ENTSCHLIESSUNGSANTRAG V
- 6
Auf
Antrag des Vorstandes der Bundesärztekammer (Drucksache V-6) fasst der
106. Deutsche Ärztetag folgende Entschließung:
Seit dem 01.01.2003 ist das G-DRG-System (German (Refined)
Diagnosis Related Groups)
an mehr oder weniger freiwillig teilnehmenden Krankenhäusern als „lernendes
Vergütungssystem“ eingeführt. Etliche Probleme seiner Gestaltung sind noch
nicht gelöst. Der Deutsche Ärztetag fordert, dass das G-DRG-System erst
dann wirksam zum Einsatz kommt, wenn es ausreichend an die Versorgungswirklichkeit
angepasst ist. Die jetzt noch bestehenden Mängel der insgesamt realitätsfernen G-DRG-Erstversion würden sonst die Sicherstellung einer
bedarfsgerechten, humanen und wirtschaftlichen Krankenversorgung gefährden und
damit die angestrebte Leistungsgerechtigkeit ad absurdum führen.
Zahlreiche Leistungen und
Leistungsbereiche werden in der aktuellen G-DRG-Fassung unzureichend
abgebildet. Dazu gehören Leistungen oder Leistungsbereiche wie
§
Dermatologie,
§
(Früh-)Rehabilitation,
§
Geriatrie
und Palliativmedizin,
§
Intensivmedizin,
§
Pädiatrie
und Kinderchirurgie,
§
Hämatologie,
Onkologie und Strahlentherapie,
§
Transplantationsmedizin,
§
Unfallchirurgie,
§
die
Behandlung zusätzlicher Behinderungen und chronischer Erkrankungen insbesondere
in der Rheumatologie und Neurologie sowie
§
besondere
Therapiekonzepte und Schwerpunktbildungen.
Die Kritik daran hat
erfreulicherweise zu der Initiative des Gesetzgebers mit dem vor seiner
Verabschiedung stehenden Fallpauschalenänderungsgesetz (FPÄndG)
geführt. Damit sollen verbesserte Öffnungsklauseln für eine zusätzliche oder
alternative Finanzierung von Leistungen oder Einrichtungen geschaffen werden,
die über G-DRGs nicht sachgerecht vergütet werden
können. Der Deutsche Ärztetag begrüßt diese Einsicht des Gesetzgebers. Die
Nachbesserung des „lernenden Systems“ kann damit aber keineswegs als
abgeschlossen betrachtet werden.
Nach internationaler
Erfahrung und angesichts des bisherigen Fortschritts der Arbeiten in
Deutschland kann nicht damit gerechnet werden, dass alle Krankenhausleistungen
bis zum Jahr 2007 sachgerecht durch DRG-Fallpauschalen abgebildet
werden. Deshalb müssen Zusatz- und Sonderregelungen für
Problembereiche über diesen Termin hinaus dauerhaft angelegt werden. Um dem
speziellen regionalen Versorgungsbedarf flexibler zu entsprechen, müssen die
Länder hierbei einen größeren Einfluss erhalten.
Der Deutsche Ärztetag stellt fest, dass weitere wesentliche Problemfelder im Rahmen
kurzfristiger Gesetzgebung gelöst werden müssen. Dazu zählen
§
der
unangemessene Zeitrahmen für die Anpassung und Einführung des neuen
G-DRG-Vergütungssystems bis zu dessen budgetwirksamer
Anwendung,
§
der mit der
angespannten Arbeitssituation an den Krankenhäusern kaum vereinbare hohe
Dokumentationsaufwand der neuen Fallpauschalen,
§
die fehlende
Gegenfinanzierung der zahllosen unbezahlten Überstunden und die nicht
umgesetzte Bewertung ärztlicher Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit statt als
Ruhezeit,
§
die fehlende
Berücksichtigung der ärztlichen Weiterbildung unter G-DRG-Bedingungen
als Sonderfinanzierungstatbestand,
§
die in
entscheidenden Details praxis- und betroffenenfernen Regelungen zur Fallprüfung
nach § 17c KHG,
§
die zu weit
reichende, kaum G-DRG-konform umsetzbare und daher
kontraproduktive Mindestmengenregelung nach § 137 Absatz 1
Satz 3 Nr. 3 SGB V wie auch insbesondere
§
die fehlende
Gegenfinanzierung von Leistungsverlagerungen zwischen dem stationären und
anderen Versorgungsbereichen, insbesondere der nachstationären ambulanten
Versorgung und der dabei notwendigen Pflege, der Rehabilitation und der
Sicherstellung der präklinischen Notfallversorgung
unter den Rahmenbedingungen des G-DRG-Vergütungssystems.
Schon jetzt ist absehbar,
welche Probleme die Revision des G-DRG 1.0-Fallpauschalensystems für das Jahr
2004 bereitet. Eine solide Anpassung des Systems bis zur ab 2005 geplanten
Konvergenzphase wird nicht möglich sein. Es ist unrealistisch, dass das System
ab diesem Zeitpunkt unmittelbar wirksam werden soll. Probleme lösen sich nicht
allein durch Fristen, sondern durch sachgerechte Lösungen. Deshalb muss die
budgetneutrale Einführungsphase verlängert werden.
Wegen der starken
Anreizwirkung des neuen G-DRG-Vergütungssystems im
Hinblick
auf die Struktur, den Ablauf und die Qualität der Krankenhausversorgung dürfen
Sorgfalt und Genauigkeit seiner Gestaltung nicht unter die Räder eines zu ehrgeizigen
politischen Zeitplans oder fragwürdiger ökonomischer Anreize geraten. Das Geld
kann der Leistung nur dann in gerechter Weise folgen, wenn das G-DRG-Vergütungssystem die Leistungen korrekt abbildet.
Solange dieses nicht der Fall ist, profitieren die Falschen zu Lasten der
Krankenversorgung. Unter diesen Umständen muss auch die Ausgestaltung der
Konvergenzphase und die darin vorgesehene Umverteilung der Erlöse dringend neu
überdacht werden.
Der Deutsche Ärztetag fordert den Gesetzgeber und die
Vertragsparteien der Selbstverwaltung daher auf, sicherzustellen, dass das G-DRG-Vergütungssystem unter Beachtung der vorgenannten
Kriterien mit den betroffenen Berufsgruppen für eine sachgerechte Finanzierung der voll- und teilstationären
Patientenversorgung im Kontext mit den angeschlossenen Versorgungsbereichen
angepasst und weiterentwickelt werden kann.
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