TOP V : Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

1. Tag: Dienstag, 20. Mai 2003 Nachmittagssitzung

Prof. Dr. Eckel, Referent:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Sie haben vor vier Jahren auf dem 102. Deutschen Ärztetag in Cottbus das vom Deutschen Senat für ärztliche Fortbildung erarbeitete Konzept zum Fortbildungszertifikat der Ärztekammern zustimmend zur Kenntnis genommen und die Landesärztekammern gebeten, entsprechende Modellversuche zum Fortbildungsnachweis einzuführen. Gleichzeitig wurde der Deutsche Senat für ärztliche Fortbildung gebeten, diese Bemühungen zu begleiten und zu koordinieren sowie auf dem Deutschen Ärztetag über die dabei gemachten Erfahrungen zu berichten. Dieser Aufforderung komme ich als Vorsitzender des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung gerne nach.

Landesärztekammern und Akademien für ärztliche Fortbildung haben das Projekt in der Tat vorangetrieben. Hierfür möchte ich ihnen an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich danken. Es war in diesen Jahren ein ganz außerordentlicher Aufwand an Arbeit erforderlich. Das musste von uns bewältigt werden.

Seit dem 1. Januar 2002 ist es bundesweit möglich, ein Fortbildungszertifikat der Ärztekammern zu erwerben. Weil die Modellphase in mehreren Kammern derzeit allerdings noch nicht abgeschlossen ist, kann über die Zahl erworbener Zertifikate noch keine genaue Auskunft gegeben werden.

Aber, meine Damen und Herren, wir haben andere wichtige Fakten:

Fortbildungsveranstaltungen, die zur Erlangung des Fortbildungszertifikats anerkannt werden sollen, werden im Vorfeld von den Ärztekammern geprüft. In der Ärztekammer Niedersachsen waren dies in den beiden letzten Jahren beispielsweise 9 500 Anträge bzw. Veranstaltungen.

Einige Kammern stellen individuelle Teilnehmerbescheinigungen aus. Hierbei ist beispielsweise ersichtlich, dass in Baden-Württemberg im letzten Jahr 338 170 Ärzte an Fortbildungsveranstaltungen teilnahmen.

Bundesweit gibt es mehr als 3 500 von den KVen registrierte Qualitätszirkel.

Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Zahlen belegen eindeutig, dass von einer Fortbildungsmüdigkeit oder einer Fortbildungsunwilligkeit „der Ärzte“ wie es so plakativ heißt, nun wirklich nicht die Rede sein kann. Sie strafen all jene Lügen, die ein mangelndes Fortbildungsinteresse und Fortbildungsverhalten bei der Ärzteschaft mutmaßen.

Es hat sich bewährt, dass die Ärztekammern bereits im Vorfeld der Anerkennung eine Prüfung der Fortbildungsmaßnahme vornehmen, da immerhin 8 bis 10 Prozent der Veranstaltungen den von uns geforderten Kriterien nicht entsprechen und damit abgelehnt werden müssen. In den letzten Jahren stellte man dem Senat häufig die Frage, warum der „umständliche“ Weg über Modellprojekte gewählt worden sei. Ich meine rückblickend, dass dies eine kluge Entscheidung war, denn Fortbildung ist ja nichts Statisches. Sie ist immer im Fluss. Sie ist dynamisch, sie ist und bleibt eine Baustelle.

Ziel war es, ein Konzept zu entwickeln, das keine neuen Hürden für den Arzt aufbaut, sondern die Möglichkeiten praxisnaher, individueller und damit effektiverer Fortbildung aufzeigt, bei dem auch wichtige Aspekte der Erwachsenenbildung - beispielsweise in Form des problemorientierten Lernens in kleinen Gruppen - Berücksichtigung finden. Wir meinen, dass diese Aspekte in den einheitlichen Bewertungskriterien ihren Niederschlag finden. Dabei ist uns natürlich bewusst, dass gerade die Fortbildung in stetigem Wandel befindlich ist. Denken Sie nur an die Möglichkeiten des Einsatzes elektronischer Medien. Damit unterliegen natürlich auch die Bewertungskriterien zum Erwerb des Fortbildungszertifikats einem Wandel.

Ich möchte Ihnen nun kurz die Bewertungskriterien, die in enger Zusammenarbeit des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung mit Vertretern der medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften und der Berufsverbände erarbeitet wurden, vorstellen.

Die Grundeinheit der Fortbildungsaktivitäten ist der Fortbildungspunkt. Dieser Fortbildungspunkt entspricht - das ist im europäischen Kontext und auch international so üblich - der uns bekannten akademischen Zeit von 45 Minuten.

Die Kategorie A betrifft Vortrag und Diskussion. Hier geben wir einen Punkt pro Fortbildungsstunde, maximal acht Punkte pro Tag.

Die Kategorie B betrifft mehrtägige Kongresse im In- und Ausland. Wenn kein Einzelnachweis entsprechend der Kategorie A bzw. der Kategorie B erfolgt, erhält man drei Punkte pro halbem Tag bzw. sechs Punkte pro Tag. Innerhalb der Kategorie B werden maximal 60 Punkte in drei Jahren anerkannt. Das ist eine Pauschale. Bei dem Nachweis von Einzelveranstaltungen innerhalb eines Kongresses geht es nicht nach der Pauschale, sondern entsprechend dem Einzelnachweis der Punkte A und C.

Die Kategorie C ist neu: Fortbildung mit konzeptionell vorgesehener Beteiligung jedes einzelnen Teilnehmers, beispielsweise Workshop, Arbeitsgruppen, Qualitätszirkel, Balintgruppen, Kleingruppenarbeit, Supervision, Fallkonferenzen, Literaturkonferenzen, praktische Übungen. Es gibt einen Punkt pro Fortbildungsstunde. Es gibt einen Zusatzpunkt pro Veranstaltung bis zu vier Stunden, maximal zwei Zusatzpunkte pro Tag.

Neu ist auch die Kategorie D: strukturierte interaktive Fortbildung via Printmedien, Onlinemedien und audiovisuelle Medien mit nachgewiesener Qualifizierung und Auswertung des Lernerfolgs in Schriftform. Die hierfür anrechenbaren Medien und Inhalte muss zuvor eine Landesärztekammer anerkannt haben. Die anderen müssen dem folgen. Es gibt einen Punkt pro Übungseinheit, die in der Regel einer akademischen Stunde entspricht. Innerhalb der Kategorie D werden maximal 60 Punkte in drei Jahren anerkannt.

Die Kategorie E betrifft das Selbststudium durch Fachliteratur und Fachbücher sowie Lehrmittel. Innerhalb dieser Kategorie werden 30 Punkte für drei Jahre anerkannt. Hierüber hat es Diskussionen gegeben. Ich glaube, man muss einfach unterstellen, dass sich die Kolleginnen und Kollegen selbst immer noch mit dieser konservativen Form, mit diesen Medien beschäftigen. Das ist sozusagen ein Vertrauensvorschuss.

Die Kategorie F betrifft Autoren und Referenten. Autoren erhalten einen Punkt pro Beitrag. Referenten bzw. Qualitätszirkelmoderatoren erhalten einen Punkt pro Beitrag, Poster oder Vortrag zusätzlich zu den Punkten der Teilnehmer.

Die Kategorie G betrifft die Hospitationen. Hier gibt es einen Punkt pro Stunde, maximal acht Punkte pro Tag. Innerhalb der Kategorie G werden maximal 60 Punkte in drei Jahren anerkannt.

Bei Lernerfolgskontrolle gibt es einen Zusatzpunkt bei den Kategorien A, B und C.

Meine Damen und Herren, diese Entwicklung wollen wir weiter fördern und vorantreiben. Dennoch - oder gerade deshalb - lehnen wir in aller Entschiedenheit eine Pflicht zur fachlichen Fortbildung, wie sie das Gesundheitsmodernisierungsgesetz fordert, ab.

 (Beifall)

Statt unsere Bemühungen um Qualität zu fördern, wird ohne einen Nachweis der erwünschten Wirkungen - darüber gibt es nichts wissenschaftlich Haltbares - ein System völlig unangemessener Repressionen installiert. Wie weit diese Forderungen von der Wirklichkeit entfernt sind, zeigt auch, dass die Fortbildungsinhalte ausschließlich fachspezifische Themen behandeln sollen. Wollen wir, wollen unsere Patienten Ärzte mit einem solchen „Tunnelröhrenblick“?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum betreiben wir diesen Aufwand? Wir wollen eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung gewährleisten. Dazu gehören in Zeiten enormer dynamischer Entwicklungen, insbesondere in der Medizin, auch Instrumente des Kompetenzerhalts der Ärzte. Wie nun kann Kompetenz im Alltag erhalten bleiben? Was kann Fortbildung bewirken? Wie erkennt der Arzt seinen individuellen Fortbildungsbedarf und welchen Einfluss hat Fortbildung auf die Patientenversorgung? Das sind doch die wesentlichen Fragen.

Dies spiegelt sich auch in sprachlichen Neuschöpfungen wider. Sprach man früher in der ärztlichen Fortbildung von „lebenslangem Lernen“ - in der internationalen Diktion CME, continuing medical education - und verstand darunter fast ausschließlich die Vermittlung und den Erwerb kognitiven Wissens, befindet sich diese Auffassung derzeit in einem deutlichen Wandel. Wissen, Patientenorientierung, ethische Einstellungen, Qualitätssicherung und Management treten in den Vordergrund. Heute ist die Rede von Kompetenzerhalt und Kompetenzentwicklung. Der Terminus technicus lautet CPD: continuing professional development.

Was bedeutet das für den ärztlichen Alltag? Die kritische Reflexion des eigenen Handelns ermöglicht es dem Arzt, solche Maßnahmen zu identifizieren, die ihm im ärztlichen Alltag helfen. Instrumente der Qualitätssicherung tragen dazu bei, Problembewusstsein zu wecken und zu schärfen. Diese Maßnahmen müssen stets individuell auf den einzelnen Fall zugeschnitten sein und gehen auch weit über die herkömmliche Fortbildung hinaus. Ich denke, es ist wenig sinnvoll, den Arzt bzw. die Ärztin in ein Korsett zu zwingen.

Was kann Fortbildung im Kontext des Kompetenzerhalts und der Kompetenzentwicklung leisten?

Fortbildungsinhalte müssen einerseits den subjektiv empfundenen Bedürfnissen des Arztes entsprechen, praxisrelevant sein und andererseits objektive Wissens- und Handlungsdefizite aufgreifen und diese in den für die Patientenversorgung relevanten Kontext setzen.

Das freiwillige Fortbildungszertifikat der Ärztekammern wird den Forderungen zur Dokumentation des Kompetenzerhalts durchaus gerecht. Es eröffnet den Ärzten darüber hinaus die Möglichkeit, qualifizierte Fortbildung gegenüber den Patienten zu dokumentieren.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Herzlichen Dank, Heyo Eckel, für diesen Bericht, den wir in den Themenkomplex einbeziehen, den wir unter Tagesordnungs­punkt I abhandeln. Den dazugehörigen Antrag werden wir auch einbringen. Es können noch weitere Anträge zu diesem speziellen Punkt gestellt werden.

Gibt es dazu Wortmeldungen? - Bitte, Herr Kollege Bolay aus Westfalen-Lippe.

© 2003, Bundesärztekammer.