Prof.
Dr. Eckel, Referent:
Herr
Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine
Damen und Herren! Sie haben vor vier Jahren auf dem 102. Deutschen
Ärztetag in Cottbus das vom Deutschen Senat für ärztliche Fortbildung
erarbeitete Konzept zum Fortbildungszertifikat der Ärztekammern
zustimmend zur Kenntnis genommen und die Landesärztekammern gebeten,
entsprechende Modellversuche zum Fortbildungsnachweis einzuführen.
Gleichzeitig wurde der Deutsche Senat für ärztliche Fortbildung
gebeten, diese Bemühungen zu begleiten und zu koordinieren sowie
auf dem Deutschen Ärztetag über die dabei gemachten Erfahrungen
zu berichten. Dieser Aufforderung komme ich als Vorsitzender des
Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung gerne nach.
Landesärztekammern und Akademien für ärztliche Fortbildung
haben das Projekt in der Tat vorangetrieben. Hierfür möchte ich ihnen an dieser
Stelle noch einmal ganz herzlich danken. Es war in diesen Jahren ein ganz
außerordentlicher Aufwand an Arbeit erforderlich. Das musste von uns bewältigt
werden.
Seit dem 1. Januar 2002 ist es bundesweit möglich, ein
Fortbildungszertifikat der Ärztekammern zu erwerben. Weil die Modellphase in
mehreren Kammern derzeit allerdings noch nicht abgeschlossen ist, kann über die
Zahl erworbener Zertifikate noch keine genaue Auskunft gegeben werden.
Aber, meine Damen und Herren, wir haben andere wichtige
Fakten:
Fortbildungsveranstaltungen, die zur Erlangung des
Fortbildungszertifikats anerkannt werden sollen, werden im Vorfeld von den
Ärztekammern geprüft. In der Ärztekammer Niedersachsen waren dies in den beiden
letzten Jahren beispielsweise 9 500 Anträge bzw. Veranstaltungen.
Einige Kammern stellen individuelle
Teilnehmerbescheinigungen aus. Hierbei ist beispielsweise ersichtlich, dass in
Baden-Württemberg im letzten Jahr 338 170 Ärzte an
Fortbildungsveranstaltungen teilnahmen.
Bundesweit gibt es mehr als 3 500 von den KVen
registrierte Qualitätszirkel.
Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Zahlen
belegen eindeutig, dass von einer Fortbildungsmüdigkeit oder einer
Fortbildungsunwilligkeit „der Ärzte“ wie es so plakativ heißt, nun wirklich
nicht die Rede sein kann. Sie strafen all jene Lügen, die ein mangelndes
Fortbildungsinteresse und Fortbildungsverhalten bei der Ärzteschaft mutmaßen.
Es hat sich bewährt, dass die Ärztekammern bereits im
Vorfeld der Anerkennung eine Prüfung der Fortbildungsmaßnahme vornehmen, da
immerhin 8 bis 10 Prozent der Veranstaltungen den von uns geforderten Kriterien
nicht entsprechen und damit abgelehnt werden müssen. In den letzten Jahren
stellte man dem Senat häufig die Frage, warum der „umständliche“ Weg über Modellprojekte
gewählt worden sei. Ich meine rückblickend, dass dies eine kluge Entscheidung
war, denn Fortbildung ist ja nichts Statisches. Sie ist immer im Fluss. Sie ist
dynamisch, sie ist und bleibt eine Baustelle.
Ziel war es, ein Konzept zu entwickeln, das keine neuen
Hürden für den Arzt aufbaut, sondern die Möglichkeiten praxisnaher,
individueller und damit effektiverer Fortbildung aufzeigt, bei dem auch
wichtige Aspekte der Erwachsenenbildung - beispielsweise in Form des
problemorientierten Lernens in kleinen Gruppen - Berücksichtigung finden. Wir
meinen, dass diese Aspekte in den einheitlichen Bewertungskriterien ihren Niederschlag
finden. Dabei ist uns natürlich bewusst, dass gerade die Fortbildung in
stetigem Wandel befindlich ist. Denken Sie nur an die Möglichkeiten des
Einsatzes elektronischer Medien. Damit unterliegen natürlich auch die
Bewertungskriterien zum Erwerb des Fortbildungszertifikats einem Wandel.
Ich möchte Ihnen nun kurz die Bewertungskriterien, die in
enger Zusammenarbeit des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung mit
Vertretern der medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften und der
Berufsverbände erarbeitet wurden, vorstellen.
Die Grundeinheit der Fortbildungsaktivitäten ist der
Fortbildungspunkt. Dieser Fortbildungspunkt entspricht - das ist im
europäischen Kontext und auch international so üblich - der uns bekannten
akademischen Zeit von 45 Minuten.
Die Kategorie A betrifft Vortrag und Diskussion. Hier
geben wir einen Punkt pro Fortbildungsstunde, maximal acht Punkte pro Tag.
Die Kategorie B betrifft mehrtägige Kongresse im In- und
Ausland. Wenn kein Einzelnachweis entsprechend der Kategorie A bzw. der
Kategorie B erfolgt, erhält man drei Punkte pro halbem Tag bzw. sechs Punkte
pro Tag. Innerhalb der Kategorie B werden maximal 60 Punkte in drei Jahren
anerkannt. Das ist eine Pauschale. Bei dem Nachweis von Einzelveranstaltungen
innerhalb eines Kongresses geht es nicht nach der Pauschale, sondern
entsprechend dem Einzelnachweis der Punkte A und C.
Die Kategorie C ist neu: Fortbildung mit konzeptionell
vorgesehener Beteiligung jedes einzelnen Teilnehmers, beispielsweise Workshop,
Arbeitsgruppen, Qualitätszirkel, Balintgruppen, Kleingruppenarbeit,
Supervision, Fallkonferenzen, Literaturkonferenzen, praktische Übungen. Es gibt
einen Punkt pro Fortbildungsstunde. Es gibt einen Zusatzpunkt pro Veranstaltung
bis zu vier Stunden, maximal zwei Zusatzpunkte pro Tag.
Neu ist auch die Kategorie D: strukturierte interaktive
Fortbildung via Printmedien, Onlinemedien und audiovisuelle Medien mit
nachgewiesener Qualifizierung und Auswertung des Lernerfolgs in Schriftform.
Die hierfür anrechenbaren Medien und Inhalte muss zuvor eine Landesärztekammer
anerkannt haben. Die anderen müssen dem folgen. Es gibt einen Punkt pro
Übungseinheit, die in der Regel einer akademischen Stunde entspricht. Innerhalb
der Kategorie D werden maximal 60 Punkte in drei Jahren anerkannt.
Die Kategorie E betrifft das Selbststudium durch
Fachliteratur und Fachbücher sowie Lehrmittel. Innerhalb dieser Kategorie
werden 30 Punkte für drei Jahre anerkannt. Hierüber hat es Diskussionen
gegeben. Ich glaube, man muss einfach unterstellen, dass sich die Kolleginnen
und Kollegen selbst immer noch mit dieser konservativen Form, mit diesen Medien
beschäftigen. Das ist sozusagen ein Vertrauensvorschuss.
Die Kategorie F betrifft Autoren und Referenten. Autoren
erhalten einen Punkt pro Beitrag. Referenten bzw. Qualitätszirkelmoderatoren
erhalten einen Punkt pro Beitrag, Poster oder Vortrag zusätzlich zu den Punkten
der Teilnehmer.
Die Kategorie G betrifft die Hospitationen. Hier gibt es
einen Punkt pro Stunde, maximal acht Punkte pro Tag. Innerhalb der Kategorie G
werden maximal 60 Punkte in drei Jahren anerkannt.
Bei Lernerfolgskontrolle gibt es einen Zusatzpunkt bei den
Kategorien A, B und C.
Meine Damen und Herren, diese Entwicklung wollen wir
weiter fördern und vorantreiben. Dennoch - oder gerade deshalb - lehnen wir in
aller Entschiedenheit eine Pflicht zur fachlichen Fortbildung, wie sie das
Gesundheitsmodernisierungsgesetz fordert, ab.
(Beifall)
Statt unsere Bemühungen um Qualität zu fördern, wird ohne
einen Nachweis der erwünschten Wirkungen - darüber gibt es nichts
wissenschaftlich Haltbares - ein System völlig unangemessener Repressionen
installiert. Wie weit diese Forderungen von der Wirklichkeit entfernt sind,
zeigt auch, dass die Fortbildungsinhalte ausschließlich fachspezifische Themen
behandeln sollen. Wollen wir, wollen unsere Patienten Ärzte mit einem solchen
„Tunnelröhrenblick“?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum betreiben wir diesen
Aufwand? Wir wollen eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung
gewährleisten. Dazu gehören in Zeiten enormer dynamischer Entwicklungen,
insbesondere in der Medizin, auch Instrumente des Kompetenzerhalts der Ärzte.
Wie nun kann Kompetenz im Alltag erhalten bleiben? Was kann Fortbildung
bewirken? Wie erkennt der Arzt seinen individuellen Fortbildungsbedarf und
welchen Einfluss hat Fortbildung auf die Patientenversorgung? Das sind doch die
wesentlichen Fragen.
Dies spiegelt sich auch in sprachlichen Neuschöpfungen
wider. Sprach man früher in der ärztlichen Fortbildung von „lebenslangem
Lernen“ - in der internationalen Diktion CME, continuing medical education -
und verstand darunter fast ausschließlich die Vermittlung und den Erwerb
kognitiven Wissens, befindet sich diese Auffassung derzeit in einem deutlichen
Wandel. Wissen, Patientenorientierung, ethische Einstellungen,
Qualitätssicherung und Management treten in den Vordergrund. Heute ist die Rede
von Kompetenzerhalt und Kompetenzentwicklung. Der Terminus technicus lautet
CPD: continuing professional development.
Was bedeutet das für den ärztlichen Alltag? Die kritische
Reflexion des eigenen Handelns ermöglicht es dem Arzt, solche Maßnahmen zu
identifizieren, die ihm im ärztlichen Alltag helfen. Instrumente der
Qualitätssicherung tragen dazu bei, Problembewusstsein zu wecken und zu
schärfen. Diese Maßnahmen müssen stets individuell auf den einzelnen Fall
zugeschnitten sein und gehen auch weit über die herkömmliche Fortbildung
hinaus. Ich denke, es ist wenig sinnvoll, den Arzt bzw. die Ärztin in ein
Korsett zu zwingen.
Was kann Fortbildung im Kontext des Kompetenzerhalts und
der Kompetenzentwicklung leisten?
Fortbildungsinhalte müssen einerseits den subjektiv
empfundenen Bedürfnissen des Arztes entsprechen, praxisrelevant sein und
andererseits objektive Wissens- und Handlungsdefizite aufgreifen und diese in
den für die Patientenversorgung relevanten Kontext setzen.
Das freiwillige Fortbildungszertifikat der Ärztekammern
wird den Forderungen zur Dokumentation des Kompetenzerhalts durchaus gerecht.
Es eröffnet den Ärzten darüber hinaus die Möglichkeit, qualifizierte
Fortbildung gegenüber den Patienten zu dokumentieren.
Vielen Dank.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der
Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:
Herzlichen Dank, Heyo
Eckel, für diesen Bericht, den wir in den Themenkomplex einbeziehen, den wir
unter Tagesordnungspunkt I abhandeln. Den dazugehörigen Antrag werden wir auch
einbringen. Es können noch weitere Anträge zu diesem speziellen Punkt gestellt
werden.
Gibt es dazu Wortmeldungen? - Bitte, Herr Kollege Bolay
aus Westfalen-Lippe.
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