambulanten Bereich faktisch mit Leben zu erfüllen.

(Beifall)

Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass wir angeblich ins Mittelalter zurückfallen und unsere Tätigkeit im Umherziehen ausüben. Im Gegenteil, jeder Arzt muss seine Leistung - darauf bestehe ich allerdings - persönlich, individuell erbringen. Dadurch ist er identifizierbar. Das hat mit Umherziehen überhaupt nichts zu tun.

Wenn wir auf der persönlichen Ebene die Kooperation zwischen dem stationären und dem ambulanten Bereich wollen, dann muss dieser Satz gestrichen werden. Wenn das nicht geschieht, propagieren Sie dem Grunde nach die institutionelle Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Facharztmedizin. Das wollen wir nicht.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Danke schön, Herr Rüggeberg. Der nächste Redner ist Herr Decker aus Westfalen-Lippe.

© 2003, Bundesärztekammer.